Nur mit dir und deiner Unterstützung kann das Netzwerk Friedenskooperative 2025 friedenspolitisch wirken. Unterstütze uns zu Weihnachten mit einer Spende!
Profiteure der Abschreckung
Die Grenze zwischen Mexiko und den USA
vonDieser Text erscheint hier in gekürzter Form (in 2 Folgen). Er gibt einen schnellen Überblick zu den zahlreichen Aspekten des komplexen Konfliktes an der Grenze zwischen Mexiko und den USA (1) und ihren Profiteuren. Auf der Web-Plattform des RIB e.V. GN STAT (GLOBAL NET – STOP THE ARMS TRADE, Fall 6) ist der vollständige Text zu finden.
Seit etwa 1990 wird an der Grenze zwischen den USA und Mexiko, der „Southern Border“ oder „La Frontera del Norte“, die katastrophale bürgerkriegsähnliche Situation Mexikos und die anderer Länder Lateinamerikas sichtbar: Tausende Menschen stehen an dieser Grenze – Schleppern ausgeliefert, nach langem Fußmarsch, vielen Entbehrungen und Erniedrigungen - und ersuchen um Asyl in den USA. Sie stehen dort, weil der Zusammenbruch lateinamerikanischer Staaten durch Korruption, Straflosigkeit, Verfall der Wirtschaft und die allgemeine todbringende Gewalttätigkeit ihnen jegliche Perspektiven auf ein normales Leben in der Heimat genommen hat.
Doch das stimmt nicht für alle: Denn es gibt viele Profiteure an dieser Grenze. Hier ist das entstanden, was US-Amerikaner*innen politisch eine „revolving door“ nennen – eine Drehtür für Schlepperbanden, Drogenhändler, Waffenhersteller und Waffenhändler. Für Drogenproduzenten und Drogenhändler hat der enorme Drogenkonsum in den USA einen überaus lohnenden Markt eröffnet, der auch noch durch Frauenhandel und Prostitution für US-amerikanische Kunden in grenznahen Städten Mexikos erweitert wird.
Auf der US-amerikanischen Seite versorgen sich ganze Drogenkartelle mit Waffen. Vor allem aber eröffnet diese Situation einen lohnenden Markt für US-amerikanische und internationale Waffenproduzenten. Seit einigen Jahren errichten bekannte Waffenschmieden in den grenznahen US-Staaten – dem sog. „Gunbelt“ - immer mehr Niederlassungen und Waffenläden. Eine Flut von Waffen schwappt über die Grenze, schürt den Konkurrenzkampf der Drogenkartelle und die allgemeine Kriminalität. Im besonderen Fall Mexikos hat sie mittlerweile eine Welle der Gewalt über das ganze Land gebracht. Die Zahl der Opfer durch Kleinwaffen geht in die Hunderttausende, dazu kommen Tausende von Verschwundenen, deren Schicksal niemand kennt. Der Zusammenbruch der Infrastruktur - auch als Folge des Einsatzes von Kleinwaffen - führt zu Versorgungsproblemen, zu Hungersnot und Verelendung. Der korrupte mexikanische Staat, selbst in Drogengeschäfte verwickelt, versucht jede Berichterstattung zu unterbinden. Politische Repression ist an der Tagesordnung. Straflosigkeit macht sich breit, Menschenrechtsverletzungen bleiben ungesühnt, davon kündet die Zahl ermordeter Journalist*innen und Frauen.
Trump machte die Migrationsbewegung sichtbar
Die Migrationsbewegung in ganz Lateinamerika wurde medial erst sichtbar, als US-Präsident Trump während seiner Wahlkampagnen im Jahr 2016 an dieser dünnen Linie zwischen dem - aus Sicht der Flüchtlinge „erträumten Paradies“ - USA und Mexiko in besonders krasser Weise mit stimmenheischenden und extrem fremdenfeindlichen Sprüchen auf Wählerfang ging. Unter seinen Anhänger*innen schürte dies Furcht vor Überfremdung, Jobverlust und die Angst vor Vergewaltigungen und Verbrechen von Latinos.
So sehr Trump sich damit zum Retter der Nation gerieren wollte, hat er sich doch lediglich in die politische Tradition seiner Vorgänger gestellt, die weit in die Geschichte der USA reicht. Aus der Sicht des Journalisten und Buchautors Daniel Denvir krönt Trump mit seinem Spruch „Build the wall“ und seinen deklassierenden Äußerungen über Ausländer*innen offen und unverblümt ein ganzes Jahrhundert einer nativistischen Ideologie in der Politik der USA. Im Bestreben, die USA als weißes Land für weiße Menschen zu sichern, haben alle Vorgänger Trumps, so Denvir, bereits mehr Mauern, Zäune und Käfige gebaut, als er selbst je wird bauen können. Große Teile der Grenze haben sich bereits seit Jahren mit dem „fencing“ (Zaun, Umzäunung) unterschiedlichster Gestalt bewährt. Seit 1924 haben alle US-Regierungen Maßnahmen erlassen, um die Grenze mit bürokratischen und zunehmend militärisch bewährten Abschottungsprogrammen zu kontrollieren.
Die Border Enforcement Zone
In der Border Enforcement Zone, einem 100 Meilen umfassenden Grenzbereich im Innern der USA, werden rund zwei Drittel der US-Bevölkerung überwacht und kontrolliert. Dies ist ein Bereich, in dem eine Reihe von zuständigen Behörden wie die hochgerüstete Border Patrol, die gewaltbereite Polizei und auch die militärisch ausgerüstete National Guard besondere Rechte haben. Zudem zeigen die Profile einiger Baufirmen, wie Lobbyismus in der Bauindustrie aus politisch eskalierten Situationen Profit zu schlagen versteht: mit gezielten Parteispenden, deren Höhe entscheidend die Empfehlung für eine bestimmte Firma bei der zuständigen Behörde beeinflusst.
Die Unverfrorenheit Trumps zeigte sich 2018, als er medienwirksam neue Abschnitte des Zauns an der mexikanischen Grenze als Teile seiner „wunderbaren Mauer“ einweihte. Dabei wusste er zu verschweigen, dass es sich dabei um Projekte handelte, die seine Vorgänger Bush und Obama schon lange angeordnet und bezahlt hatten, aber erst in seiner Amtszeit abgeschlossen wurden. Allem Anschein nach wird Trumps Mauer nicht die gesamten 2000 Meilen erfassen, sondern lediglich 200.
Waffenlieferungen an Mexiko und das Drogengeschäft
Trumps Politik hat ein mediales Vergrößerungsglas auf das Problem der illegalen Einwanderung über die mexikanische Grenze in die USA gelegt und die Furcht vor der immensen „kriminellen Energie“, die damit importiert werde, aufkommen lassen. Das ist eine machtpolitische Taktik, die geschickt mit der vorhandenen xenophoben Grundstimmung seiner Wähler*innen spielt. Mit keinem Wort wird dabei der Gegenfluss aus den USA nach Mexiko erwähnt: Die gewaltige, täglich den Tod bringende Flut von Waffen, die sich aus den USA und aus anderen Ländern nach Mexiko und nach ganz Lateinamerika ergießt, ist eine sprudelnde Einnahmequelle für die US-amerikanischen und internationalen Waffenschmieden, die sich aus dem Schwarzgeld des Drogenverkaufs nährt. John Lindsey Poland, Menschenrechts- und Demilitarisierungsaktivist, betont, dass die Waffen aus den USA primär an mexikanische Behörden verkauft werden, an Ministerien der Verteidigung SEDENA und der Marine SEMAR, die dafür verantwortlich zeichnen. Mit welchen undurchsichtigen Machenschaften die Waffen ihren Weg in die Hände von Kriminellen nehmen, ist schwer zu ergründen. Zuverlässige Quellen schätzen, dass gegenwärtig ca. 20 Millionen Waffen in Mexiko in Umlauf sind. Dazu gehören, dank der liberalen Waffengesetze in den USA und wegen fehlender Kontrollen beim Verkauf und beim Zoll, ganze Arsenale, die von sog. „Strohkäufern“ (US-Bürger*innen) direkt in den USA erworben werden. Hinter der Grenze bringen sie hohen Gewinn. Mit all diesen Waffen werden Korruption und Gewalt befeuert und Straflosigkeit in Mexiko erzwungen. Die Mordrate erreicht jedes Jahr immer größere Ausmaße. Darin sehen Expert*innen die Ursache dafür, dass so viele Menschen in das „sichere“ Land USA einwandern wollen.
Der Anthropologe Howard Campbell, Professor an der Universität Texas in El Paso, beschreibt den Drogenhandel als eine illegale Form von Kapitalanhäufung, die mit maßlosem Konsumismus Reichtum zelebriert, gefördert durch Neoliberalismus und korrupten Absprachen mit staatlichen Behörden. Letztendlich sei der Drogenhandel integraler Bestandteil des US-amerikanischen und des mexikanischen Wirtschaftssystems geworden. Der Grenzraum sei, so Campbell, ein fließender transnationaler Kulturraum, in dem rivalisierende Kräfte um Bedeutung, Wert und Kontrolle von Drogen kämpfen. (Teil 2 folgt im nächsten Heft).
Anmerkung
1 Eine Anmerkung zum Sprachgebrauch: Das Land ‚Vereinigte Staaten von Amerika‘ wird in Deutschland oft mit dem Kürzel ‚Amerika‘ bezeichnet. Mir fällt das schwer, denn ich bin in Mexiko geboren, also auch in ‚Amerika‘, nur eben nicht in den Vereinigten Staaten von ... Ich finde es angebracht, in Anlehnung an H.W. Schäfer (Kampf der Fundamentalismen, http://|dnb.d-nb.de), dieses Land höflich mit USA anzusprechen und das Adjektiv ‚US-amerikanisch‘ einzusetzen