Redebeitrag für die Antikriegstagsveranstaltung am 1. September 2021 in Nordenham

 

- Sperrfrist: 1.9.21, Redebeginn: 16 Uhr -
- Es gilt das gesprochene Wort -

 

Liebe Freundinnen und Freunde,

krieg? Was ist das eigentlich? Man findet viele Definitionen zu dem Begriff „Krieg“.

Unter anderem: „Bewaffneter Konflikt zwischen Staaten oder Staatengruppen.“ oder „Gewaltmaßnahmen unter Abbruch der diplomatischen Beziehungen.“

Bei einem sind wir uns aber alle einig Krieg bringt uns nicht weiter, egal welche Definition das Wort annimmt.

Den letzten großen Krieg in Europa haben wir fast alle noch mitbekommen, manche sehen noch die Bilder vor sich.

10 Jahre kämpften die jugoslawischen Staaten untereinander. Allein in Bosnien, nur eins der vielen beteiligten Länder, starben circa 97.000 Menschen, derzeitiger Stand. Noch sind nicht alle Opfer aus  z.B. Srebrenica gefunden.

Srebrenica! Ein Ort der für das schlimmste Kriegsverbrechen in Europa seit dem 2. Weltkrieg steht. Doch warum wird dieses so oft vergessen, wenn darüber geredet wird, dass die EU seit über 70 Jahren Frieden garantiert? Srebrenica war zu dem Zeitpunkt schon eine UNO-Schutzzone und dennoch konnte es zu den Hinrichtungen der vielen Muslime kommen, circa 9.000 alleine in Srebrenica. Nur wenige (6 Männer) überlebten die Hinrichtungen, durch Glück. Nedzad Avdic zum Beispiel wurde angeschossen und in ein Massengrab geschmissen, daraus konnte er sich nachts befreien und zu Fuß in eine befreite Zone gehen. Heute kämpft er dafür, dass die internationale Gemeinschaft und die Bevölkerung die Taten nicht vergessen. Jedoch wird die ethnische Säuberung (war in Deutschland außerdem Unwort des Jahres 1992) von Srebrenica noch viel geleugnet und auch eine Aufarbeitung des Krieges findet in den ehemaligen jugoslawischen Staaten noch nicht statt. Es ist auch die Aufgabe von uns allen, dass diese Taten nicht vergessen werden. Viele Menschen unter uns haben diesen Krieg mitbekommen, viele von uns kennen mit Sicherheit Menschen mit einer Fluchtgeschichte aus dem ehemaligen Jugoslawien, schließlich war der Völkermord an den Muslimen in Srebenica erst vor 25 Jahre. Vorbei war der Krieg jedoch erst 2001. Der Krieg ist zwar vorbei, doch die Konflikte der Völker untereinander halten an.

Doch warum mussten so viele Menschen, unweit von uns, ihr Leben lassen? Gier, Neid und der Hass auf andere Religionen und Kulturen.

Gier, Neid und Hass führten unter anderem zu

  • vielen Todesopfern in ganz Südosteuropa
  • zu vielen zerrissenen Familien, die heute noch nach ihren Familienmitgliedern suchen, um ihren eine würdige Beisetzung zu geben
  • zu zerstörten Existenzen
  • zu geplatzten Träumen

Die Folgen sind zahlreich und tiefgreifend.

Lasst mich euch ein paar Beispiele von Kriegsschicksalen (aus dem Jugoslawienkrieg) erzählen, die leider meist vergessen werden.

Ich habe Freunde, die sich ducken, sobald ein Krankenwagen sich nähert oder vorbeifährt. Warum? Weil sie als Kind gelernt haben, dass Sirenen ein Zeichen für eine Bombardierungen sind.

Ich habe Freunde, die keine Brücken überqueren können. Warum?

Weil sie einer Brückenbombardierung nur knapp entkommen sind oder gesehen haben, wie diese bombardiert wurde. Als Kind wurde ihnen beigebracht, dass Brücken als Verbindungswege im Krieg immer als erstes zerstört werden und man sich deshalb nicht auf einer Brücke aufhalten soll.

Ich habe Freunde, die keinen Schulabschluss haben und jetzt Gelegenheitsjobs haben. Warum?

Weil jede Kraft an der Front gebraucht wurde, da war es egal, was die Zukunftspläne sind oder ob man noch einen Schulabschluss machen muss. Da war es auch egal, ob man an die Front wollte oder nicht – der Staat brauchte dich und wenn du nicht an die Front bist, hast du dein Volk verraten.

Ich habe Freunde, die noch nie im Kino waren und dieses auch in den nächsten Jahren nicht tun werden, weil das Kino in Mostar auf kroatischer Seite ist. Und warum sollte man als muslimischer Bosniake zu den katholischen Kroaten gehen? Dieser Konflikt unter den Völkern muss ein Ende haben!

Diese Schicksale, die einem vielleicht klein vorkommen, schränken einen ein Leben lang ein. Seid ihr schon mal mit jemanden durch eine Großstadt gegangen, die oder der sich bei jeder Sirene duckt oder immer Umwege geht, weil eine Brücke auf dem Weg ist?

Gerne würde ich sagen: „Endlich seit 19 Jahre ohne bewaffneten Konflikt in Europa. 19 Jahre kein Krieg in Europa!“ Aber das kann ich leider nicht, wenn ich meinen Blick auf die Ukraine werfe.

Lasst uns dafür kämpfen, dass wir endlich sagen können, dass wir in Europa konfliktfrei sind! Lasst uns dafür kämpfen, dass kein Mensch mehr im Krieg sterben muss und die Opfer nicht vergessen werden. Lasst uns dafür kämpfen, dass alle Völker friedlich miteinander leben können. Lasst uns dafür kämpfen, dass Frieden herrscht und man die Definition von Krieg nie wieder wissen muss. Lasst uns dafür kämpfen, dass sich niemand mehr bei Sirenen ducken muss und jeder frei von Gedanken über Brücken gehen kann! Dass jeder sein Leben unbeschwert leben kann! Die Opfer und Geschädigten aller Kriege dürfen nicht vergessen werden!

Lasst uns die Definition von Frieden verbreiten: „Frieden ist ein Zustand innerhalb eines Systems größerer Gruppen von Menschen, besonders von Nationen, bei dem keine organisierte, kollektive Anwendung oder Androhung von Gewalt stattfindet“

 

Marieke Brandt ist Jugendbildungsreferentin der DGB-Jugend Region Oldenburg-Ostfriesland.