Bericht vom Friedensratschlag in Kassel

Friedensratschlag: So gut besucht wie noch nie

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Der 31. Friedensratschlag im Philip-Scheidemann-Haus in Kassel war mit über 450 Teilnehmer*innen am 30.11 und 1.12.24 der am besten jemals besuchte. Die Stimmung war sehr gut.

Vom Ratschlag ging ein klares Signal aus: Unterschriften sammeln unter den Berliner Appell ist zentrale gemeinsame Aktion der Friedensbewegung, um die Stationierung der US-Mittelstreckenwaffen 2026 in Deutschland zu verhindern.

Das weite Spektrum inhaltlicher Beiträge wiederzugeben – es gab sechs Plenarvorträge und 16 Workshops – würde den Rahmen dieses Berichts sprengen. (1) Deshalb hier die Beschränkung auf wenige markante Beispiele aus Referaten im Plenum.

Der Politikwissenschaftler Dr. Erhard Crome leitete sein Referat mit einem aktuellen Zitat des Chefs des Bundesnachrichtendienstes Bruno Kahl ein: „Wenn bei uns jetzt die große Friedenssehnsucht ausbricht, dann hat Putin gewonnen.“ Crome kommentierte das so: „Also im Grunde müsste der Verfassungsschutz den Mann wegen rechtsextremer Umtriebe überprüfen, weil im Grundgesetz steht, dass diese Bundesrepublik Deutschland dem Frieden verpflichtet ist und nicht der Kriegsführung.“

Der Abgeordnete im EU-Parlament, Michael von der Schulenburg, früherer Assistant Secretary des UN-Generalsekretärs und Jahrzehnte lang in zahlreichen Kriegsgebieten unterwegs, brach eine Lanze für die UN-Charta als „seltenen Glücksmoment der Geschichte“. Sie beruhe auf dem Prinzip der gewaltfreien Lösung von Konflikten. „Wir haben uns verpflichtet, solange zu verhandeln, bis wir eine Lösung haben,“ sagte er. Bis April 2022 hätten sich Russland und die Ukraine auf das Grundgerüst eines Friedensvertrages geeinigt. Das sei dann nach einem Sondermeeting der NATO von dieser boykottiert worden. Schulenburg sagte: „Wir haben da auch gegen das Völkerrecht verstoßen und ich würde sogar sagen, seit dem April 2022, dass der gesamte Krieg eindeutig unsere Schuld ist, denn wir hätten den Krieg im April 2022 beenden können.“

Der Vorsitzende der Jüdischen Stimme für einen gerechten Frieden in Nahost, Wieland Hoban, betonte mehrfach, dass man Israels Kriegführung als Völkermord bezeichnen muss. Er prangerte die leichtfertige Übernahme israelischer Propaganda durch deutsche Berichterstattung an: Das sei vor allem beim Begriff der menschlichen Schutzschilde der Fall, weil nämlich damit in der Praxis jede Art von Tötung gerechtfertigt werden könne, egal wie wahllos, maßlos oder sadistisch diese erfolge. Man stelle sich dazu einfach mal vor, hierzulande würde ein Terrorverdächtiger sich in einem Wohngebäude aufhalten, das deswegen von der Polizei gesprengt würde. Genau das Prinzip gelte aber in potenziertem Maßstab für Palästina.

Der Jurist und Publizist Dr. Rolf Gössner prangerte die Rekrutierung Minderjähriger für die Bundeswehr an, die mit zunehmender Tendenz stattfinde. Allein 2023 waren es knapp 2000. Ein Rekordwert. „Und in Bayern sind fast 14 % der Rekrutierten derartige Kindersoldaten. Und dies, obwohl der UN Kinderrechts-Ausschuss ein Rekrutierungsalter von über 18 Jahren, also Volljährigkeit, fordert, um die Rekrutierung von Kindersoldaten auszuschließen.“

Der Physiker Prof. Dr. Jürgen Scheffran, einer der Erstunterzeichner des Berliner Appells, referierte zur Stationierung der US-Mittelstreckenwaffen in Deutschland und zitierte eine aktuelle Studie von Dan Plesch und Manuel Galileo: Demnach seien die USA in der Lage, „alle nuklearen Abschussanlagen Russlands und Chinas mit konventionellen Waffen zu bedrohen und zu zerstören, was zu einer potenziell instabilen geopolitischen Lage, einem Wettrüsten und dem Risiko einer Fehlkalkulation in einer großen Krise führen kann“. (2) Dies könnte im schlimmsten Fall zu einem Atomkrieg führen, wenn China und Russland in einer Krise Atomwaffen einsetzen, um den USA zuvorzukommen. Umgekehrt könnte dies die USA verleiten, noch früher den Startknopf zu drücken. Die in Deutschland zu stationierenden US-Waffen seien Teil dieser US-Strategie. Scheffran bezeichnet die neuen US-Waffen als erstschlagfähig.

Dr. Hans-Jürgen Urban, geschäftsführendes Vorstandsmitglied der IG Metall, auch Erstunterzeichner des Berliner Appells, zitierte aus der neuen Greenpeace-Studie „Wann ist genug genug?“ vom November 2024, wonach eine Analyse der militärischen Kapazitäten der Nato und Russlands keine Zweifel an der allgemeinen militärischen Überlegenheit der Nato lasse. Urban leitete daraus die Forderung an die „kapitalistischen Demokratien“ ab, Abrüstungsinitiativen zu ergreifen und „die Militarisierung der westlichen Gesellschaften“ zu bekämpfen.

Sevim Dagdelen, MdB BSW, machte deutlich, dass die USA in Syrien den islamistischen Angriff unterstütze und zitierte als Beleg aus einem Leak an Julian Assange aus dem Jahr 2012. In einer E-Mail des heutigen Vorsitzenden des Nationalen Sicherheitsrats der USA, Jake Sullivan, damals war er politischer Berater der Außenministerin Hillary Clinton, an seine Chefin stand: „Al-Kaida sind in Syrien auf unserer Seite.“

Anmerkungen
1 Bisher neun Videos und Kurzberichte sowie die Abschlusserklärung unter https://friedensratschlag.de/
2 Dan Plesch, Manuel Galileo, The Guardian, 5.9.24, https://www.pressreader.com/australia/the-guardian-australia/20240906/28...

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