Konversionsarbeitskreise und regionale Initiativen

Arbeitskreise für alternative Produktion gibt es im Norden der Bundesrepublik schon häufiger als im High-Tech-Süden, regional bedingt. Hier eine Liste von Betrieben, in denen solche Arbeitskreise gegründet wurden - ohne Anspruch auf Vollständigkeit.

  • Blohm und Voss Hamburg
  • Krupp-MAK Kiel
  • MBB Bremen
  • Lloyd-Werft Bremerhaven
  • Ross-Industrie Hamburg
  • HDW Kiel
  • Krupp-Atlas-Elektronik Bremen
  • AEG Schiffbau Hamburg
  • Spezial-Gerätebau Hamburg
  • MAN Augsburg

Das Beispiel von Groß-London hat schon gezeigt, daß das Konzept der Produktionsalternativen nicht auf den Betrieb oder das Unternehmen begrenzt werden kann, sondern auch auf der kommunalen, regionalen und nationalen Ebene verfolgt werden muß. Denn es steht in einem komplexen volkswirtschaftlichen Zusammenhang, der - vereinfacht gesagt - aus Produktion - Finanzierung - Absatz besteht. Alternative Produktion heißt auch alternative Finanzierung, anders ausgedrückt, Senkung des Rüstungshaushalts und Verwendung der dort eingesparten Mittel für andere, sinnvolle öffentliche Aufgaben. Alternativer Absatz ist jedoch nicht nur bei öffentlichen Auftraggebern zu finden, sondern auch bei privaten Konsumenten und Investoren. Hier müssen die rüstungsproduzierenden Unternehmen nachdrücklich an ihre Aufgabe erinnert werden, sich auf dem Markt zu bewähren und nur am Tropf öffentlicher Aufträge zu hängen.

Mit einer regionalen Struktur geht der Ansatz der alternativen Produktion aber nicht nur über den einzelnen Betrieb, sondern auch über die Branche Rüstungsindustrie hinaus. Es hat sich gezeigt, daß er auch geeignet ist, Alternativen der Beschäftigungssicherung gegen Arbeitslosigkeit, Betriebsschließungen und Verödung ganzer Landstriche bereitzustellen. Ein umfassendes Konzept hierzu stellte der DGB mit seinem Programm "Qualitatives Wachstum" vor. Detailliert und ergänzt wurde es 1985 durch das Programm "Umweltschutz und qualitatives Wachstum".

Ansätze zu einer örtlichen gewerkschaftlichen Beschäftigungspolitik gibt es zahlreich: Die arbeitsmarktpolitischen Konferenzen verschiedene DGB-Kreise, das Projekt ZATU (Zentrum für Arbeit – Technik - Umwelt) in Nürnberg, wo bei Grundig auch einer der ersten betriebliche Beschäftigungspläne für Qualifikation und Diversifikation durchgesetzt wurde. Das beschäftigungspolitische Aktionsprogramm des DGB-Kreises Regensburg oder das im DGB Konstanz verfolgte Konzept, die Forderung nach der 35-Stunden-Woche zusammen mit Umweltschutzprojekten in Personalbedarf zu rechnen, so daß der Nachweis erbracht wurde, daß damit die Arbeitslosigkeit beseitig werden könnte. Durch die Entwicklung neuer Produkte will auch die IG Metall Wetzlar dem anhaltenden Abbau von Arbeitsplätzen nach dem Motto begegnen: Beschäftigungspläne statt Sozialpläne. Die IG Metall Offenburg erstellt ein beschäftigungspolitisches Aktionsprogramm gegen die strukturelle Schwäche im badischen Raum.

Auf eine größere Region und massiv von der Krise getroffene Branche bezieht sich das IG Metall-Beschäftigungsprogramm Küste von 1984 um das schiffbaupolitische Positionspapier der IG Metall-Bezirksleitung Hamburg von 1986. Der Vorsitzende Franz Steinkühler forderte konkret, Schritte zur Stärkung des technologischen Rückgrats auf den Werften darunter auch die Bildung von Entwicklungsgesellschaften. Weitere Schritte sollen die Qualifizierung, die Gründung von Beschäftigungsgesellschaften und die Schaffung von Ersatzarbeitsplätzen sein. Gemeinsam mit den Zulieferfirmen sollen auch schiffbaufremde Produktionen und neue Ansatzpunkte für Forschung um Entwicklung gefördert werden. Doch dauerte es bis zum August 1987, bis der Verband der Deutschen Schiffbauindustrie der IG Metall erstmals Gesprächsbereitschaft signalisierte. Alternative Produktionsmöglichkeiten gäbe es durchaus, z.B. mit dem "Schiff der Zukunft" (20 Prozent Brennstoffersparnis), dem Katamaran zur Ölabschöpfung, mit Windkraftanlagen, Rauchgasentschwefelung; Blockheizkraftwerken usw.

Die bisher breiteste und massivste Bewegung für die Sicherung bzw. den Ersatz von Arbeitsplätzen fand und findet in der Stahlindustrie statt. Die Stahlindustrie betreibt die Schließung ganzer Stahlstandorte ohne Rücksicht auf die Beschäftigten und die Verödung ganzer Regionen. Die Belegschaften führen mit noch nie dagewesener Intensität und großem Einfallsreichtum einen Kampf um die Erhaltung ihrer Arbeits- und Lebensgrundlagen. So in Hattingen bei der Henrichshütte, so in Rheinhausen bei Krupp. Es gelang den Menschen mit Aktionsformen wie Straßen- und Brückensperrungen, Demonstrationen, Mahnwachen, Beteiligung anderer Gewerkschaften und breiter Bevölkerungskreise ihr Anliegen so massiv deutlich zu machen, daß der Stilllegungsbeschluß zumindest zeitweilig in Frage gestellt wurde. Es mußten soziale Absicherungen und finanzielle Hilfen ebenso in Aussicht gestellt werden die die Durchführung einer Stahlkonferenz. Die versprochene Schaffung von Ersatzarbeitsplätzen, die Bildung von Beschäftigungs- und Entwicklungsgesellschaften lehnen die Stahlindustriellen immer noch ab; ober der Umfang und die neue Qualität der Kampfformen hierbei ein Umdenken erreichen, muß sich zeigen. Auch bei der Durchsetzung der doppelten Null-Lösung war lang anhaltender massenhafter öffentlicher Druck notwendig, um der wirtschaftlichen und sozialen Vernunft zum Durchbruch zu verhelfen.

 

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