Rüstungsexport-Verbot

Wie könnte ein Rüstungsexport-Verbotsgesetz konkret aussehen?

von Katja Keul
Schwerpunkt
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Der Anteil deutscher Rüstungsexporte in Drittstaaten – also außerhalb von NATO und EU – liegt seit Jahren oberhalb von 50%  und ist damit die Regel und nicht die Ausnahme. Allein dieser Umstand reicht aus, um die Einhaltung der „Politischen Grundsätze der Bundesregierung für den Export von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern“, kurz: Richtlinien, aus dem Jahr 2000 in Frage zu stellen.

Es war der rot-grünen Regierung damals gelungen, die bestehenden Grundsätze zu verschärfen und erstmals das Kriterium der „Menschenrechte“ einzubringen. Wer sich an den Wortlaut der Richtlinien hält und der Beachtung der Menschenrechte im Bestimmungs- und Endverbleibsland „besonderes Gewicht“ beimisst und schon bei „hinreichendem Verdacht“, dass die gelieferten Güter zu einer inneren Repression beitragen oder das Empfängerland gar in bewaffnete Auseinandersetzungen verwickelt ist, muss automatisch bei einer restriktiven Rüstungsexportpraxis landen. So waren die Erwartungen. Was ist daraus geworden?

Wir sehen Patrouillenboote in Saudi-Arabien, Panzer in Katar und U-Boote in Ägypten – um nur die Exportgenehmigungen des Jahres 2017 aufzuzählen. Sowohl die Finanzkrise in der EU als auch die Sparmaßnahmen der NATO haben die Exporte in Drittstaaten ansteigen lassen. 2015 erreichten die Rüstungsexportgenehmigungen mit 7,8 Mrd. Euro insgesamt einen Höchststand. Ausgerechnet der Nahe und Mittlere Osten, der als konfliktreichste Region weltweit gilt, erhält regelmäßig Rüstungsgüter aus dem globalen Norden, so auch aus Deutschland. Nicht einmal das aktive Eingreifen Saudi-Arabiens im Jemen, also eine Teilhabe an einem tatsächlich ausgetragenen Krieg hat etwas an dieser Situation geändert. Dabei wäre spätestens das eine Reißleine gewesen, wenn man sehr großzügig und mit zwei zugedrückten Augen die Auslegung der Politischen Grundsätze ignorieren würde. Nicht nur Saudi-Arabien verstößt gegen Völkerrecht - auch die Türkei hat mit dem Einmarsch in den Norden Syriens Völkerrecht gebrochen. Die Bundesregierung gewährte dessen ungeachtet Rüstungsexporte im Wert von über vier Millionen Euro.

Die Liste an zweifelhaften Genehmigungen, die das Gegenteil einer restriktiven Rüstungsexportpraxis sind, ließe sich fortsetzen. Das Bonn International Center for Conversion (BICC) zählt im Jahr 2016 45 Länder, die hinsichtlich ihrer Menschenrechtslage als hochproblematisch einzustufen und dennoch Empfängerländer deutscher Rüstungsexporte sind. Das Friedensgutachten 2018 stellt der Bundesregierung das denkbar schlechteste Zeugnis aus: ihre Rüstungsexportpolitik sei weder restriktiv noch friedenspolitisch sinnvoll. Was also läuft schief?

Fehlende Verbindlichkeit
Das Grundproblem mit den Richtlinien ist, dass es sich um Richtlinien handelt. Ihnen fehlt jegliche Verbindlichkeit. Es hilft auch nicht, wenn die Bundesregierung behauptet, sie einzuhalten, denn sie sind nicht einklagbar. All das wollen wir mit einem Rüstungsexportkontrollgesetz ändern, das wir Grüne seit 2011 fordern.

Konkret würde es um die Aufwertung der bisher unverbindlichen Kriterien der Rüstungsexportrichtlinien gehen. Ziel ist, dass sie auf einer Ebene  mit dem Kriegswaffenkontroll- und dem Außenwirtschaftsgesetz stehen und es somit keine unterschiedlichen Ebenen von Verbindlichkeit mehr gibt. Gerade das Nebeneinander verschiedener Normen, zu denen auch der rechtsverbindliche EU-Gemeinsame Standpunkt für den Export von Rüstungsgütern zählt, trägt zu Intransparenz und Unübersichtlichkeit bei. Damit soll Schluss sein. Auch das Schließen rechtlicher Lücken, wie dem Export von technischem Know-how, wie es die Firma Rheinmetall mit ihrer Beteiligung an einer Panzerfabrik in der Türkei nutzt, wäre im Zuge einer gesetzlichen Regelung dringend notwendig. Gleichzeitig ließe sich über die Einführung eines Verbandsklagerechts nachdenken, so wie es im Umwelt- und Verbraucherschutz längst möglich ist. Opfer von Militär und Gewalt würden so erstmals eine Stimme bekommen.

Politische Strategien
Aber nicht alles lässt sich gesetzlich regeln. Zu einer restriktiven Rüstungsexportpolitik würde auch beitragen, wenn es keine Hermesbürgschaften mehr gäbe, der Rüstungsexportbericht offener und nachvollziehbarer strukturiert wäre, es mehr Endverbleibskontrollen gäbe, diese von geschultem Personal durchgeführt würden und die Federführung nicht mehr beim Wirtschaftsministerium läge, sondern beim Auswärtigen Amt. Auch die Zuständigkeit des Bundessicherheitsrates zweifeln wir an. Eigentlich ist das Grundgesetz in der Hinsicht klar, wenn es die Entscheidung über Rüstungsexporte dem gesamten Kabinett auferlegt und nicht einem ausgelagerten Gremium.

All diese Vorschläge dienen dazu, mehr Licht in das Dunkel von Rüstungsexportgeschäften zu bringen, denn die Bundesregierung ist nicht gewillt, ihre außen- und sicherheitspolitischen Beweggründe mitzuteilen. Eine parlamentarische Kontrolle ist so kaum möglich. 

Waffen an Drittstaaten gefährden nicht nur Menschenrechte, sondern auch deutsche und europäische Sicherheitsinteressen, sobald sich die Konfliktlinie ändert. Schon zu oft haben vermeintlich stabile Staaten bewiesen, dass sie es nicht sind. Mit großzügigen Rüstungsexporten machen wir selbst die Welt unsicherer. Diesen Irrsinn gilt es zu stoppen.

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