Friedensbildung

Die zwei Seiten der Medaille: Krieg verstehen und Frieden lernen

von Jonas Schäfer

Das Bild der Medaille mit ihren zwei Seiten soll − wie alle Metaphern − einen bestimmten Aspekt einer Sache veranschaulichen. In diesem Fall: dass Krieg und ebenso das Ringen um Frieden die menschliche Geschichte wie auch die Gegenwart bestimmen. Im Folgenden stelle ich den Arbeitsansatz des Projekts „Friedensbildung, Bundeswehr und Schule“ vor.

Allerdings muss hinzugefügt werden: Krieg und Frieden sind nicht in ein Schwarz-Weiß-Schema zu pressen. Sondern beide sind „zivilisatorische Grundprobleme“, und sie sind enorm komplex. Bildung im Kindes- und Jugendalter über Ursachen von Kriegen und Konflikten, (De-)Eskalationsmechanismen und Wege zum Frieden wird hier nur erste (aber möglicherweise entscheidende) Schritte zur Wertebildung setzen können. Friedensbildung bedeutet in vorderer Linie Bildung zur politischen Mündigkeit. Heranwachsende, aber auch längst erwachsene MitbürgerInnen sollen sich zu dem Themenkomplex Krieg und Frieden eine freie, differenzierte und werteorientierte Meinung bilden können.

Der Fokus des Projekts „Friedensbildung, Bundeswehr und Schule“ liegt auf einer stärkeren Bewusstmachung ziviler Konfliktbearbeitungsformen. Gewaltfreie zivile Konfliktbearbeitung schaut nicht weg, wenn es um die Unvereinbarkeiten in Konflikten geht. Im Gegenteil: sie schaut genau hin. Mit der Stärkung der Menschenrechte, Förderung von Gerechtigkeit, vertrauensbildenden Maßnahmen wie bspw. Mediation, Diplomatie oder Versöhnungsarbeit will sie Alternativen aufzeigen zur militärischen Konfliktbearbeitung.

Diese verschiedenen Methoden sind aber bislang weniger bekannt als militärische Instrumente und werden entsprechend meist auch im Unterricht weniger intensiv behandelt als das militärische Eingreifen. Dies zu ändern, hat sich das Projekt zum Ziel gesetzt. Friedensbildung im Sinne des Projekts informiert daher verstärkt über den gewaltfreien und konstruktiven Umgang mit Konflikten und übt Kritik an ihrem gewalttätigen Austrag.

Friedensbildung praktisch unterstützen
Mit der Arbeit will das Projekt ganz konkret jene ansprechen, die Bildungsarbeit mit Jugendlichen durchführen: LehrerInnen sowie MultiplikatorenInnen außerschulischer Einrichtungen. Die Website www.friedensbildung-schule.de bietet einen einfachen Zugang zu Schul- und Unterrichtsmaterialien, von denen die meisten gleich kostenlos heruntergeladen werden können. Hier kann sowohl nach didaktisiertem Unterrichtsmaterial für verschiedene Fächer und Klassenstufen gesucht werden als auch nach einzelnen Elementen zur Gestaltung des Unterrichtsthemas: zum Beispiel Videos oder Radiobeiträge, Karikaturen und Ausstellungen, Hintergrundinformationen, Lernplattformen, Online-Portale und Planspiele. Besonders letztere haben den Vorteil, die Jugendlichen ganzheitlich anzusprechen und sie aktiv mit einzubeziehen.

Authentische Vorbilder für Friedensbildung
Ebenso wie Jugendoffiziere seit den 1950er Jahren in Schulen von ihrer Einsatzrealität erzählen können, sollen zukünftig verstärkt auch Friedensakteure aus der Zivilgesellschaft von ihren Aktivitäten berichten: sei es über das kreative Engagement gegen in Deutschland stationierte Atomwaffen, über Versöhnungsarbeit oder über den Zivilen Friedensdienst im Ausland. Fast in jedem Bundesland gibt es Organisationen oder Netzwerke, die sich für Friedensbildung engagieren. Zum Teil arbeiten sie praktisch, indem sie ReferentInnen vermitteln, und auch / oder auf politischer Ebene, um über die Schul- und Kultusministerien Friedensbildung an Schulen zu stärken. Darüber hinaus bieten sie Weiterbildungen für LehrerInnen an. Das Projekt unterstützt diese Bemühung und vor allem auch die Neugründung von Netzwerken, um in Bündnissen Synergien herzustellen, eine größere politische Bedeutung zu erlangen und das Thema nachhaltig regional zu verankern.

Gesellschaftliche Kontroversen auch in der Schule zulassen und fördern
Gespräche über die Themen Krieg und Frieden sind häufig stark von Emotionen bestimmt. Das mag inhaltlich naheliegend sein, geht es doch oft um Leben und Tod. Starke Emotionalität kann allerdings die Gesprächsführung erschweren, da die Kontroverse so unter Umständen schnell auf die Beziehungsebene transportiert wird: „Wenn du denkst, Militäreinsätze sind richtig, bist du mein Feind“. Dies ist möglicherweise eine Überbewertung der Bedeutung der eigenen „Wahrheit“ und könnte das Treten in dieselbe Falle bedeuten, in der sich Konflikte mit ihren Erwartungsstrukturen als selbsterfüllende Prophezeiung konstruieren.

Das heißt nicht, dass Zweifel und Fragen nicht formuliert werden sollten – oder dass Emotionen in den Diskursen um die „richtige“ Konfliktbearbeitung nicht auch ihre Berechtigung hätten. Im Gegenteil: Es ist dringend notwendig, Befürchtungen, Sorgen, Kritik, also letztlich andere Perspektiven einzubringen. Diese Überlegungen zu unterschiedlichen Standpunkten zum Thema Krieg und Frieden betreffen in diesem Kontext die vielfältigsten Verstrickungen unserer Gesellschaft (auch) in konflikteskalierendes Handeln, sei es auf der staatlichen Ebene, im Bereich der Wirtschaft oder auch in den Kirchen. Die sozialen Diskurse um Militärseelsorge, Rüstungsindustrie und die Beteiligung der Bundeswehr in Kriegen sind offene und gewaltlose[1] Prozesse, mit der sich unsere Gesellschaft über ihre Werte verständigt. Ob die Bundeswehr „die größte Friedensbewegung Deutschlands“ ist (Peter Struck, März 2004), darüber gibt es unterschiedliche Meinungen, je nachdem, was man unter Frieden versteht. Ebenso stark umstritten ist, ob Jugendoffiziere in Schulen (offensichtlich) über internationale Politik informieren, (indirekt) die deutsche Außenpolitik legitimieren oder (unterschwellig) für den Soldatenberuf werben. Auf der Website wird auch diese Diskussion dokumentiert, um den demokratischen Diskurs darüber zu stärken.

Alternativen sichtbar machen und weiterentwickeln
Junge Menschen müssen heute mit Kompetenzen ausgestattet werden, um die Probleme von morgen zu erkennen und zu bearbeiten. Dieser Hypothese mag gewagt erscheinen, wissen wir doch wenig Genaues über die Zukunft und sind unsere Vermutungen darüber von unseren jetzigen Denkhorizonten geprägt. Was allerdings offensichtlich zu sein scheint, ist, dass die weltgesellschaftliche Komplexität wächst. Damit wächst für viele auch die Versuchung, diese Komplexität zu reduzieren, z.B. mittels Feindbildern oder Verschwörungstheorien.

Diese Vereinfachungen mögen entlasten, aber an der gemeinsamen Zukunft – heute ist das die Weltgesellschaft – kann man damit nicht sinnvoll arbeiten. Globalisierung bedeutet mehr Möglichkeiten der Kommunikation miteinander, mehr Wissen übereinander und mehr Abhängigkeiten voneinander. Wir müssen lernen, dieser gewachsenen Komplexität mit ihren Interessenkonflikten und Meinungsverschiedenheiten konstruktiv zu begegnen. Das geht m.E. nur, wenn in der Bildungsarbeit mit jungen Menschen zu Kreativität, Offenheit, unbedingter Gesprächsbereitschaft und Selbstreflexion angeregt wird. In Ergänzung zu Familie und weiteren sozialen Räumen ist die Schule ein zentraler Ort, für diese Herausforderung, Wissen und Kompetenzen zu fördern.

Anmerkung
1 Im Bewusstsein um unterschiedliche Definitionen und Theorien der Begriffe „Gewalt/Gewaltfrei/Gewaltlos“ gilt es anzumerken, dass sachliche Kommunikation nur im „engen“ Verständnis von Gewalt (= körperliche Gewalt) als gewaltfrei bezeichnet werden kann.

 

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