Konferenz: European Network for Peace and Human Rights

Eine europäische Friedensbewegung?

von Mary Foster
Friedensbewegung international
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Was muss geschehen, um die Friedensbewegung in Europa wiederzubeleben? Die europäischen Staaten folgten den Vereinigten Staaten in ihren "Krieg gegen den Terror" in Afghanistan wie die vom Rattenfänger von Hameln verzauberten Kinder, unter ihnen Deutschlands rot-grüne Koalition, die genauso hypnotisiert scheint wie die anderen Regierungen. Und trotz aller lautstarken europäischen Proteste gegen eine Ausweitung des Krieges gegen die sogenannte "Achse des Bösen" kann es gut sein, dass es diesen Bedenken genauso ergehen wird wie dem europäischen Widerstand gegen die amerikanischen Raketenabwehrpläne: sie werden sich unter dem Druck aus Washington in Luft auflösen. Ohne einer lauten und klaren Stellungnahme seitens der Bevölkerung ist es fraglich, ob sich die europäischen Regierungen den amerikanischen Forderungen entziehen können.

In einem offenem Brief an Europa im Dezember vergangenen Jahres rief der amerikanische Intellektuelle und Gewerkschaftshistoriker Jeremy Brecher die Europäer auf zu helfen, dass eine "machttrunkene Supermacht" nicht "in eine globale kriegerische Auseinandersetzung stolpert". Aber gibt es überhaupt einen begründeten Anlass, auf Europa zu hoffen?

In Brüssel fand Ende Januar (31.01.-01.02.02) eine von der Bertrand Russell Peace Foundation organisierte Konferenz statt, an dem rund 300 FriedensaktivstInnen, überwiegend aus Europa, teilnahmen. Das erklärte Ziel der Konferenz war es, eine koordinierte europäische Graswurzelbewegung zu schaffen, die dem "Krieg gegen den Terror" und in weiterem Sinne der Errichtung einer auf die amerikanische Militärmacht basierende Pax Americana entgegenzuwirken. Die KonferenzteilnehmerInnen gingen von vier sehr allgemein gehaltenen Grundthesen aus: dass vom derzeitigen außenpolitischen Kurs der USA eine Gefahr für den Weltfrieden und der Gerechtigkeit ausgeht; dem Prinzip, dass alle Konfliktlösungen auf einem nachhaltigen Frieden, der Garantie der Menschenrechte und dem Umweltschutz basieren sollen; dass ein globales System, welches auf einer reformierten UNO basiert, dem derzeit von Washington und seinen Alliierten errichteten System vorzuziehen ist; und dass der Widerstand nicht sinnlos ist, sondern eine Quelle der Hoffnung darstellt.
 

Die TeilnehmerInnnen der Konferenz sahen die Gefahr, dass der "Krieg gegen den Terror" dazu benutzt wird, eine neue globale Machtstruktur zu errichten. Es wurden Vergleiche mit der kritischen Zeit zwischen 1945-47 gezogen, als es einer Handvoll von Menschen gelang, die Strukturen des Kalten Krieges dem Rest der Welt aufzuzwingen, mit schicksalhaften Konsequenzen. Es wurde vorgetragen, dass das, was zur Zeit unter dem Mantel der Anti-Terror Koalition errichtet wird, ein neues System ist, in dem die US-Regierung, in der Hand des "militärisch-industriellen Komplexes" und quasi als ein paramilitärischer Flügel der korporativen Macht, Klientelverhältnisse mit den politischen und wirtschaftlichen Eliten anderer Länder aufbaut, und dass diesen Eliten dann ein Freibrief zur gewaltsamen Lösung ihrer lokalen und nationalen Konflikte gegeben wird. Die frappierende Ähnlichkeit der jetzigen Politik der USA in Zentralasien mit den Empfehlungen des Neorealisten Zbigniew Brzezinski in seinem Buch "The Grand Chessboard: American Primacy and Its Geostrategic Imperatives" (auf deutsch unter dem Titel "Die Einzige Supermacht" erschienen) wurde von mehreren SprecherInnen kommentiert. Die Errichtung dieses Systems wird durch einen sozialen Kontext begünstigt, in dem Menschen irregeführt, ängstlich oder hoffnungslos sind; ein Zustand, welcher von den kommerziellen Mainstream-Medien aktiv aufrecht erhalten wird.

Ein Großteil der kurzen anderthalb Tage der Konferenz vergingen damit, Informationen über den Stand der Friedensbewegung in verschiedenen Ländern auszutauschen, zusammen mit einer generellen Diskussion darüber ob und inwiefern Europa ein Gegengewicht zu den USA darstellen könnte. AktivistInnen des britischen Campaign for Nuclear Disarmament (CND) zum Beispiel, waren unter den Optimisten. Sie berichteten, dass es in Großbritannien bereits den Keim einer neuen Bewegung gibt, welche Zehntausende auf die Straße bringen kann. Ihre ideologisch und ethnisch breit gefächerte Bewegung hat sich um die Ablehnung des Imperialismus und des "Krieges gegen den Terror" und einer starken Verteidigung von Menschen- und insbesondere Frauenrechten formiert. Von außerhalb Europa gab es unter anderem einen Beitrag von Joseph Gerson vom American Friends Service Committee, welcher Jeremy Brechers offenen Brief zitierte und bestätigte, dass die amerikanische Friedensbewegung zwar sehr aktiv aber einfach nicht stark genug ist, um mit der erforderlichen Dringlichkeit zu agieren, und hier auch Unterstützung aus Europa braucht. Ein Vertreter der Pakistan Labour Party beschrieb die von ihnen erfahrenen Schwierigkeiten, sich einerseits gegen die Vertreter eines radikalen politischen Islam und andererseits gegen die Unterstützer der amerikanischen Militärkampagne zu behaupten. Berichte von europäischen und amerikanischen Anti-Kriegsdemonstrationen hätten ihnen dabei geholfen, und es hätte zahlreiche Demonstrationen gegen den Krieg gegeben, welche besonders von Frauengruppen organisiert worden sind.

Bei aller Übereinstimmung, dass nur Europa noch eine Chance hat, sich gegenüber den Vereinigten Staaten zu behaupten gab es leider oft die Neigung, das Ausmaß der Vereinnahmung der europäischen Regierungen durch den selben neoliberalistischen Kurs zu unterschätzen, welcher schon in den USA auf dramatische Weise beherrschend geworden ist. Dessen System des Multilateralismus, obgleich er dem militarisiertem Unilateralismus von Bush vorzuziehen ist, hat lange auch europäischen Interessen, insbesondere denen seiner Eliten, gedient und nicht dem globalen Frieden oder der Gerechtigkeit.

Einer der Ziele der Konferenz war es, die Friedensbewegung und die globalisierungskritischen Bewegungen zusammenzubringen. Dies ist größtenteils nicht gelungen, was sich auch in der Altersstruktur, dem Fehlen ethnischer Vielfalt, der Unterrepräsentierung von Frauen, und dem Fehlen von innovativen, prozessorientierten Organisationsformen, welche charakteristisch für die jüngeren, energetischeren Bewegungen sind, widerspiegelte. Wenn das Netzwerk ernsthaft daran interessiert ist, am Aufbau einer effektiven Anti-Kriegsbewegung teilzunehmen, dann ist es dringend notwendig, eine Analyse durchzuführen, warum die Konferenz es nicht schaffte, mehr AktivistInnen aus der dynamischen globalisierungskritischen Bewegung zu erreichen. Die militärischen Strategien sind eng an den Neoliberalismus gebunden und keine der beiden Bewegungen kann effektiv ohne den anderen arbeiten.

Ein Teilnehmer aus den Niederlanden stellte den Sinn der Friedensbewegung als Ganzes in Frage, als er sich fragte, ob die AktivistInnen nicht eher daran interessiert waren, sich wohl zu fühlen als für die Erfüllung ihrer Visionen zu kämpfen. Er unterstrich, dass die Bewegung dringendst ihre Basis ausbreiten muss, um ihrer derzeitigen Marginalisierung zu entgehen. Um dies zu erreichen, bedarf es eines kritischen Überdenkens der inneren Dynamik und der Mechanismen der Friedensbewegung. Unter anderem muss man sich damit auseinandersetzen, ob die Unfähigkeit, überzeugende Antworten auf Fragen wie zum Beispiel zum Umgang mit der Al Qaeda daran liegen könnte, dass die Bewegung es nicht geschafft hat, sich mit der veränderten Wirklichkeit auseinanderzusetzen.

Der CND beschrieb, was jetzt gebraucht wird: eine Bewegung, die neue Formen des Kolonialismus erkennen und sich ihnen entgegenstellen kann. Eine solche Bewegung würde sich auf drei Grundsätze stützen: der Globalisierung des Widerstandes, besonders zwischen dem Westen und dem globalen Süden, wo die Menschen die volle Wucht des Neoliberalismus zu spüren bekommen; der Entwicklung von demokratischen Alternativen zur neoliberalen Globalisierung; und der politischen und ethnischen Vielfältigkeit, die mehr auf einer Konvergenz der Visionen als auf einer dogmatischen Ideologie basiert. Die Friedensbewegung vermag eine solche Vision zu formulieren, die breit genug ausgelegt ist, um sie in die globalisierungskritischen Bewegungen zu bringen.

Diejenigen, die von der Konferenz eine Diskussion über konkrete Schritte zur Strukturierung eines Netzwerkes erwartet hatten, wurden enttäuscht. Stattdessen wurden sehr allgemein gehaltene Resolutionen über die Errichtung eines Netzwerkes in Europa verabschiedet, welches mittels eines Listserv Kontakt halten sollte und sich mit Organisationen im Nahen Osten und Südostasien vernetzen sollte, sowie die Friedensbewegung in den USA unterstützen würde. Die Idee eines internatonalen Aktionstages am 20.4. wurde von mehreren Gruppen unterstützt, um damit einen ersten konkreten Schritt zur europäischen und transatlantischen Koordinierung zu unternehmen.

Übersetzung aus dem englischen: Henri Myrttinen (BICC).

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Mary Foster ist wiss. Mitarbeiterin beim Bonn Center for Conversion (BICC).