Nachhaltige Entwicklungsziele

Agenda 2030 der Vereinten Nationen

von Carolin Schwegmann
Schwerpunkt
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Die Transformation der Welt hin zu mehr Nachhaltigkeit, das haben die UN im Jahr 2015 auf ihrer jährlichen Vollversammlung verabschiedet. Die Sustainable Development Goals (SDG, dt.: Nachhaltige Entwicklungsziele) wurden verfasst und sollen das Handeln bis zum Jahr 2030 leiten. Die Ziele wurden als Weiterführung der Millennium-Entwicklungsziele entwickelt und sollen in kooperativen Partnerschaften zwischen allen Ländern umgesetzt werden. Insgesamt wurden 17 Ziele und 169 Zielvorgaben verabschiedet.

Umgesetzt werden die Ziele von den jeweiligen nationalen Regierungen; dort erfolgt auch die Überprüfung der erzielten Fortschritte.

Die Ziele umspannen alle Gesellschaftsbereiche und globalen Probleme. Neben der Bekämpfung von Armut, Hunger, Mangel an Bildung und Ungleichheit sollen ein gesundes Leben sowie die Geschlechtergleichstellung vorangetrieben werden. Nachhaltige Ressourcennutzung und nachhaltiger Konsum und Wirtschaftswachstum sind angestrebt, genauso wie die Bekämpfung des Klimawandels und der Schutz der Land- und Meermassen. Darüber hinaus wird mit Ziel 16 festgehalten, eine friedliche und inklusive Gesellschaft für eine nachhaltige Entwicklung zu fördern, jenes wird bereits in der Präambel der Agenda 2030 hervorgehoben. Die UN betonen die Verbundenheit zwischen nachhaltiger Entwicklung und Frieden. Das eine könne ohne das andere nicht existieren. (1)

Beim SDG-Gipfel im Jahr 2019 in New York trafen sich die UN-Mitgliedsstaaten, um ein Zwischenfazit zu ziehen. Dort wurde analysiert, welchen Fortschritt die Agenda 2030 gemacht hat. Es wurde festgehalten, dass sich immer mehr nationale Gesetze oder Budgets nach den Zielen ausrichten. Auch das Engagement des privaten Sektors in Nachhaltigkeit wurde anerkannt. Dennoch war das Fazit eher ernüchternd und es wurde sich darauf verständigt, dass größere Mühen notwendig sind. Am Ende des Treffens wurde dazu aufgerufen, in ein Jahrzehnt des beschleunigten Handelns und Erfolgs zu starten. Die Zielbewältigung solle von nun an noch entschlossener angegangen werden. (2)

Seit dem Treffen sind weitere eineinhalb Jahre vergangen, es stellt sich die Frage: Was haben die SDGs bislang bewirkt? Dem UN-Bericht aus dem Jahr 2020 kann man die Fortschritte und Fehlstellungen entnehmen. Viele Erfolge brachten immer auch Schattenseiten mit sich, oder die Entwicklungen waren einfach zu langsam.

Die Anzahl der Menschen, die weltweit in extremer Armut leben, ist seit 2015 nur um etwa zwei Prozent, auf 8.2%, gesunken, davor geschah dies mit einer viel schnelleren Geschwindigkeit. Die globale Hungersnot stieg und es wird projiziert, dass sie durch die Coronakrise weiter verstärkt wird.

Andererseits gab es Fortschritte bei der Geschlechtergleichstellung. Die Repräsentation von Frauen in nationalen Parlamenten stieg zwischen 2015 und 2020 leicht (um drei Prozent) an. So sind (Stand Januar 2020) ein Viertel der nationalen Parlamentsämter von Frauen besetzt. Auch in anderen Bereichen sind die Entwicklungen sehr langsam, so zum Beispiel bei der Bereitstellung von Trinkwasser oder sanitären Einrichtungen. Im Jahr 2018 haben sechzig Prozent der Länder berichtet, die Implementierung von Gesetzen zum Wasserressourcenmanagement sei sehr gering, gering oder mittel-niedrig vorangeschritten. Neben Wasser fehlt es den Menschen auch weiterhin an Zugang zu Elektrizität, Kraftstoffen und Technologien zur Nahrungszubereitung.

Der Anteil erneuerbarer Energien stieg nur um 0,3 Prozentpunkte zwischen 2015 und 2017. Im Vergleich zu 2010 ist auch nur ein Anstieg von einem Prozentpunkt erkennbar.

In der Armutsbekämpfung gab es zwar Fortschritte, nichtsdestotrotz bleibt die Einkommensspanne, zwischen den Reichsten und Ärmsten weiter immens. Ein weiteres Problem ist die schlechte Luftqualität im urbanen Raum. Auch bedenklich ist die Geschwindigkeit, in welcher wir Menschen die Ressourcen der Erde verbrauchen. Verbesserungen bei einigen Ländern werden wettgemacht durch den Verbrauch anderer. Dies ist vor allem im Hinblick auf die Klimakrise bedenklich. 2019 war das zweitwärmste Jahr seit der Wetteraufzeichnung und das Ende des wärmsten Jahrzehnts bis dato. Die beim Paris-Abkommen vereinbarten Ziele werden höchstwahrscheinlich nicht eingelöst und es ist zu erwarten, dass Emissionen weiter ansteigen und Restriktionen weiter gelockert werden.

Im Jahr 2019 wurde auch ein trauriger Rekord aufgestellt im Zusammenhang mit Fluchtbewegungen. Diese wurden zum einen durch fortschreitende Bodendegradation, aber auch durch Konflikte vorangetrieben. 79,5 Millionen Menschen mussten 2019 ihre Heimat verlassen. Zudem sterben in bewaffneten Konflikten jedes Jahr durchschnittlich 11,9 von 100.000 Menschen. (3)

Zu wenig und zu langsam
All diese Beispiele zeigen ein ernüchterndes Bild. Die Ziele werden nicht in einem ausreichenden Maße umgesetzt und wenn, dann zu langsam. Woran kann das liegen? Die Agenda ist eben kein verpflichtendes Gesetz, sondern eben nur eine Agenda. Durch ihre Unterzeichnung haben sich die Mitgliedsländer zwar verpflichtet, sie umzusetzen, aber es gibt keine Instanz, die die Befugnis hat, ein Versagen zu sanktionieren. Es liegt eben an jedem Land, an jeder einzelnen Regierung, die Beschlüsse umzusetzen. Dabei kann es wie bei jeder politischen Entscheidung bürokratische Hürden geben, eine fehlende Mehrheit oder einfach ein fehlendes Verständnis dafür, wie wichtig die Themen der Agenda 2030 sind.

Sollte die Forderung nun heißen, dass die UN in die Lage versetzt werden sollten, für alle Länder gültige Gesetze zu verabschieden? Nicht nur, dass sie es nicht können, denn es ist völkerrechtlich nicht vorgesehen, es wäre auch nicht praktikabel. Was in Niedersachsen als Richtlinie für eine nachhaltige Bodennutzung funktioniert, ist nicht eins zu eins übertragbar auf die Himalayaregion in Indien.

Die Agendaziele werden zwar weitestgehend verfolgt, aber es fehlt oftmals an Daten, um die Fortschritte zu überprüfen. Dies ist vor allem oftmals in entwicklungsschwachen Ländern der Fall. Die Agenda 2030 ist grundsätzlich eine gute Idee, ein guter Anstoß, aber sie kann ihr volles Potenzial nur entfalten, wenn alle Länder an einem Strang ziehen. Aktuell ist noch nicht absehbar, wann dies so weit ist. Erschwerend für die Umsetzung der Ziele ist aktuell die Coronakrise, welche andere globale Probleme aktuell oft in den Hintergrund drängt. Der Umfang, in dem die Agenda 2030 dadurch behindert wird, ist noch nicht absehbar.

Anmerkungen
1 UN General Assembly: Transforming our world : the 2030 Agenda for Sustainable Development, 21 October 2015, A/RES/70/1
2 UN General Assembly: Political declaration of the high-level political forum on sustainable development convened under the auspices of the General Assembly, 21. October 2019,A/RES/74/4
3 UN (2020): The Sustainable Development Goals Report 2020, Ed. Jensen, L., United Nations Publications, New York.

Die Ziele können auf dieser Website nachgelesen werden: https://unric.org/de/17ziele/
 

INFOKASTEN: Ziel 16: Friedliche und inklusive Gesellschaften für eine nachhaltige Entwicklung fördern, allen Menschen Zugang zur Justiz ermöglichen und leistungsfähige, rechenschaftspflichtige und inklusive Institutionen auf allen Ebenen aufbauen
Weltweite Tötungsdelikte, Gewalt gegen Kinder, Menschenhandel und sexuelle Gewalt müssen bekämpft werden, um friedliche und integrative Gesellschaften für eine nachhaltige Entwicklung zu fördern. Sie ebnen den Weg für die Ermöglichung des Zugangs zur Justiz für alle und für den Aufbau effektiver, rechenschaftspflichtiger Institutionen auf allen Ebenen.
Während die Fälle von Mord und Menschenhandel in den letzten zehn Jahren erheblich gesunken sind, sind immer noch Tausende von Menschen in Lateinamerika, in Subsahara-Afrika und in Asien stärker von vorsätzlichen Morden bedroht. Kinderrechtsverletzungen durch Aggression und sexuelle Gewalt plagen nach wie vor viele Länder auf der ganzen Welt, zumal mangelnde Berichterstattung und Datenmangel das Problem verschärfen.
Um diese Herausforderungen anzugehen und eine friedlichere, integrativere Gesellschaft aufzubauen, bedarf es effizienterer und transparenterer Vorschriften und umfassenderer, realistischer öffentlicher Haushalte. Einer der ersten Schritte zum Schutz der individuellen Rechte ist die Umsetzung der weltweiten Geburtsregistrierung und die Schaffung unabhängigerer nationaler Menschenrechtsinstitutionen auf der ganzen Welt.

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Carolin Schwegmann hat einen Master in Politikwissenschaft von der Universität Münster.