Bewaffnete Drohnen

Ist die deutsche Drohnen-Debatte abgeschlossen?

von Elsa Rassbach
Keine Bewaffnung der Bundeswehrdrohnen!
Keine Bewaffnung der Bundeswehrdrohnen!

Der bemerkenswerte Widerstand der Deutschen und Teilen ihrer politischen Vertretung gegen bewaffnete Drohnen, wozu die Friedensbewegung vieles beigetragen hat (1), ist einmalig unter den NATO- und EU-Mitgliedstaaten. Er wurde zu einem Hoffnungszeichen für jene, die über die rasche Verbreitung (2) von bewaffneten Drohnen besorgt sind.

Schon ab 2009 stellten die Bundestagsfraktionen DIE LINKE und Bündnis 90/Die Grünen Dutzende Kleine Anfragen zu Drohnen und zu Drohnentötungen durch die USA. 2012 verkündete das CDU/CSU Verteidigungsministerium den Wünsch, Kampfdrohnen für die Bundeswehr anzuschaffen. Die SPD stellte hierzu eine Große Anfragemit der Forderung: „Es ist notwendig, das Thema Kampfdrohnen unter den verschiedenen außen- und sicherheitspolitischen sowie rechtlichen und ethischen Aspekten intensiv zu beraten.“(3) Die SPD kritisierte hiermit implizit die Drohnen-Einsätze der US-Regierung, wie es der UNO-Sonderberichterstatter für außergerichtliche Exekutionen, Prof. Philip Alston, schon ab 2009 getan hatte.(4) Trotz parteiinterner Differenzen hielte die SPD bis zum November 2021 an der Forderung fest. 

Doch bald nach dem spektakulären Debakel des US/NATO-Drohnenkriegs in Afghanistan, z. B. in Kabul im August 2021 (5), versprach die Ampelregierung im Koalitionsvertrag, die Anschaffung der umstrittenen Waffe unter Berücksichtigung von ethischen und sicherheitspolitischen Aspekten" zu „ermöglichen“.  (6)

Die Ampelregierung zog keine Konsequenzen, so ihre Antwort auf eine Kleine Anfrage der Linken Bundestagsfraktion vom Februar 2022, aus den neuen Enthüllungen der durch einen Pulitzer-Preis ausgezeichneten investigativen Berichterstattung von The New York Times im Dezember 2021 und Januar 2022, auf der Basis von Pentagon-Dokumenten, zu dem bisher weitgehend unbekannten Ausmaß der Tötungen von Zivilist*innen durch US-Kampfdrohnen bei den bewaffneten Konflikten in Afghanistan, Syrien und im Irak. (7)

Nach dem völkerrechtswidrigen Angriff von Russland auf die Ukraine Ende Februar 2022 erhöhte sich der Druck auf die deutsche Regierung von Seiten ihrer NATO-Verbündeten, und nun wurde eine Entscheidung schnellstens getroffen. Am 6. April 2022 fand eine kurzfristig (erst am Tag davor) angekündigte Abstimmung im Verteidigungs- und Haushaltsauschuss zur Bewaffnung der fünf geleasten Heron TP-Drohnen der staatlichen israelischen Rüstungsfirma IAI statt, die schon 2018 über die deutsche Rüstungsfirma Airbus für Aufklärungszwecke geleast worden waren.

Die Beschlüsse erlauben die Beschaffung von 140 Raketen für die Heron TP, davon 60 für die Ausbildung. (8) Um welche Waffensysteme es sich handelt, stand bereits 2018 fest, das Verteidigungsministerium hält dies jedoch streng geheim. (9) Nur die Bundestagsfraktion DIE LINKE hat gegen die Anschaffung gestimmt. 

 

Proteste

Friedensorganisationen protestierten gegen die Bewaffnung der Heron TP Drohnen durch Erklärungen und eine kurzfristig organisierte Mahnwache vor dem Bundestag am 06. April(10), auch weil hiermit einen Präzedenzfall für die Bewaffnung weiterer Bundeswehr-Drohnen geschaffen worden ist. Dabei geht es vor allem um die Eurodrohne, ein Projekt von Deutschland, Frankreich, Italien und Spanien, deren Entwicklung durch Airbus als bewaffnungsfähige Aufklärungsdrohne schon im April 2021 durch den Verteidigungs- und Haushaltsauschuss genehmigt wurde. (11)

Mit der Bewaffnung der Heron TP hatte die Ampel-Koalition auch starke Einwände innerhalb der SPD und der Grünen ignoriert. Trotz der Vereinbarung im Koalitionsvertrag vom November 2021 entfaltete sich beim Bundesparteitag der SPD am 11. Dezember zu dem Antrag des SPD-Unterbezirks Regensburg, Keine bewaffneten Drohnen für die Bundeswehr!“, eine rege Diskussion. (12)

Am Ende wurde über den Antrag nicht abgestimmt, nachdem der SPD-Vorsitzende Lars Klingbeil eine weitere Diskussion über ethische Fragen von Kampfdrohnen-Einsätzen innerhalb der Partei öffentlich versprochen hatte, die jedoch nicht stattgefunden hat. (13) 

Parallel hatten Grüne Basisgruppen einen Antrag bei der Bundesdelegierten Konferenz (BDK) von Bündnis 90/Die Grünen am 27. Januar 2022 gestellt. Der Antrag forderte die Regierungsmitglieder und den Parteivorstand von Bündnis 90/Die Grünen auf, „in dieser Legislaturperiode keine bewaffneten Drohnen anzuschaffen und keine vorhandenen Drohnen zu bewaffnen" und stattdessen „eine breite partei-interne Debatte um die Folgen des Einsatzes bewaffneter Drohnen...unter Einbezug von Akteur*innen der Friedensbewegung" anzustoßen. (14)

In Zusammenarbeit mit den Grünen und Linken hatte die Drohnen-Kampagne die Unterstützung von Attac Deutschland sowie von der Kooperation für den Frieden und ihrer Organisationen gewonnen, um die Gründe für die Ablehnung von bewaffneten Drohnen unter den Grünen zu bekräftigen. Am 27. Januar veranstalteten die Drohnen-Kampagne, Attac und die Berliner Friedenskoordination eine Kundgebung vor der Geschäftsführung von Bündnis 90/Die Grünen in Berlin, bei der auch Mitglieder der SPD und Grünen gesprochen haben. (15) 40% der Grünen Delegierten zur BDK stimmten für den Antrag gegen bewaffnete Drohnen. Er erhielt damit mehr Stimmen als andere Anträge zu Friedensfragen. (16)

 

Die Drohnen-Debatte ist doch noch nicht vorbei

Die weiter bestehende Kritik in der SPD und bei den Grünen wurde am 6. April im Haushaltsauschuss noch einigermaßen berücksichtigt, und zwar durch einen Maßgabebeschluss mit strengen Bedingungen zur Finanzierung für die Waffen. (17) Danach muss u. a. die folgende Bedingung noch erfüllt werden, bevor die bewaffnete Heron TP eingesetzt werden könnten: „Die verbindlichen Einsatzgrundsätze für bewaffnete Drohnen müssen durch die Bundesregierung erstellt und vom Verteidigungsausschuss und dem Auswärtigen Ausschuss beschlossen werden. Leitgedanke ist hierbei der Schutz der Soldatinnen und Soldaten. Genauso ist bei Veränderungen der verbindlichen Einsatzgrundsätze zu verfahren. Der operationelle Einsatz des bewaffneten Systems der German Heron TP außerhalb der Ausbildung darf erst nach Beschluss der Einsatzgrundsätze durch den Verteidigungsausschuss und den Auswärtigen Ausschuss erfolgen." 

Die Waffen für die Heron TP werden voraussichtlich frühestens 2024 geliefert. Ein Bundestagsmandat für jeden Einsatz der bewaffneten Drohnen muss explizit gemäß Parlamentsbeteiligungsgesetz beschlossen werden. Hierdurch bietet sich die Möglichkeit, die Drohnen-Debatte noch offen zu halten. Wir müssen u. a. auf eine Antwort insistieren, wie die Verbindlichkeit der jetzt beschlossenen Einsatzgrundsätze bis in die Zukunft über mehrere Legislaturperioden hinweg hergestellt werden soll. Durch einen Regierungsbeschluss? Durch eine Verankerung im Grundgesetz?

In Zusammenarbeit mit Verbündeten in anderen Ländern, die seit langem die Drohnenkriegen ihrer Regierungen bekämpfen, fordern wir die Bundesregierung dazu auf, die siebte und letzte Bedingung des Maßgabenbeschluss zu erfüllen: „Gleichzeitig verstärkt die Bundesregierung ihren Einsatz, um bewaffnete Drohnen in internationale Kontrollregime einzubeziehen und unterstützt die internationalen Bemühungen zur verbindlichen Regulierung von Autonomie in Waffensystemen und zur Ächtung von Anwendungen, die gegen ethische und völkerrechtliche Grundsätze verstoßen." (18)

 

Anmerkungen

1 https://www.friedenkoeln.de/?p=15661

2 Wissenschaftliche Dienste Bundestag: Sachstand Der Einsatz von bewaffneten Drohnen weltweit 2020: https://www.bundestag.de/resource/blob/814842/3bd8996607eb21fd3eed2408cd...

3 Große Anfrage der Fraktion der SPD, Drucksache 17/11102 vom 17.10.2012: 

http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/17/111/1711102.pdf

4 https://www.humanrights.ch/de/ipf/archiv/international/nachrichten/uno-s... und https://www.reuters.com/article/politicsNews/idUSTRE59Q51220091027

5 https://www.imi-online.de/2021/12/15/die-wunderwaffe-des-afghanistan-kri...

6 https://www.sueddeutsche.de/politik/bundeswehr-drohnen-ampel-1.5461984

7 https://dserver.bundestag.de/btd/20/007/2000797.pdf

 und https://dserver.bundestag.de/btd/20/012/2001260.pdf  und https://dserver.bundestag.de/btd/20/015/2001577.pdf 

8 https://www.golem.de/news/heron-tp-in-israel-bundesregierung-bewaffnet-i...

9 Ebd,

10 https://www.attac-netzwerk.de/ag-globalisierung-und-krieg/veranstaltunge... und

https://www.ippnw.de/startseite/artikel/de/drohnenbewaffnung-heizt-weltw...

11 https://augengeradeaus.net/2021/04/bundestag-billigt-eurodrohne-fuer-deu... und Beschlussempfehlung und Bericht des Verteidigungsausschusses:

https://dserver.bundestag.de/btd/19/285/1928533.pdf

12 http://sozialdemokraten-gegen-kampfdrohnen.de/wp-content/uploads/2021/12... 

13 https://www.sueddeutsche.de/politik/spd-parteitag-drohnen-ampel-klingbei... und

https://www.heise.de/tp/features/SPD-geeint-wie-seit-vielen-Jahren-nicht... und

https://drohnen-kampagne.org/images/docs/Drohnen_SPD_BPT_11.12.21_Transk...

14 https://antraege.gruene.de/47bdk/aufruestungsspirale_beenden_entschieden...

15 https://www.youtube.com/watch?v=7tjzldh_f9g

16 Laut Rückmeldung von Karl-W. Koch, Unabhängige Grüne Linke, und Delegierter am 27.01.2022

17 https://augengeradeaus.net/2022/04/parlamentarier-billigen-drohnen-bewaffnung-fuer-die-bundeswehr-unter-strengen-auflagen/ und https://drohnen-kampagne.org/images/docs/HHA_Drohnen_Maßgabenbeschluss_20-0176_MB_Koa_Heron_TP.pdf

18 Ebd.

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Hintergrund
Elsa Rassbach ist deutsch-amerikanische US-Bürgerin, Journalistin und preisgekrönte Produzentin/Filmemacherin, die seit dem Vietnamkrieg als Friedensaktivistin in den USA und in Deutschland tätig ist, derzeit als Sprecherin zu Drohnen bei DFG-VK, Attac und dem Netzwerk Drohnen-Kampagne, die sie 2013 mitbegründet hat.