„Wehrhaft ohne Waffen“ wird ein Jahr alt!

Kampagne zur Sozialen Verteidigung

von Nele Anslinger
Initiativen
Initiativen

Ein Jahr ist seit der Gründung der Kampagne „Wehrhaft ohne Waffen“ vergangen – Grund genug, einen Rückblick vorzunehmen und einen Blick in die Zukunft zu wagen.

Im Heft 2/2023 haben wir die Kampagne „Wehrhaft ohne Waffen“ (WoW) erstmals mit dem Ziel vorgestellt, Soziale Verteidigung wieder ins Bewusstsein zu holen. Kern der Kampagne ist dabei ihre Doppelstruktur: In drei Modellregionen bauen wir lokale Netzwerke für Soziale Verteidigung auf und führen die regionalen Praxiserfahrungen in einer bundesweiten Kampagne zusammen. Dadurch wollen wir einen praktisch fundierten deutschlandweiten Dialog darüber anstoßen, wie wir uns (in Zukunft) eigentlich verteidigen wollen.

Nach einem guten Jahr Arbeit kann als Resumee gezogen werden: Wir handeln in herausfordernden Zeiten – aber haben schon viele Hürden gemeistert!

Nach wie vor herrscht Krieg in der Ukraine, und der gesellschaftliche Konsens scheint sich in der Formel „Frieden durch Abschreckung“ zu kondensieren. Für WoW hat dieses Klima zur Folge, dass wir uns mit unserem Anliegen wie auf Eisschollen bewegen. Vor dem Hintergrund des Ukrainekriegs wird Gewaltfreiheit mehr denn je mit Passivität und Schutzlosigkeit assoziiert. Wie also schaffen wir es dennoch, die Kampagne in ihrem Anliegen weiterzutragen und wachsen zu lassen?

Eine Schlüsselrolle spielt hierbei die großartige Arbeit in den Modellregionen. Soziale Verteidigung baut auf die Zivilgesellschaft – und die Zivilgesellschaft muss das Konzept mit Leben füllen. Was ist hier also bisher geschehen?

REFOrmations-Campus: Modellregion Berlin-Moabit
In der REFO in Berlin-Moabit, einer Reformations-Kirchengemeinschaft, wird der Ansatz der Sozialen Verteidigung eng mit dem Thema Resilienz verknüpft. Die Modellregion beschäftigt sich mit Fragen rund um Konfliktfähigkeit, sowie resiliente Zivilgesellschaft und Infrastruktur. In ihrer Sommerreihe hat sich die Modellregion mit Fragen zu Friedenslogik, Konfliktpersönlichkeiten, Gewaltfreiheit und aktuellen Versuchen, Frieden aktiv zu leben und zu erforschen, befasst.

Jeden Monat gibt es ein Treffen, um den Ansatz der SV in den Moabiter Kiez zu bringen und sich mit lokalen Gruppen zu vernetzen. Siebdruckveranstaltungen, Ausstellungen, Konzerte, Workshops und vieles mehr sollen dem Ansatz Rechnung tragen, in kleinem Kreis eine resiliente und vielfältige Kiezgemeinschaft zu gestalten, die es ermöglicht, SV in der Praxis anwenden zu können.

„Friedenswege e.V – Chemins de Paix“: Modellregion Oberrhein
In der Modellregion Oberrhein bildet die grenzüberschreitende Arbeit eine zentrale Brücke zur Sozialen Verteidigung. Territoriale Grenzen sollen hier zugunsten der Verteidigung von Lebensweisen in den Hintergrund treten. Daher wird hier ein ganz anderer Ansatz als in Berlin gewählt. Am Oberrhein wurde das Thema Soziale Verteidigung mit lokalen und nachhaltigen Versorgungsstrukturen verzahnt gedacht. Dafür gab es einen Stand auf der „Foire éco-bio d’Alsace“ und eine Kooperation mit der Ausstellung „Friedensklima“. Passend zu ihrem transnationalen Ansatz hat die Modellregion das internationale Treffen der Arche-Gemeinschaften genutzt, um sich mit anderen Arche-Gemeinschaften über Soziale Verteidigung im internationalen Kontext auszutauschen und zu vernetzen.

KURVE Wustrow: Modellregion Wendland
Der politische Aktivismus des Wendlands ist geprägt durch die Anti-Atom-Bewegung. Anknüpfend an diese Strukturen wurden im Rahmen der diesjährigen Kulturellen Landpartie einige Workshops zur Sozialen Verteidigung angeboten. Zur Frage „Was wollen wir schützen und wie?“ kamen unterschiedlichste Menschen aus der Region miteinander ins Gespräch. Sogar auf Landratsebene wurde Soziale Verteidigung als Querschnittsthema für die Politikgestaltung anerkannt.

Weiterhin konnten wir die regionalen Gruppen erweitern und haben nun Aktive in den Regionen Augsburg, Neckar-Alb, Leine-Aller-Tal, Freiburg und Ulm. Ansprechpersonen haben wir in Minden, Hildesheim und der Oberpfalz. Auch bauen wir unser Netzwerk in die Niederlande stark aus und versuchen in den Regionen Rhein-Waal und Rhein-Maas-Nord eine weitere transnationale SV-Region aufzubauen. Für interessierte Einzelpersonen und Gruppen gibt es Flyer und Workshop-Vorlagen auf Anfrage!

Aufgrund der zunehmend internationalen Struktur der Kampagne sind wir aktuell dabei, unsere Webseite zu übersetzen. Freiwillige für diese Arbeit sind immer willkommen! Außerdem ist vor kurzem über eine Vernetzung in die Schweiz eine Forschungskooperation entstanden!

Um unser Angebot noch inklusiver und barriereärmer zu gestalten, haben wir eine erste Postkartenserie und Sticker entwickelt und arbeiten mit einer britischen Comickünstlerin daran, SV leicht verständlich und unterhaltsam aufzubereiten. Auch sind erste Ideen für ein Planspiel entstanden.

Es wird deutlich: SV voranzubringen macht Spaß! Wer uns konkret bei einem unserer vielen Projekte unterstützen möchte, kann sich gerne an Nele Anslinger und Nicklas Böhm unter info [at] wehrhaftohnewaffen [dot] de wenden.

Ausgabe

Rubrik

Initiativen
Nele Anslinger ist die Kampagnenkoordinatorin der Kampagne „Wehrhaft ohne Waffen“. Sie hat in Marburg Friedens- und Konfliktforschung mit den Schwerpunkten zivile Konfliktbearbeitung und Friedenspädagogik studiert. Bisher hat sie u.a. mit den Methoden des Theaters der Unterdrückten zu gesellschaftlicher Teilhabe, Antidiskriminierung und Extremismusprävention gearbeitet. Besonders am Herzen liegt ihr dabei die empowernde Arbeit in queeren Kontexten und Selbstfürsorge im politischen Aktivismus.