Die Militärpräsenz Frankreichs in aller Welt

Frankreichs Militärstützpunkte

von Alain Rouy

Nach den Zahlen des französischen Generalstabs für 2021 setzt Frankreich außerhalb des Mutterlandes 7.150 Soldat*innen in den französischen Überseegebieten ein, 10.740 Soldat*innen im Ausland, sei es auf ständigen Militärstützpunkten oder im Rahmen verschiedener Militäroperationen in mehreren Teilen der Welt, dazu kommen 4.050, die in Seemissionen eingesetzt werden, was insgesamt 21.940 außerhalb des französischen Kernlands eingesetzte Soldat*innen gegenüber 13.000 in Frankreich dienenden Soldat*innen ergibt.
Frankreich behauptet also eine starke militärische Präsenz in aller Welt, die weniger auf der Existenz ständiger Militärstützpunkte im Ausland beruht als auf der Nutzung der französischen Überseegebiete und auf einer vorübergehenden, aber langfristigen Präsenz in Institutionen, die im Rahmen von Militärinterventionen in verschiedenen afrikanischen Ländern errichtet wurden.
In allen Überseegebieten befinden sich Militärstützpunkte, die für die Präsenz Frankreichs in der Welt von großer strategischer Bedeutung sind: in Französisch-Guayana (2.100 Soldat*innen) und auf den Französischen Antillen (1.000 Soldat*innen) für den karibischen und amerikanischen Raum, auf den Inseln Mayotte und La Réunion (1.700 Soldat*innen für den Indischen Ozean, in Neukaledonien (1.450 Soldat*innen) und Französisch-Polynesien (900 Soldat*innen) für den Pazifischen Ozean.
Zusätzlich zu den Stützpunkten in den französischen Überseegebieten verfügt die französische Armee über fünf ständige Stützpunkte: vier in Afrika (in Dschibuti 1.450 Soldat*innen, in der Elfenbeinküste 950, im Senegal und in Gabun je 350) und einen in den Vereinigten Arabischen Emiraten. Zu diesen ständigen Stützpunkten, deren Aufgabe die Unterstützung für Operationen und Interventionen im Ausland sind, kommen die zahlreichen französischen Militärstützpunkte und -einrichtungen in Mali, Mauretanien, Niger, Tschad und Burkina Faso hinzu, um seit Januar 2013 die Kriegsoperationen gegen dschihadistische Kräfte in der Sahelzone durchzuführen, mit derzeit 5.100 französischen Soldat*innen.
Weitere französische Truppen sind im Irak und in Syrien unter der Flagge der internationalen Koalition gegen den Islamischen Staat, in Estland und Litauen unter der Flagge der NATO und im Libanon unter der Flagge der Vereinten Nationen präsent. Schließlich kommt es vor, dass militärische Interventionen im Ausland auch direkt von französischem Boden aus durchgeführt werden, wie dies in Libyen 2011 der Fall war.

Wozu ein solches militärisches Aufgebot Frankreichs im Ausland?
Die französische Regierung argumentiert folgendermaßen: Für Frankreich als ehemalige Kolonialmacht ist Afrika Teil seiner historisch gerechtfertigten Einflusssphäre; Frankreich ist eine Großmacht mit einem ständigen Sitz im UN-Sicherheitsrat; Frankreich ist eine der fünf Atommächte: All diese Elemente dienen dazu, die angebliche Notwendigkeit zu begründen, überall auf der Welt präsent zu sein und intervenieren zu können.
So spielt Frankreich seine Rolle als imperialistische Macht, meist in Partnerschaft mit den USA, von denen die französische Armee manchmal logistisch abhängig ist. Die Logik der ausländischen Interventionen ist die Verteidigung der wirtschaftlichen und geostrategischen Interessen der westlichen Mächte, mit einer besonderen Rolle in Afrika, wo Frankreich die Stütze des Neokolonialismus ist.
Frankreich ist mit mehreren afrikanischen Staaten durch Abkommen über militärische oder verteidigungspolitische Zusammenarbeit verbunden, die eine rechtliche Rechtfertigung für die militärische Einmischung Frankreichs in afrikanische Staaten liefern. Ziel war es, die wirtschaftlichen Interessen des ehemaligen Mutterlandes (Öl, Uran, Holz usw.) zu wahren, ihm die Aufrechterhaltung seiner Stellung als Weltmacht zu ermöglichen und gleichzeitig die afrikanischen Länder in der westlichen Einflusssphäre zu halten. Frankreich organisiert militärische Interventionen, selbst in innerstaatlichen Konflikten und wenn seine Interessen auf dem Spiel stehen, und französische Offiziere betreuen und rüsten Armeen und Präsidentengarden aus, die korrupten Diktatoren dienen, die den französischen Interessen treu ergeben sind. 
Frankreich benutzt heute die von den amerikanischen Neokonservativen entlehnte Rhetorik des „Kriegs gegen den Terrorismus", um seine Militärpräsenz zu rechtfertigen. Neun Jahre nach Beginn der in Mali eingeleiteten Militäroperationen können wir feststellen, dass heute weder die Territorial- noch die Sicherheitsfrage im Norden Malis gelöst sind, und selbst die Militärs stimmen zu, dass es keine militärische Lösung für Probleme gibt, die weitgehend auf die neokoloniale Politik der Großmächte zurückzuführen sind. 
Frankreich hat auch eine Verantwortung hinsichtlich der Umweltauswirkungen seiner militärischen Aktivitäten im Ausland. Die wichtigste Frage bleibt die der 17 französischen Atomtests in Algerien zwischen 1960 und 1967, von denen neun Tests nach der Unabhängigkeit Algeriens 1962 durchgeführt wurden. Die Umweltverschmutzung durch diese Tests betrifft auch die Bewohner*innen der Pazifikinseln von Französisch-Polynesien. Der Vertrag über das Verbot von Atomwaffen, den Algerien bald ratifizieren wird, gibt den Opfern neue rechtliche Mittel an die Hand, um Wiedergutmachung zu fordern. Doch über die militärische Atomkraft hinaus bleibt noch viel zu tun, um all die anderen Verschmutzungen zu identifizieren, die durch Militärbasen und bewaffnete Interventionen im Ausland verursacht werden.
In Frankreich wehren sich die Kräfte des Friedens und Fortschritts gegen die Militarisierung der internationalen Beziehungen und setzen sich für eine radikal andere Ausrichtung der französischen Weltpolitik ein. Sie fordern in erster Linie, dass Frankreich aufhört, sich in Afrika als imperialistische Macht aufzuführen. Das bedeutet konkret, dass die Stützpunkte geschlossen und die französische Armee abgezogen werden und dass jegliche militärische Interventionen – in den ehemaligen Kolonien und anderswo - unterbleiben.
Die Friedensbewegung fordert außerdem die Schließung des Stützpunkts in den Vereinigten Arabischen Emiraten, die Einstellung von Waffenverkäufen und der militärischen Zusammenarbeit mit repressiven Regimen wie denen in Saudi-Arabien oder der Türkei.
Ganz allgemein ist es an der Zeit, in Frankreich eine demokratische Anomalie zu beenden, die den Staatschef zum Oberbefehlshaber der Streitkräfte und zum Verantwortlichen für militärische Operationen macht, die von Frankreich unter seiner alleinigen Verantwortung eingeleitet werden, wobei die Zustimmung des Parlaments erst nach sechs Monaten erfolgen braucht. Die Macht der Exekutive muss beschnitten und eine wirksame parlamentarische Kontrolle über die Militärpolitik der Regierung und über militärische Interventionen im Ausland eingeführt werden. Ebenso sollte in Frankreich nach dem Vorbild anderer demokratischer Länder eine echte parlamentarische Kontrolle über die im Ausland sehr aktiven Geheimdienste eingeführt werden.
 

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Alain Rouy ist Nationaler Sekretär des Mouvement de la Paix in Frankreich, Exekutivsekretär der Internationalen Vereinigung der FriedenspädagogInnen und IAEP-Delegierter bei der UNESCO und Ko-Vorsitzender der französischen Sektion von Teachers for Peace.