Klimawandel und Zivile Konfliktbearbeitung

Klima- und Friedenspolitik gehören zusammen!

von Caroline KruckowSonja Vorwerk-Halve
Schwerpunkt
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Zunehmende Wüstenbildung, Anstieg des Meeresspiegels, Überschwemmungen oder Dürre – weltweit werden immer mehr Menschen hiervon betroffen. Auch die Zahl extremer Wetterereignisse nimmt zu. Der damit einhergehende Verlust von Land und Ressourcen bedroht massiv die Lebensgrundlage vieler und hat Auswirkungen auf das Zusammenleben von Gesellschaften. Bereits heute gehören Konflikte über die Nutzung von Land und Ressourcen zu den Hauptfaktoren für gewaltsame Auseinandersetzungen.

So beschreibt der Pathways for Peace Bericht der Weltbank und VN von 2018 (1), dass 40-60% aller innerstaatlichen bewaffneten Konflikte in den letzten 60 Jahren durch Konflikte um natürliche Ressourcen entweder ausgelöst, finanziert oder aufrechterhalten wurden. Mit zunehmendem Klimawandel und einer gleichzeitig steigenden Weltbevölkerung, höheren Lebensstandards und damit steigendem Ressourcenverbrauch nimmt der Druck auf diese begrenzt verfügbaren Ressourcen zu. Klimawandel wirkt wie ein Risikobeschleuniger (threat multiplier) (2). Auf der Grundlage von existierenden Problemen wie Exklusion, Diskriminierung, Ungleichheit und Armut erhöht sich so die Wahrscheinlichkeit von Instabilität und gesellschaftlichen Spannungen.

Braucht die Welt deshalb eine Politik, die auf Abschottung, Abwehr und Konfrontation setzt, um klimainduzierten Konflikten und Migration zu begegnen? Oder muss diesen Szenarien nicht viel mehr mit Kooperation, politisch-diplomatischen, friedensfördernden und konfliktbearbeitenden Mitteln begegnet werden? Dass Kooperation und friedensfördernde Vorgehensweisen zwingend notwendig sind, ist aus unserer Sicht besonders ersichtlich bei Klima und Konflikt – und das gilt auf allen Ebenen, sowohl multilateral als auch regional und lokal.

Mit einer globalen Agenda und nationalen Leitlinien Klima und Frieden verbinden

Die von den Vereinten Nationen verabschiedete Agenda 2030 (3) hat dies erkannt: Sie nimmt mit 17 Nachhaltigkeitszielen (Sustainable Development Goals/SDGs) diese globalen Probleme bereits in den Blick und wurde verabschiedet, um eine bessere Zukunft für alle in einer friedlicheren Welt zu sichern. Dabei steht zwar jedes Ziel für sich und benennt eine globale Herausforderung – allerdings kann ein Einsatz im Sinne von Nachhaltigkeit nur unter Berücksichtigung der Interdependenzen der unterschiedlichen Aspekte wirken. Kooperationen über sektorale Grenzen hinweg ist erforderlich – ganz besonders auch im Klima-, Ressourcen- und Friedensbereich. So hängt etwa das „Klimaziel“ SDG 13 eng zusammen mit z.B. dem Ziel 2 gegen Hunger und für Schutz und Sicherung des Zugangs zu Land und Ressourcen, die als Lebensgrundlage dienen. Ebenso steht es in Verbindung mit dem Ziel 16, das für Gerechtigkeit für alle, inklusive Institutionen und gute Regierungsführung steht und friedensfähige Gesellschaften stärken und fördern soll.  Im Sinne der Agenda 2030 ist also nicht die Konfrontation, sondern in jedem Fall die Zusammenarbeit und die Stärkung von Kooperations- und Friedenspotentialen zu bevorzugen.

Und auch die 2017 verabschiedeten Leitlinien der Bundesregierung „Krisen verhindern, Frieden fördern, Konflikte bewältigen“ geben diesen Weg vor. So will die Bundesregierung etwa Vulnerabilität gegenüber den negativen Auswirkungen des Klimawandels verringern und durch Programme zur Grundsicherung insbesondere im Fall klimabedingter Krisen negative Entwicklungen vor Ort verhindern. Die Leitlinien verdeutlichen, dass nachhaltige Lebens- und Zukunftsperspektiven in Krisenregionen geschaffen werden müssen. Das trifft auch auf klimainduzierte Krisen zu.

Die entwicklungspolitische Friedensarbeit zu Land- und Ressourcen, Konfliktsensibilität und Friedensförderung kann hier aus vielen Erfahrungen schöpfen und wichtige Aspekte einbringen.

Stärkung der zivilen Konfliktbearbeitung
Um mit den Auswirkungen des Klimawandels und den damit verbundenen Ressourcenkonflikten umgehen und (neue) Gewalt verhindern zu können, kommt es darauf an, die Voraussetzungen für eine gewaltfreie Bearbeitung dieser Konflikte zu schaffen und sicherzustellen. Dazu gehören neben den rechtlichen Rahmenbedingungen und Möglichkeiten der juristischen Klärung von Streitigkeiten auch die Unterstützung und, wo nötig die Stärkung von Fähigkeiten und Kapazitäten von lokalen Schlichtungsmechanismen, Dialog und Mediation.

Auch für Klimaschutz- und Klimaanpassungsmaßnahmen müssen die (potenziellen) Konfliktdynamiken und – akteure des spezifischen Kontextes angeschaut und in der Planung berücksichtigt werden. Dies dient der Vermeidung und Reduktion von vermeidbaren (Eskalations-)Risiken und unbeabsichtigten negativen Wirkungen. Ferner dient es auch der Identifizierung von Aktivitäten, die präventiv wirken und einer Eskalation vorbeugen können. Was sich hier bewährt, welche klima- und kontextspezifischen Herausforderungen sich stellen und welche Aspekte stärker in den Blick zu nehmen sind, muss in jedem Kontext neu beantwortet werden. Dabei müssen Klimafolgen und ihre jeweiligen Auswirkungen auf spezifische Gruppen in den Blick genommen werden. Zu diesen spezifisch Betroffenen gehören oft bereits marginalisierte Bevölkerungsgruppen wie etwa Indigene oder auch Wanderhirten, Landlose, u.a. Landverluste wie auch Konflikte wirken sich auf Frauen und Männer unterschiedlich aus, so dass eine genderspezifische Analyse der Klimafolgen aus Sicht der unterschiedlichen betroffenen Gruppen unverzichtbar ist. Maßnahmen dürfen nicht erneut zu Einschränkungen, Diskriminierung, Marginalisierung, Ungleichheit oder Spaltung der Gesellschaft führen (4).

Kontextsensibilität und Klimawandel muss aber in beide Richtungen gedacht werden. Auch krisenpräventive Maßnahmen, wie z.B. Krisenfrühwarnmechanismen, müssen Klimawandelfolgen stärker berücksichtigen.

Niemanden zurücklassen - Gestaltung von inklusiven und partizipativen (Aushandlungs- und Entscheidungs-) Prozessen
Eine wesentliche Erkenntnis aus den Ergebnissen der Milleniumsziele sowie den Verhandlungen zur Agenda 2030 ist die Relevanz der Beteiligung und Inklusion aller Bevölkerungsteile in Transformationsprozesse. Dies trifft besonders für die Kontexte zu, in denen ein Teil der Bevölkerung (häufig zählen dazu auch Frauen, Kinder, Jugendliche) nur einen geringen bis kein Mitspracherecht haben. Für eine friedliche Transformation ist dies jedoch eine Grundvoraussetzung, da die jeweiligen gewählten, repräsentativen oder administrativen VertreterInnen nicht immer im Interesse aller handeln (können). Aushandlungsprozesse zur Klimaanpassung, -schutz und -kompensation müssen dies berücksichtigen. Aushandlungsprozesse benötigen einen vertrauensvollen Rahmen, ausreichend Zeit und Flexibilität, um auch Menschen in eher schwer zugänglichen Regionen konflikt- und kultursensibel zu beteiligen. Dabei ist es wichtig, Gemeinschaften nicht als homogene Einheiten wahrzunehmen. Häufig sind jene sozialen Gruppen, die bislang nicht beteiligt wurden, auch die, deren Beteiligungskapazitäten weniger ausgeprägt sind. Gleichzeitig ist gerade die Herstellung von Vertrauen in polarisierten, fragmentierten Gesellschaften und fragilen Kontexten ein schwieriger Prozess, der mehr Zeit und häufig auch den Einbezug unparteilicher Vermittler benötigt. Zudem muss sichergestellt sein, dass alle Gruppen gleichermaßen Kapazitäten und Möglichkeiten haben, sich zu beteiligen und Ungleichgewichte ausbalanciert werden.

Handlungsspielräume zivilgesellschaftlicher Akteure wahren, Machtasymmetrien in den Blick nehmen
Klimainduzierte Ressourcenkonflikte sind gleichzeitig verbunden mit Interessenskonflikten zwischen unterschiedlichen sozialen Gruppen, vielfach aber auch zwischen lokal Betroffenen und einer politisch wie wirtschaftlich sehr viel stärkeren Elite. Vielfach sind nationale Regierungsstellen und/oder auch international agierende Akteure, wie transnationalen Wirtschaftsunternehmen beteiligt. Betroffenen, die sich gegen eine aus ihrer Sicht ungerechte Klimapolitik wenden, sowie Umwelt- und LandrechtaktivistInnen wird häufig mit Gewalt begegnet, sie werden kriminalisiert und sind zunehmend gefährdet. Handlungsspielräume für Friedensakteure schrumpfen (5). Diesem Trend muss auch in diesem Kontext begegnet werden, denn ohne kritische Stimmen ist nachhaltige Konfliktbearbeitung und Friedensförderung nicht möglich. Diese Stimmen müssen auch in Multistakeholderformaten, die vielfach für die beteiligten Akteure aus Staat, Zivilgesellschaft, Wirtschaft und Wissenschaft eingerichtet werden, eine wichtige Rolle spielen. Aber vorhandene Machtasymmetrien dürfen dem nicht entgegenstehen. Bei Bedarf muss diese Beteiligung proaktiv durch entsprechende Mechanismen oder spezifische Formate begleitet und ermöglicht werden (6).

Rechtliche Grundlagen schaffen, umsetzen und durchsetzen und auf bestehendes aufbauen
Für eine klimabedingte gesellschaftliche Transformation müssen rechtliche Grundlagen, legitime Politiken und Rahmenbedingungen geschaffen bzw. angepasst werden. Diese müssen sowohl dem Schutz der Umwelt und des Klimas dienen als auch gleichzeitig die Rechte der lokalen Bevölkerung wahren und gewährleisten sowie Ausgleich für klimainduzierte Verluste schaffen. Dazu zählen auch die Sicherung von Landrechten und der Zugang zu natürlichen Ressourcen. Internationale Konventionen und Menschenrechts-Verpflichtungen der Vereinten Nationen (VN) geben einen Rahmen vor. Auch auf Freiwilligkeit beruhende menschenrechtsbasierte Leitlinien wie etwa die 2012 vom Welternährungskomitee der VN verabschiedeten „Freiwilligen Leitlinien für die verantwortungsvolle Verwaltung zur Nutzung von Land, Fischgründen und Wäldern (VGGT)“ sind auch für den Klimabereich anwendbar und nutzbar. Sie bieten wichtige Anknüpfungspunkte für eine menschenrechtsorientierte Ressourcenpolitik - und weisen auf die jeweils spezifische Verantwortung aller nationalen wie internationalen Akteure hin.

Last not least: Verantwortung übernehmen und für Prävention von Gewalt einstehen!
Gerade die Klimawandel induzierenden Politiken der Industrie- und Schwellenländer sind ausschlaggebend für die Konfliktszenarien der Zukunft. Industrie- und Wachstumsgesellschaften tragen mit ihrem Lebensstil und Ressourcenverbrauch massiv zum Klimawandel bei. Staaten sind für die klimaschädlichen aber auch konfliktverschärfenden Folgeschäden ihrer Politiken verantwortlich. Aber auch Wirtschaftsunternehmen und ihre Finanziers (Banken sowie auch Entwicklungsbanken), die lokal aber auch international agieren und investieren, müssen – auch für Folgeschäden – Verantwortung übernehmen oder auf ihre menschenrechtlichen Verpflichtungen hingewiesen und zur Verantwortung gezogen werden. Wirtschafts- und Politikansätze werden auf den Prüfstand zu stellen sein, inwieweit sie einerseits Klimawandel beeinflussen und andererseits zu Frieden und der Verhinderung weiterer Gewalt und Konflikteskalation beitragen. Auseinandersetzungen und Interessenskonflikte werden zwangsläufig auf uns alle zukommen, es ist jedoch im Interesse der meisten Menschen auf dieser Welt, dass diese friedlich und nachhaltig gelöst werden können. Denn die (Folge-) Kosten von Gewaltkonflikten sind in jedem Fall höher als die Kosten für Prävention. Insofern wäre das Aufhalten des Klimawandels, das Einhalten der Klimaziele auch eine wichtige Grundvoraussetzung für eine gelungene Friedenspolitik.

In der Agenda 2030 und den Leitlinien hat sich die Bundesregierung verpflichtet, die Folgen des Klimawandels für friedliche Gesellschaften in den Blick zu nehmen. Nun ist eine ambitionierte sowie inklusive und universelle Umsetzung wichtig!

Anmerkungen
1 Für die Literatur, die hier nicht ausführlich angegeben ist, siehe die Literaturliste in diesem Schwerpunkt.

2 Rüttinger, Lukas; Gerald Stang, Dan Smith, Dennis Tänzler, Janani Vivekananda et al. 2015: A New Climate for Peace – Taking Action on Climate and Fragility Risks. Executive Summary. Berlin/London/ Washington/Paris: adelphi, International Alert, The Wilson Center, EUISS.

3 United Nations. 2015. Transforming our world: the 2030 Agenda for Sustainable Development. A/Res/70/1. New York. (siehe: https://www.un.org/sustainabledevelopment/sustainable-development-goals/ )

4 Tänzler, Dennis; Alexander Carius and Achim Maas. 2013: The Need for Conflict-Sensitive Adaptation to Climate Change. In: Dabelko, Geoffrey D.; Lauren Herzer, Schuyler Null, Meaghan Parker and Russell Sticklor (Eds.): Backdraft: The Conflict Potential of Climate Change Adaptation and Mitigation. Environmental Change & Security Program Report 14:2. Washington, D.C.: Woodrow Wilson International Center for Scholars, pp. 5-12.

5 Justen, Anja; Rolf, Claudia. 2018. Prävention und Friedensförderung in Zeiten von Shrinking Space. Bonn: FriEnt. (https://www.frient.de/publikationen/dokument/?tx_ggfilelibrary_pi1%5Bcon... )

6 Kruckow, Caroline. 2016. Multi-Akteurs-Prozesse zur Umsetzung der MDGs: Was muss beachtet werden? Bonn: FriEnt (siehe: https://www.frient.de/blog/post/?tx_ggblog_pi2%5Bblog%5D=1&tx_ggblog_pi2... )

Dieser Beitrag gibt ausschließlich die Meinung der Autorinnen wieder. Die Verantwortung für den Inhalt liegt bei ihnen. Caroline Kruckow ist Referentin für Frieden und Entwicklung bei Brot für die Welt und vertritt das Werk seit 2008 in der Arbeitsgemeinschaft Frieden & Entwicklung (FriEnt). Ihr Arbeitsschwerpunkt ist das Thema Landkonflikte. Für FriEnt organisiert sie regelmäßig einen Runden Tisch zum Südkaukasus, bei dem die entwicklungspolitische Friedensarbeit im Vordergrund steht.

Sonja Vorwerk-Halve vertritt die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) GmbH im FriEnt-Team der Arbeitsgemeinschaft Frieden und Entwicklung. Seit 2002 arbeitet sie in und zu diversen Länderkontexten als Beraterin und Projektleiterin im Themenfeld der zivilen Konfliktbearbeitung und Friedensförderung. Ihren Magisterabschluss in Ethnologie, Soziologie und internationalem Recht erweitert sie gerade durch ein berufsbegleitendes Masterstudium im Bereich des strategischen Nachhaltigkeitsmanagements.

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Caroline Kruckow ist Referentin für Frieden und Entwicklung bei Brot für die Welt und vertritt das Werk seit 2008 in der Arbeitsgemeinschaft Frieden & Entwicklung (FriEnt). Ihr Arbeitsschwerpunkt ist das Thema Landkonflikte. Für FriEnt organisiert sie regelmäßig einen Runden Tisch zum Südkaukasus, bei dem die entwicklungspolitische Friedensarbeit im Vordergrund steht.
Sonja Vorwerk-Halve vertritt die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) GmbH im FriEnt-Team der Arbeitsgemeinschaft Frieden und Entwicklung. Seit 2002 arbeitet sie in und zu diversen Länderkontexten als Beraterin und Projektleiterin im Themenfeld der zivilen Konfliktbearbeitung und Friedensförderung. Ihren Magisterabschluss in Ethnologie, Soziologie und internationalem Recht erweitert sie gerade durch ein berufsbegleitendes Masterstudium im Bereich des strategischen Nachhaltigkeitsmanagements.