Erfassung

Keine Daten für die Bundeswehr

von Aktionsgruppe Hannover

Unter dem Motto „Keine Daten für die Bundeswehr“ haben im Frühsommer ein paar engagierte Menschen in Hannover das Flachdach des Hauptmeldeamtes (Bürgerbüros) in der Leinstraße in Hannover besetzt.

“Krieg beginnt hier … Widerstand auch” war auf dem zweiten großen Banner zu lesen, das die AktivistInnen vom Dach des Amtes herabließen. Mit dieser Protestaktion machten die Protestierenden damit nicht nur auf das umstrittene “Sommerbiwak”, eine High-Society-Gala der in Hannover stationierten 1. Panzerdivision aufmerksam, sondern auch auf die zunehmende, einseitig informierende Werbung der “Bundeswehr” für ihre (häufig: Kriegs-)Einsätze, auf die zunehmende Verquickung von Militärischem und Zivilem und – im speziellen – auf die Praxis der Übertragung von Einwohnermeldeamtsdaten an die deutsche Armee.

Jährlicher Datenabgriff der “Bundeswehr” bei den Meldebehörden
Die Übertragung/ Überlassung von personenbezogenen Meldeamtsdaten an die Bundeswehr beruht sowohl auf §58c des Soldatengesetzes (SG) als auch auf §18 (7) des Melderechtsrahmengesetzes (MRRG).

Im Soldatengesetz heißt es:

(1) Zum Zweck der Übersendung von Informationsmaterial nach Absatz 2 Satz 1 übermitteln die Meldebehörden dem Bundesamt für das Personalmanagement der Bundeswehr jährlich bis zum 31. März folgende Daten zu Personen mit deutscher Staatsangehörigkeit, die im nächsten Jahr volljährig werden:

1. Familienname,                                                                                 
2. Vornamen,
3. gegenwärtige Anschrift.

Die Datenübermittlung unterbleibt, wenn die Betroffenen ihr nach § 18 Absatz 7 des Melderechtsrahmengesetzes widersprochen haben.

(2) Das Bundesamt für das Personalmanagement der Bundeswehr darf die Daten nur dazu verwenden, Informationsmaterial über Tätigkeiten in den Streitkräften zu versenden.

(3) Das Bundesamt für das Personalmanagement der Bundeswehr hat die Daten zu löschen, wenn die Betroffenen dies verlangen, spätestens jedoch nach Ablauf eines Jahres nach der erstmaligen Speicherung der Daten beim Bundesamt für das Personalmanagement der Bundeswehr.

Eine Datenübermittlung nach § 58c Absatz 1 des Soldatengesetzes ist nur zulässig, soweit die Betroffenen nicht widersprochen haben. Die Betroffenen sind auf ihr Widerspruchsrecht bei der Anmeldung und im Oktober eines jeden Jahres durch öffentliche Bekanntmachung hinzuweisen.

Kritik der Protestierenden
In ihrem Flugblatt weisen die AktivistInnen zurecht darauf hin, dass die allgemeine Wehrpflicht im Jahr 2011 ausgesetzt wurde. Seit diesem Zeitpunkt bekommt die Bundeswehr diese Meldedaten, um weiter RekrutInnen zu gewinnen. Denn die Kriegseinsätze der Bundeswehr sind unbeliebt, die Mehrzahl der Bevölkerung lehnt sie ab. Die Zahl derjenigen, die bereit sind, als Freiwillige zu dienen, nimmt ab.

Die Bundeswehr reagiert darauf unter anderem mit einer Verdreifachung des Propagandaetats; diese Werbung soll mit Hilfe der Daten so zielgenau wie möglich an den Mann und an die Frau gebracht werden.

Die von dieser Datenweitergabe Betroffenen haben zwar ein Recht auf Widerspruch – aber dieses Recht ist faktisch eine Farce: Denn die Betroffenen wissen weder, dass ihre Daten weitergegeben werden, noch dass sie dies verhindern können.

Während die Grünen und die SPD im Falle des amerikanischen Geheimdienstes NSA nicht müde werden, das Recht auf informationelle Selbstbestimmung zu betonen, so ist ihnen dies im Falle der Weitergabe der Daten an die Bundeswehr völlig egal.

Es gilt, die praktische Umsetzung des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung einzufordern. Nur wer weiß, wer wann welche Daten über einen selber erhält oder verarbeitet, kann eigenverantwortlich damit umgehen. Die derzeitige Praxis, dass eine einmal jährliche “öffentliche Bekanntmachung” in irgendeiner Tageszeitung, die von den betroffenen Jugendlichen wahrscheinlich gar nicht gelesen wird, die Anforderungen des §18 (7) MRRG erfüllen soll, ist völlig unakzeptabel und darf nicht weiter hingenommen werden.

Der Spielraum der Meldebehörden
Die Meldebehörden sollten daran gehen, diesen Paragrafen mit Leben zu erfüllen und alle betroffenen Jugendlichen vor Weitergabe ihrer Daten an die Bundeswehr einzeln um Erlaubnis dazu fragen, zumindest aber diese einzeln, rechtzeitig vorher und in klarer, ehrlicher Form anschreiben und sie über ihre Widerspruchsrechte fair aufklären.

Die Dachbesetzer harrten ca. eindreiviertel Stunden in der heißen Sonne aus, bevor sie nach einem Gespräch mit der sich offen zeigenden Behördenleiterin den friedlichen Protest beendeten. Die Polizei war derweil mit einem Dutzend Beamten angerückt und vermittelte zwischen Behörde und Demonstrierenden. Soweit erkennbar, verliefen die Gespräche und Verhandlungen fair und auf Augenhöhe.

Die bemängelte Datenübertragung fand meines Wissens nach zwar auch schon vor der Aussetzung der Wehrpflicht statt, damals – falls ich richtig informiert bin – unter Berufung auf den damaligen § 58 des Wehrpflichtgesetzes. Das tut aber der berechtigten, endlich einmal öffentlich gewordenen Kritik keinen Abbruch.

Selber tätig werden – Widerspruch einlegen
Bis die Behörden eingelenkt haben und das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung an dieser Stelle ernster nehmen als bislang, kann jede/r Einzelne bereits selber tätig werden und bei seinem / ihrem eigenen Meldeamt den Widerspruch zur Weiterleitung seiner / ihrer dort gespeicherten Daten an Bundeswehr, Parteien, Kirchen und Adresshändler anzeigen. Möglichkeiten dazu bietet das MRRG an mehreren Stellen.

Menschen aus Niedersachsen können das folgende Formular herunterladen und verwenden: http://www.devianzen.de/wp-content/uploads/2013/08/widerspruch-meldeamt-...

 

Der Text wurde der Seite http://www.devianzen.de/2013/08/01/keine-daten-fur-die-bundeswehr/ entnommen.

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