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“Gott mehr gehorchen als den Menschen“
vonAsyl von unten: Gründung des "Ökumenischen Netzwerks Kirchenasyl in Nordrhein-Westfalen"/ Flüchtlinge nicht verstecken, sondern die breite Öffentlichkeit suchen.
150 Christinnen haben am Wochenende in Köln das "Ökumenische Netzwerk Kirchenasyl in Nordrhein-Westfalen" aus der Taufe gehoben. Das Netzwerk will "Gemeinden und verfaßte religiöse Gruppen", die Kirchenasyl gewähren, miteinander verbinden. Die Zusammenarbeit mit nichtkirchlichen Flüchtlingsinitiativen wird dabei aber als "notwendig" erachtet.
"Die Gewährung von Kirchenasyl ist eine begrenzte, aber für uns notwendige Antwort von Christen auf die Quasi-Abschaffung des Asylrechts durch die Bonner Koalition und die SPD", sagten die Initiatoren des Treffens von Kirchenasylinitiativen in Nordrhein-Westfalen.
Auf illegale Flüchtlinge und abgelehnte Asylbewerber, kämen größere Abschiebewellen zu, wie die Praxis des am 26. Mai vom Bundestag verabschiedeten Asylverfahrensgesetzes zeige.
Kirchenasyl hat eine lange Tradition, im römischen Staat und das ganze Mittelalter hindurch war es eine anerkannte Institution. In der Bundesrepublik gibt es kein verbrieftes Recht auf Asyl in Gotteshäusern. Formalrechtlich können abgewiesene Asylbewerber aus Kirchen herausgeholt werden. Trotzdem hat Kirchenasyl, meinen Befürworter, einen Sinn: "Wir bauen auf die Scheu der Behörden, in kirchliche Räume einzudringen", erklärte Tagungsleiter Wolf-Dieter Just von der Evangelischen Akademie Mülheim/Ruhr. Kirchenasyl könne zumindest einen für Asylbewerber manchmal sehr wichtigen zeitlichen Aufschub erreichen.
Daß die Scheu vor dem "heiligen Raum Kirche" überwindbar ist, bewiesen eben erst die Ausländerbehörden in Wuppertal, Münster und Hiltrup, indem sie das dort in evangelischen Kirchengemeinden gewährte Kirchenasyl gewaltsam beendeten. "Im Grenzfall", nach Ausschöpfung aller rechtlichen Möglichkeiten, sei ziviler Ungehorsam legitim, sagte Just und verwies auf das Paulus Wort:
"Man muß Gott mehr gehorchen als den Menschen". Er warnte aber davor, Kirchenasyl als "ultima ratio" zu betrachten und es "inflationär" einzusetzen. Gegenwärtig gewähren noch zwei Gemeinden in Nordrhein-Westfalen Kirchenasyl.
Im Gegensatz zu der schweizerischen "Aktion für abgewiesene Asylbewerber" (AAA), die geheime Zufluchtsstätten vermittelt, setzt das "Ökumenische Netzwerk" auf Öffentlichkeit. Das Verstecken von Menschen biete langfristig keine Perspektive und sei zudem für die Betroffenen psychisch zu belastend. Kirchenasyl solle ein öffentliches Bewußtsein für die Not von Flüchtlingen und Asylbewerbern erzeugen und so Druck auf Politiker und Behörden ausüben.
Gemeinsame Charta
Grundlage für das NRW-Netzwerk ist die "Charta von Groningen", die 1987 auf einer internationalen Konferenz in der niederländischen Stadt getroffene Verpflichtung örtlicher Kirchen, Gemeinden und Basisgruppen, die sich bereiterklärt haben, abgewiesenen Asylbewerbern Schutz und Hilfe zu gewähren. Ein Jahr später entstand in Groningen auf der Basis der Charta das "Internatinale Netzwerk Lokaler Initiativen für Asylsuchende" (INLIA). Die kirchliche Stiftung dient seither als Koordinationsstelle für das Netzwerk der Charta von Gröningen. Am "Ökumenischen Netzwerk" in Nordrhein-Westfalen beteiligt sich außer den zahlenmäßig überwiegenden evangelische Gemeinden die katholische Basisbewegung "Pax Christi". Über die Beteiligung nichtkirchlicher Flüchtlings- und Asylinitiativen gab es im Verlauf der Kölner Tagung heftige Kontroversen. Ein Arbeitsausschuß des "Ökumenischen Netzwerks", der die Kontakte zu den Gemeinden aufnimmt, soll über die Form der Beteiligung dieser Gruppen entscheiden.
Eine bundesweite Vernetzung von Kirchenasyl-Initiativen ist für den 10. bis 12. Februar nächsten Jahres in Mülheim/Ruhr geplant.
aus: taz, 20.9.93