Volksabstimmung über F/A-18 in der Schweiz

Demokratie zwingt Kampfflugzeug zur Notlandung

von Sascha Buchbinder
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Eine Volksabstimmung über den Kauf eines neuen Kampfflugzeuges will die Gruppe für eine Schweiz ohne Armee (GSoA) erzwingen. Innerhalb von nur einem Monat soll eine Volksinitiative auf die Beine gestellt werden, die ein Kaufverbot für Kampfflieger bis zum Jahr 2000 fordert. Mit ihrer Initiative stellt die GSoA nicht nur den blödsinnigen Flugzeugkauf für 3,5 Milliarden Franken zur Diskussion, sie entfacht auch in der Schweiz eine Auseinandersetzung über die Volksrechte und das Demokratieverständnis.

Mit 100.000 Unterschriften kann in der Schweiz über (beinah) jede Frage eine Volksabstimmung verlangt werden. Dies Initiativrecht besitzt heute wie zur Zeit seiner Einführung vor nun schon 100 Jahren ungeheure Brisanz - erlaubt die Volksinitiven doch, die Demokratie in ihrem ursprünglichen Sinn als Volksherrschaft einzufordern und weist zuweilen die satte Selbstsicherheit der Re-präsentantInnen des Volks in ihre Schranken.

Die Situation um den Kauf von 34 F/A-18 Kampfflugzeugen für die Schweizer Luftwaffe war noch vor zwei Monaten völlig trostlos: Allen war klar, dass die Mehr der SchweizerInnen nicht bereit war, 3,5 Milliarden Franken für in weiten Kreisen als überflüssig empfundene Militärmaschine zu verschleudern und dennoch schien der Kauf festzustehen. Die Militärs waren sich ihrer Sache so sicher, dass der Vertrag mit der US-Marine vorsieht, dass noch bevor beide Parlamentskammern ihren Segen erteilen konnten, bereits 50 Millionen Franken überwiesen werden.

Selbstherrlichkeit als Stolperstein
Doch gerade dieses selbstgerechte Vorgehen der Militärs und ihrer Parlamenterarier(Innen), die sich aus der Zeit des Kalten Krieges gewohnt waren, Oppositionelle einfach als Landesverräter ab-stemmpeln zu können und so jeden Hochrüstungswunsch durchzubringen, erweist sich nun als Bumerang. Nicht gewillt, umdenken und sich von überholten Denkmustern zu befreien, hat sich das Eidgenössische Militärdepartement (EMD = Verteidigungsminsterium Anm. d. Red.)  ins Abseits manöviert. Ihre nebulösen potentiellen Gefahren durch Instabilitäten in Europa vermögen für die meisten BürgerInnen keine milliardenteuren neuen Waffen zu rechtfertigen. Dass innereuropäische Konflikte nach den Mustern eines Golfkrieges ausgetragen würden, glaubt heute ausserhalb des EMD kaum mehr jemand.

Doch wie gesagt: Das Volk war gar nicht gefragt. Denn über Rüstungsgeschäfte entscheidet das Parlament. Und unter der dort herrschenden Käseglocken-Atmosphäre durfte das EMD  trotz Unmut im Volk mit einer Mehrheit in den beiden bürgerlich dominierten Kammern rechnen. Bis die GSoA im letzten Moment beschloss, in einem bisher einmaligen Spurt eine Volksinitiative einzureichen - damit das Volk eben doch gefragt würde.

Pazifismus Nebensache
Natürlich kann man die Mehrheit der SchweizerInnen unmöglich als eingefleischte PazifistInnen bezeichnen, mit deren Hilfe sich das Volksbegehren realisieren ließe. Der Widerstand gegen den Kauf des Kampfflugzeuges rührt denn auch nicht primär aus moralischen Skrupeln, denn aus einer Verschiebung der Prioritäten im kollektiven Bewusstsein. Soziale Unsicherheiten im Innern - vorab die Angst vor Arbeitsverlust und die Wohnungsnot - führten in den letzten Monaten dazu, dass die bedingungslose Sicherstellung der Landesverteidigung mit Brachialgewalt kein vorrangiges Anliegen der Bevölkerung darstellt.

Diese Situation führte dazu die Idee der GSoA, den kauf mittels Plebizit zu verhindern, auf ein gewaltiges Echo stieß. Noch bevor die Lancierung von der Vollversammlung beschlossen wurde, löste bereits die GSoA-interne Diskussion dieses Projekts ein unerhörtes Medienecho aus. Die Initiative wurde plötzlich zum innenpolitischen Thema Nummer eins - eben weil es dabei um viel mehr als "nur" um irgendein Rüstungsgeschäft geht.

Der Initiative selbst ist davon nichts anzusehen. Sie besteht aus nur zwei Sätzen, die im Falle ihrer Annahme als Übergangsbestimmung neu in die Bundesverfassung aufgenommen werden. Der erste Absatz lautet schlicht: "Der Bund beschafft bis zum Jahre 2000 keine neuen Kampfflugzeuge", der zweite definiert dann nur noch, welche Flugzeuge "neu" sind: "Als neu gelten Kampfflugzeuge, deren Beschaffung die Bundesversammlung zwischen dem 1. Juni 1992 und dem 31. Dezember 1999 beschließt." Den entscheidenden Zündstoff enthält erst der zweite Abschnitt. Denn im Juni tritt das Parlament wieder zusammen und wollte dann eigentlich den Kauf absegnen. Rein rechtlich wäre das immer noch möglich, da die Initiative frühestens im Herbst zur Abstimmung gelangt. Politisch aber steht der Nationalrat damit unter starkem Druck.

Sonntags- oder direkte Demokratie?
Aus rechtsbürgerlichen Kreisen kam denn auch ein heftiger Aufschrei. Die ohnehin öfters als lästig empfundenen Volksrechtes sollten endgültig beschnitten werden. Die bürgerlichen PolitikerInnen machten deutlich, dass sie sich nicht als VertreterInnen des Volkes verstanden, sondern als die allein zuständigen Machthaber. Demonkratie ist für sie ein Besitz, den es notfalls gegen das Volk zu verteidigen gilt. Fast alle Medien und die namhaften Staatsrechtprofessoren dagegen hielten fest, dass die GSoA recht hat, wenn sie sich auf den Standpunkt stellt, dass in einer direkten Demokratie jederzeit dem Volk jede Frage, über die sich sinnvollerweise abstimmen lässt, vorgelegt werden darf. Oder anders ausgedrückt: Demokratie kann nicht Eigentum und Schmuck der Mehrheit sein, sondern stellt eine immer neu zu lösende Aufgabe dar.

Mit der bislang einmaligen Leistung der Unterschriftensammlung und Beglaubigung in nur einem Monat schliesslich wird der politische Druck derart mächtig, dass es im Juni niemand mehr wagen wird, die Demokratie zu strangulieren. Bereits Anfang Mai, die Unterschriftensammlung hatte kaum begonnen, tönte es aus den Zentralen der Parteien auch schon ganz anders. Eine Ungültigkeitserklärung durch das Parlament wäre, so das Eingeständnis der Bürgerlichen, politischer Selbstmord. (Das Parlament hat in der Schweiz die Befugnis, jede Initiative für ungültig zu erklären, theoretisch ohne einen Grund zu besitzen. Da ausserdem kein Verfassungsgericht existiert, kann ein solcher Entscheid nicht angefochten werden. Politisch würde in diesem Fall damit allerdings das bislang so selbstverständliche Vertrauen in den Staat schwer erschüttert, der Schaden wäre selbst in den Augen bürgerlicher PolitikerInnen grösser, als dies eine Annahme der Initiative verursachen könnte.)

Die direkte Demokratie ist vielen helvetischen Potentaten schon länger ein Dorn im Auge. So ist gegenwärtig im Parlament ein Vorstoss hängig, der solche Stichtage in Volksinitiativen wie der Initiative "Für eine Schweiz ohne neue Kampfflugzeuge" verbieten will. Diese bislang von der Öffentlichkeit weitgehend unbemerkt ablaufenden Bemühung zum unauffälligen Abbau der Volks-rechte haben nun einen Dämpfer verpasst gekriegt. Dank der Debatte um ein solch günstiges Objekt, eben die höchst populäre Initiative, konnte so ein Teilsieg erreicht und die Position der Verfechter einer lebendigen Demokratie mit echten Auseinandersetzungen gestärkt werden.

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