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Ökologische Sicherheit
Auszug aus dem Memorandum für eine sicherheitspolitische Neuorientierung der BRD der IALANA
4. Ökologische Sicherheit
Der Absturz der Ökosysteme in Ungleichgewichte ist nicht nur aus einer Ursache heraus erklärbar. Verschiedenartige menschliche Eingriffe wirken sich - zum Teil wechselseitig verstärkend - auf die Natur und die Ökosysteme sowie das Klima aus. In der sog. Dritten Welt sind es vor allem armutsbedingte Umweltzerstörung, die Verwendung von tropischen Edelhölzern für Bauten und Möbel in den kaufkräftigen Industrieländern, Brennholzbedarf, ungelöste Landverteilungsfragen, agroindustrielle Großfarmen mit Monokulturen, künstlicher Bewässerung und starkem Kunstdünger-Einsatz, unterentwickelte Umwelttechnik etc.
Die globale Umweltkrise ist aber nicht in erster Linie ein Problem des Südens. Im Gegenteil. Der Entwicklungsweg der industrialisierten Staaten des Nordens ist in globaler Hinsicht nicht verallgemeinerungsfähig. Der Ressourcen- und insbesondere der Energieverbrauch pro Kopf, wie er in den hochindustrialisierten Ländern üblich ist, würde, auf die Welt übertragen, in wenigen Jahren den vollständigen globalen ökologischen Kollaps bedeuten.
Aus dieser globalen ökologischen Krisen-Situation resultieren Gefahren und Risiken, die sich friedensgefährdend auswirken können.
In der sicherheitspolitischen Debatte in den USA hat die "ökologische" Argumentation mittlerweile ihren festen Platz. In einer Studie über die Zukunft der US-Army heißt es zum Beispiel:
"In den 90er Jahren wird sich die Umweltproblematik zu einem wesentlichen Thema der nationalen Sicherheit der Vereinigten Staaten entwickeln .... Fragen der Umwelt werden wegen ihrer Bedeutung für das nationale Überleben in wachsendem Maße politisch, egal ob das spezifische Problem nun die Ausschöpfung lebenswichtiger Ressourcen, die Ausrottung wertvoller Arten oder den intakten Zustand der Atmosphäre betrifft. Die Handlungsmöglichkeiten werden begrenzt sein. Dementsprechend werden sich Nationen mit Entscheidungen konfrontiert sehen, die Konflikte unausweichlich machen." 1
In dem BMVg-Planungspapier ("Stoltenberg-Papier'') vom Januar 1992 steht Ähnliches. Unter der Überschrift "Deutsche Sicherheitsinteressen" werden angeführt: " ... Förderung und Absicherung weltweiter politischer, wirtschaftlicher, militärischer und ökologischer Stabilität, ... Aufrechterhaltung des freien Welthandels und des Zugangs zu strategischen Rohstoffen". Mit anderen Worten: Die in dein Papier diskutierten und geforderten out-of-area-Bestrebungen der Bundeswehr werden "ökologisch" begründet ("ökologische, Sicherheit"). Der Generalinspekteur der Bundeswehr Klaus Naumann soll auf die Frage "Wollen Sie denn den brasilianischen Regenwald mit ihrer Truppe besetzen, um ihn zu schützen?" geantwortet haben: "Um die Sauerstoffreserven unserer Welt zu sichern ... wird uns wohl nichts anderes übrig bleiben." 2
Wenn sich diese Konzeption zur Bewältigung internationaler und globaler ökologischer Probleme durchsetzen sollten, dann kann damit eine neue Phase militärisch abgestützter Interventionspolitik eingeläutet sein, diesmal mit "ökologischen" Begründungen.
Hilfreich gegenüber diesen Tendenzen könnten gediegene Analysen über die Ursachen der bestehenden ökologischen Risiken sowie Studien über ursachenbezogene zivile Gegenstrategien sein. Diese könnten sich zum Beispiel auf folgende Fragen beziehen:
- Aufbau von Unterstützungssystemen, die Staaten beim Ausstieg aus besonders umweltschädlichen Projekten helfen können;
- Herstellung eines möglichst dichten Netzes von verbindlichen Umweltstandards und Verhaltensgrundsätzen (Obergrenzen für Schadstoff-Emissionen, Mindestschutzstandards insbesondere in den risikointensiven Bereichen der Industrie, der Energiegewinnung und der Müllentsorgung);
- Abbau und Vermeidung grenzüberschreitender Umweltbelastungen;
- wirksame soziale Lind ökonomische Maßnahmen zum Schutz der (für das globale Überleben wichtiger) tropischen Regenwälder;
- Sofortmaßnahmen gegen die Ausdehnung des Ozon-Lochs und gegen die Erwärmung der Erdatmosphäre;
- Entwicklung neuer Produktionsstrategien zur Ressourcenschonung und Abfallvermeidung (ökologische Kreislaufwirtschaften);
- Entwicklung und Aufbau ökologischer volkswirtschaftlicher Gesamtrechnungen: Ökologische und soziale Kosten müssen integraler Bestandteil der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung (Bruttosozialprodukt) der Staaten werden.
1 Vgl. Motley, James Berry, Beyond the Soviel Threat. The US-Army in a Post-Colt-War Environment, Lexington 1991, S. 41, zit, n.: Volker Böge, Ökologische Krise und militärische Intervention, in: ami Heft 10/1992, S. 15 ff 16 f
2 Vgl. Der Spiegel, Nr. 32/1992, S. 37