Eine Woche vor Ostern rufen wir mit unserem Aufruf "Kriege stoppen - Frieden und Abrüstung jetzt! " in mehreren Zeitungen zur Teilnahme an den Ostermärschen 2025 auf. Hilf auch du mit bei der Mobiliserung!
Nicht kämpfen wollen
Kriegsdienstverweigerung und Desertion
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Wer sich weigert, als Soldat (oder heute manchmal auch: Soldatin) in den Krieg zu ziehen, zahlt fast überall einen hohen Preis. Im besten Falle sind es Missbilligung des sozialen Umfelds und ein Ersatzdienst unter oft schwer erträglichen Bedingungen, oftmals bedeutet er Gefängnis, Flucht oder ein Leben in der Illegalität, im schlimmsten Falle drohen Folter und Tod im Gefängnis oder - nach der Zwangsversetzung an die Front - als „Kanonenfutter“.
Dies trifft auch auf die jungen Männer zu, die nicht in der Ukraine kämpfen wollen. Bis zur Teilmobilmachung am 21.9.2022 waren es geschätzt bereits über 100.000 russländische Männer, die sich durch eine Flucht ins Ausland dem Krieg zu entziehen suchten; die Gesamtzahl der Menschen aus Russland, die seit Kriegsbeginn ihr Land verlassen haben, beträgt laut Zahlen der EU rund 500.000. (1) In den ersten Tagen nach der Teilmobilmachung, bei der 300.000 Reservisten eingezogen werden sollen, haben Zehntausende weitere versucht, das Land zu verlassen; in den ersten Tagen schon über 100.000. (2)
Aber auch in der Ukraine gibt es viele Menschen, die nicht in den Krieg ziehen wollen – ohne deshalb auf der Seite Russlands zu stehen. Nicht ohne Grund hat das Land bereits im Februar 2022 eine Ausreisesperre für mögliche Rekruten verabschiedet und das (sowieso nur für Angehörige bestimmter religiöser Gruppen geltende) Recht auf Kriegsdienstverweigerung ausgesetzt. Es sind geschätzt 100 -145.000 wehrpflichtige Männer, die das Land verlassen haben. Im Land wurden seit Februar rund 5.000 Verfahren wegen Militärdienstentziehung oder ähnlicher Delikte eröffnet. (3).
Das dritte Land ist Belarus. Belarus hat sich bislang nicht mit eigenen Truppen am Krieg beteiligt, auch wenn es Russland erlaubt hat, über sein Territorium die Ukraine anzugreifen. Die Menschenrechtsorganisation „Unser Haus“ hat deshalb im Frühjahr eine Kampagne mit dem der Frauenbewegung entlehnten Slogan „Nein heißt nein“ gestartet. Sie rief die Mütter von Wehrpflichten auf, ihre Söhne dazu zu drängen, sich nicht einziehen zu lassen. Über 22.000 Männer sind diesem Aufruf gefolgt und ins westliche Ausland geflohen. (4)
Wo Zuflucht finden?
Die meisten Verweigerer aus den genannten Ländern versuchen, sich entweder im Land zu verstecken oder ins Ausland zu gehen. Doch das ist nicht so einfach. Während Ukrainer, falls es ihnen gelingt, illegal oder durch Bestechung von Grenzposten das Land zu verlassen, unter die allgemeinen Aufnahmeregelungen für ukrainische Geflüchtete in der EU fallen, müssen Männer aus Russland und Belarus Asyl beantragen. Und das wird ihnen nicht leichtgemacht. In Deutschland mussten sie längere Zeit nachweisen, dass sie konkret aufgefordert wurden, an Kriegsverbrechen teilzunehmen. Nach der Teilmobilmachung hieß es, dass Verweigerer und Deserteure Asyl beantragen könnten, sich aber einer Sicherheitsprüfung unterziehen müssten. Während dieses Friedensforum in den Druck ging, berieten Vertreter*innen der EU über ein gemeinsames Vorgehen, aber eine Einigung zeichnete sich nicht ab. (5)
#ObjectWarCampaign
Am internationalen Friedenstag, dem 21.9., zufällig an demselben Tag, an dem Russland seine Teilmobilmachung verkündete, hat eine europäische Kampagne begonnen. Initiiert von Connection e.V., dem Internationale Versöhnungsbund, dem Europäischen Büro für Kriegsdienstverweigerung und War Resisters’ International wird zu einer Unterschriftenaktion für Deserteure und Kriegsdienstverweigerer aus Russland, Belarus und Ukraine aufgerufen. Die Petition richtet sich an die Präsidentin der Europäischen Kommission, Ursula von der Leyen, den Präsidenten des Europäischen Rates, Charles Michel, und die Präsidentin des Europäischen Parlaments, Roberta Metsola. Sie kann auf Deutsch, Englisch, Französisch, Italienisch und Griechisch unterzeichnet werden: https://you.wemove.eu/campaigns/russland-belarus-ukraine-schutz-und-asyl... Die Kampagne läuft noch bis zum Internationalen Tag der Menschenrechte, dem 10. Dezember.
Siehe zu dem Thema auch den Beitrag von Franz Nadler in diesem Heft.
Anmerkungen
1 Siehe https://de.connection-ev.org/article-3608 und https://www.tagesschau.de/ausland/europa/russland-mobilmachung-ausreisen...
2 https://www.tagesschau.de/ausland/ukraine-russen-kasachstan-101.html
Dieser Artikel wurde Ende September verfasst; der Produktionsvorlauf des Friedensforums beträgt leider einen Monat. Aktuellere Zahlen werden der genannten Seite von Connection e.V. entnommen werden können: https://de.connection-ev.org
3 Siehe https://de.connection-ev.org/article-3608
4 Siehe https://de.news.house/no-means-no
5 Siehe https://www.t-online.de/nachrichten/ausland/eu/id_100058370/kein-durchbr...