Kriegsgräberfürsorge

Mahnmale für den Frieden

von Sebastian Steinebach

„Die Kriegsgräberstätten sind die großen Prediger des Friedens, und ihre Bedeutung als solche wird immer mehr zunehmen“, schrieb Albert Schweitzer treffend. Von Kriegsgräberstätten geht eine nachdrückliche Mahnung zum Frieden aus. In diesem Sinne engagiert sich der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge e.V. seit Jahrzehnten, indem er Kriegsgräberstätten nicht nur anlegt und pflegt, sondern auch Jugend- und Bildungsarbeit betreibt.

Der Volksbund ist eine humanitäre und gemeinnützige Organisation, die unmittelbar nach dem Ende des Ersten Weltkriegs gegründet wurde, um sich der Gräber der deutschen Kriegstoten anzunehmen, die fast alle außerhalb des Reichsgebiets lagen. Ab 1933 unterwarf sich die Führung des Volksbundes der Gleichschaltungspolitik der NS-Regierung. 1954 betraute ihn die Bundesregierung mit der Aufgabe, die Gräber der deutschen Kriegstoten im Ausland zu erfassen, Kriegsgräberstätten zu errichten und sie zu pflegen. Zentrale Aufgabe des Volksbundes ist es seither ebenso, die Angehörigen von Gefallenen und Vermissten in Fragen der Kriegsgräberfürsorge zu betreuen. Kriegsgräberstätten sind heute Orte internationaler Begegnung und Lernorte der Geschichte, sie sind aber auch immer noch Orte individueller Trauer oder kollektiven Gedenkens. Die Kreuze der über 2,7 Millionen Gefallenen, die auf 833 Kriegsgräberstätten in 46 Ländern ruhen, sind Mahnmale für den Frieden und jedes Einzelschicksal macht der Generation, die keinen Krieg erlebt hat, die furchtbaren Geschehnisse greifbarer. Indem er Friedhöfe anlegt und erhält, bewahrt der Volksbund das Gedenken an die Kriegstoten und gestaltet die deutsche Erinnerungskultur mit. Vor allem in internationalen Jugendbegegnungen lernen die Teilnehmenden die Erinnerungskulturen anderer Länder kennen, was ihnen neue Blickwinkel verschafft.

Die Bergung von Kriegstoten im Osten Europas, ihre Umbettung auf Kriegsgräberstätten und die Hilfe bei der Suche nach Vermissten sind auch 72 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs noch zentrale Aufgaben des Volksbundes. Rund 30.000 Anfragen zum Verbleib der Toten beider Weltkriege gehen jährlich ein. Im Jahr 2016 konnte der Volksbund über 26.000 Umbettungen (1) vor allem in Russland und der Ukraine durchführen. Heute steht die Organisation trotz der mehr als 300.000 aktiven Förderer (2) und etwa einer Million GelegenheitsspenderInnen (3) vor großen Herausforderungen, will sie ihre Aufgaben finanziell sichern. Noch kann der Verein aus Spenden und Zuwendungen etwa 70 Prozent seiner Arbeit finanzieren. Den Rest decken öffentliche Mittel des Bundes und der Länder.

„Wer an Europa zweifelt, wer an Europa verzweifelt, der sollte Soldatenfriedhöfe besuchen. Nirgendwo besser, […]“(4) mahnte einmal Jean-Claude Juncker in seiner Gedenkrede im Deutschen Bundestag. Der Volksbund betrachtet es als eine seiner wichtigsten Aufgaben, junge Menschen an Kriegsgräberstätten zusammenzuführen. Seit 1953 finden dort und an Gedenkstätten Jugendbegegnungen statt. Seither ist das gültige Motto der Jugendarbeit: „Versöhnung über den Gräbern – Arbeit für den Frieden.“ Was damals mit reiner Pflege begann, ist heute Teil eines umfassenden pädagogischen Konzepts. Im Sommer haben junge Menschen die Möglichkeit, an solchen Projekten teilzunehmen.

Kriegsgräberstätten, die nach nationalem und internationalem Recht auf Dauer erhalten bleiben, sind wichtige Lernorte für eine Generation, die die Weltkriege selbst nicht erlebt hat. Indem sie bei der Instandsetzung und Pflege mithelfen, haben junge Menschen die Möglichkeit, den Wert des Friedens auf eine Weise zu verinnerlichen, wie ihn kein Geschichtsunterricht vermitteln kann. Die praktische Arbeit ermöglicht dabei einen persönlichen Zugang. Bei den internationalen Projekten kommen junge Menschen unterschiedlicher Nationen, Kulturen und Religionen zusammen. In der Auseinandersetzung mit Geschichte und Einzelschicksalen sowie im alltäglichen Zusammenleben tauschen sie sich aus, überwinden Sprachbarrieren, hinterfragen Vorurteile und schließen Freundschaften.

Ein weiterer Schwerpunkt der friedenspädagogischen Arbeit ist die Arbeit mit Schulen, Hochschulen und anderen Bildungseinrichtungen. Vorträge, regionale Projekte sowie Bildungsfahrten zu Gedenkstätten sind im Bildungsplan verankert und werden durch den Volksbund begleitet. Außerschulisches Lernen steigert die Motivation der Jugendlichen, sich auch im Unterricht stärker mit friedenspädagogischen Themen auseinanderzusetzen. Den Volkstrauertag, der als zentraler Gedenktag des Volksbundes in ganz Deutschland begangen wird, gestalten Schüler- und Jugendgruppen mit eigenen Texten zu Krieg und Gewalt mit.
Außerdem engagiert sich der Volksbund in der Aus- und Fortbildung von Lehrenden. Dazu arbeitet er mit den Seminaren für Didaktik und Lehrerbildung, Hochschulen und Schulbehörden zusammen und bietet Veranstaltungen wie Fachtagungen oder Lehrerfahrten an. Der Volksbund unterhält eigene Jugendbildungsstätten in Frankreich (Elsass), Belgien, den Niederlanden und auf der Insel Usedom. Sie befinden sich alle in unmittelbarer Nähe von Kriegsgräberstätten, bieten pädagogische Module zur Arbeit mit Einzelschicksalen der dort ruhenden Menschen. Sie verfügen über ausreichende Übernachtungsmöglichkeiten und stehen allen Bildungsträgern offen.

Anmerkungen
1 Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge: „Arbeitsbilanz 2016 und Ausblick 2017“, S. 9, Kassel 2017.
2 Ebd., S. 23.
3 Ebd., S. 26.
4 http://www.volkstrauertag.de/2008/gedenkrede-jean-claude-juncker.html, aufgerufen am 8.9.2017.

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Sebastian Steinebach ist seit 2013 Schul- und Bildungsreferent beim Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge, Landesverband Baden-Württemberg. Nach dem Studium der Neueren Geschichte und „Romanistik Französisch“ an der Universität Duisburg-Essen und der Université Charles de Gaulle im nordfranzösischen Lille veranlasste ihn die Bildungsarbeit des Volksbundes, nach Baden-Württemberg zu ziehen.