8. Mai 2015

Handeln für eine Welt ohne Faschismus und Krieg

von Reiner BraunLucas Wirl

8. Mai 1945: die faschistische Bestie  war besiegt, der 2. Weltkrieg in Europa beendet. (Japan standen noch die mörderischen Atomwaffenangriffe auf Hiroshima und Nagasaki bevor).

Die Menschen konnten aufatmen, das tägliche Morden und Sterben war vorbei. Mehr als 50-55 Millionen (Historiker sprechen auch von bis zu 80 Millionen) Tote waren zu betrauern, die Sowjetunion hatte mit ca. 27 Millionen Toten das größte Opfer für die Befreiung Europas gebracht. Ihre Armee hat (sicher auch mit Waffenlieferungen der Westalliierten) dem faschistischen Deutschland und seiner siegesgewohnten Armee das Rückgrat gebrochen. Die Gestaltung einer Nachkriegswelt konnte beginnen: Im Herbst 1945 wurde die UN gegründet, das Potsdamer Abkommen zeichnete die Konturen eines neuen Europas.

Millionen Flüchtlinge kehrten in ihre völlig zerstörten Länder heim, die geschundenen Überlebenden der Konzentrationslager versuchten ein neues Leben zu finden.

Nie wieder Krieg – nie wieder Faschismus“ war die Überzeugung von Millionen und der Schwur von Buchenwald. „Die Vernichtung des Nazismus mit seinen Wurzeln ist unsere Losung, der Aufbau einer neuen Gesellschaft des Friedens und der Freiheit ist unser Ziel“ wurde die Gestaltungsphilosophie, das Leitmotiv für Millionen Menschen, die aus den politischen, materiellen und geistigen Trümmern Europas eine gerechtere Zukunft aufbauen wollten.

Diese Deklarationen der AntifaschistInnen und FreiheitskämpferInnen wurden bis heute weder in ihrer friedenspolitischen noch in ihrer gesellschaftspolitischen Dimension in der Bundesrepublik Deutschland erfüllt. In der DDR wurde es versucht, wie erfolgreich, darüber werden wir weiter streiten.

Sie bleiben die Herausforderung, auch 70 Jahre nach dem Ende des barbarischten Krieges der Menschheit.

Seit 1945 wurde der Tag der Befreiung  vom Faschismus von denen, die mit allen Kräften die Lehren aus ihm vergessen machen wollten, manipuliert und umgedeutet: „die Stunde Null“ (in Westdeutschland sowieso nicht, waren doch Bürokratie und auch Teile der Politik und die Wirtschaft wieder in den Händen derer, die den Faschismus aktiv gefördert hatten), „die Kapitulation“ (wer hat denn kapituliert?), „die Niederlage“ (von wem wohl?).

70 Jahre danach bleibt als Herausforderung, die Wahrheit über das Ende des Krieges immer und immer wieder zu verbreiten. (Bertolt Brecht sprach davon, ‚das tausendmal Gesagte immer wieder zu sagen‘:

1. Es war der Tag der Befreiung Deutschlands vom brutalsten, menschenverachtendsten faschistischen Regime, das mit einem systematischen, industriell organisierten Völkermord Juden, Roma, Behinderte und politische GegnerInnen zu vernichten versuchte, Europa versklavte und die eigene Bevölkerung terrorisierte. Die Befreiung musste angesichts der Schwäche der antifaschistischen Kräfte von außen kommen. Die historische Wahrheit negierenden Töne in der offiziellen Politik und der neue Rechtsradikalismus verdeutlichen die Größe der Aufgabe, vor der wir uns heute sehen.

2. Es war die Sowjetunion, die die Wende im 2. Weltkrieg herbeiführte. Angesichts der neuen Konfrontationspolitik der NATO und auch der Bundesregierung bleibt es die Aufgabe der Friedensbewegung, für eine Politik der Entspannung, der Zusammenarbeit, der gemeinsamen Sicherheit mit dem heutigen Russland zu werben und sich für eine Europapolitik zu engagieren, die alle Länder einbezieht, statt eine Spaltung des Kontinents zu fördern. Grundlage dafür kann nur die Politik der gemeinsamen Sicherheit sein.

3. Nie wieder Krieg – 17 Interventionskriege unter Beteiligung Deutschlands, seine besonders aktive Rolle u.a. bei den völkerrechtswidrigen Kriegen, Militarisierung nach Innen und in Europa, Modernisierung der eigenen Armee sowie die Unterstützung einer aggressiven NATO-Strategie sprechen eine eindeutige Sprache. Die Friedensbewegung muss die Wende hin zum Frieden noch erstreiten und Abrüstung auf die politische Agenda setzen.

4. Die Vergesellschaftung der Großindustrie, die Entmilitarisierung der Wirtschaft stehen weiterhin auf der Tagesordnung. Heute sicher verbunden mit einer starken Ausrichtung von Produktion, Distribution und Konsumtion entsprechend den Anforderungen eines nachhaltigen Wirtschaftens, das die „planetary boundaries“ berücksichtigt.

Herausforderungen, die geradezu nach vielen Aktionen und Aktivitäten zum 8. Mai 2015 rufen.

Der 8. Mai 2015
Die traditionellen Aktionen z.B. am Treptower Ehrenmal in Berlin sollten von Seiten der Friedensbewegung stärker unterstützt werden.

Viele Friedens- und antifaschistische Initiativen planen Aktionen vor Ort, die VVN – BdA hat Aktionsvorschläge entwickelt (www.vvn-bda.de), ein Bündnis aus Gewerkschaften und AntifaschistInnen bereitet einen Besuch einer großen Zahl von Jugendlichen aus Europa in Ausschwitz vor.

In dem Aufruf von mehr als 3.500 Menschen und ca. 70 Organisationen zum Friedenswinter 2014/2015 wird für den 09.05.2015 zu einer bundesweiten Demonstration nach Berlin aufgerufen. Vom 07. – 10. Mai 2015 richten die Überlebende der KZ Auschwitz und Ravensbrück, Esther Bejerano, Zeitzeugen und Jugendverbände mit zivilgesellschaftlichen Organisationen gemeinsame Gedenk- und Friedensveranstaltungen in Berlin aus (www.friedensfestival.org).

Die Notwendigkeit, die Aktionen gegen Pegida und seine Ableger zu intensivieren, erfordern möglicherweise neue oder weitere Überlegungen, wie der 08.05.2015 zu einem Höhepunkt von Aktionen gegen den Krieg und für Frieden, gegen die wachsenden rechtsradikalen Gefahren entwickelt werden kann. Solidarische Diskussionen über die sinnvolle und gemeinsame Aktionen sollten intensiver zwischen allen sozialen Kräften, die den Schwur von Buchenwald nach 70 Jahren erfüllen wollen, stattfinden.

Es bleibt die Frage: wann wird der 8. Mai in Deutschland endlich zu einem offiziellen Erinnerungs- und Mahntag?

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Reiner Braun war Geschäftsführer der IALANA Deutschland und ist ehem. Co-Präsident des Internationalen Friedensbüros (IPB).