... und Verbringung in den Gefangenengewahrsam des Frankfurter Polizeipräsidenten am 29.03.2003

Protokoll einer Festnahme

von Elfriede Krutsch

Um meinem Widerstand gegen den verbrecherischen Angriffskrieg gegen den Irak Ausdruck zu verleihen, hatte ich mich der gewaltfreien resist-Blockade an der US-Airbase Rhein/Main am 29.3.2003 angeschlossen.

Gegen 15.00 Uhr saß ich mit anderen MitstreiterInnen auf der Okriftlerstraße in der Nähe des Südtores. Die Polizei trug uns nach vorheriger dreimaliger Aufforderung, die Straße zu verlassen, auf den Seitenstreifen. Dort wurde ich nach Abgabe meines Personalausweises von einer Beamtin körperlich gründlich untersucht. Danach wollte man mich ohne jegliche Erklärung fotografieren, was ich strikt ablehnte, worauf mich der Polizeibeamte grob körperlich dazu nötigen wollte, so dass ich mir eine blutende Mittelfingerverletzung zuzog. Ich verlangte eine aussagefähige Rechtsmittelbelehrung, die man mir nicht erteilte, sondern nur lapidar sagte, dass hier bei der Polizei dieses Vorgehen so üblich sei.

Anschließend wurde mein Rucksack total entleert und untersucht, sogar mein Schlafsack wurde hierfür entrollt. Ich wies die Beamtin mehrmals darauf hin, meine Sachen nicht in den Straßenschmutz abzulegen. Danach forderte man mich auf, den Gefangenentransportbus zu besteigen und mich in eine der winzigen Zellen zu setzen. Beim Anblick dieser Minizellen bekam ich Platzangst, teilte dies den Beamten mit und bestand darauf, bis zur Abfahrt des Busses vor dem Bus zu warten, was noch ca. eineinhalb Stunden dauerte.

Vor Abfahrt des Busses stieg ich dann in eine Minizelle mit vier Sitzplätzen, mit den Maßen von 60 x 100 x 200 cm ein, mit einem ca. 30 x 6cm großen Fensterschlitz und einer in der Decke befindlichen Lüftung. Die Türe war von innen nicht zu öffnen. Die Fahrt bis zum Innenhof des Polizeipräsidiums dauerte ca. 30 Minuten. Dort angekommen ließ man uns vier Frauen nicht etwa aussteigen, sondern wir mussten durch lautes Klopfen und Rufen darum bitten, die Toilette aufsuchen zu dürfen. Der Beamte öffnete kurz die Türe und tat unser körperliches Unwohlsein mit der Bemerkung ab: "Hätten Sie sich vorhin anständig benommen, dann müssten Sie das jetzt nicht ertragen!" Ich stellte meinen Fuß in die Türe und bestand darauf auszusteigen, was dann auch gelang.

Wir konnten die Toiletten benutzen und bestanden dann darauf, nicht wieder einzusteigen, sondern setzten uns auf den Hofboden. Etwa eine Stunde nach Ankunftszeit mussten alle wieder den Zellentransportbus besteigen, - ich weigerte mich erfolgreich - um in eine direkt angrenzende Garage zu fahren. Dort durften alle wieder aussteigen, wurden einzeln fotografiert. Auf meine Frage hin, wozu dies denn notwendig sei, bekam ich zur Antwort, dass man meinen aktuellen Bekleidungsstatus festhalten möchte. Ich erlaubte dies, hielt aber beide Hände vors Gesicht.

Anschließend wurden wir in einen der zwei Gitterkäfige neben dem Eingang mit den Maßen von ca 2,50 x 2,50 x 2,50 m verbracht. Dort warteten wir auf das weitere Verfahren. Ich wurde aufgerufen und in den Innenbereich der Gefangenensammelstelle gebracht. Dort wurde erneut das Gepäck durchsucht, ebenso erfolgte in einer Einzelkabine eine körperliche Durchsuchung, bei der nur die Schuhe ausgezogen werden mussten. Als die Beamten nun sahen, dass kein aktuelles Portraitfoto von mir vorlag, wollten sie dies nachholen. Ich weigerte mich erneut und bat um eine aussagefähige Rechtsmittelbelehrung. Sie drohten mir massiv, mit körperlicher Gewalt dieses Foto anzufertigen.

Ich bat, den Leiter zu sprechen, er tat dies im Beisein von 3 Polizeibeamten. Dort erläuterte er mir den Straftatbestand der Nötigung nach § 240 des StGB, und dieses würde das polizeiliche Vorgehen rechtfertigen. Ich entgegnete, dass 1996 vom Bundesverfassungsgericht die in den 80er Jahren ausgesprochenen Verurteilungen wegen Nötigung gegen gewaltfreie SitzblockadeteilnehmerInnen vor Atomwaffendepots des US-Militärs aufgehoben wurden und diese alle im Nachhinein rehabilitiert wurden. Der Leiter entgegnete, dass es aber auch wieder anderslautende Rechtsprechungen seitdem gegeben hätte. Ich wies ihn erneut auf das höchste Rechtssprechungsorgan hin und bat darum, mir zu beweisen, dass er gezwungen ist, mir diese entwürdigende Behandlung anzutun. Ich argumentierte mit Verhältnismäßigkeit, die hier deutlich überschritten werde, und mit seinem Ermessungsspielraum. Ich verbat mir mit Vehemenz, mich polizeilichen Maßnahmen zu unterziehen, die offenbar nicht zwischen Verbrechern und gewaltfreien Menschen unterscheiden. Diese Prozedur ist einer Demokratie unwürdig.

Er verließ kurz den Raum, kam mit einer Akte zurück, setzte sich an seinen PC und bat dann die Beamten, mich in die Gefangenenzelle zu bringen. Mir teilte er mit, dass er mich in 10 Minuten wieder holen ließe. Das geschah nicht, und er war offenbar nicht in der Lage, die angeblich anderslautende Rechtssprechung zu belegen.

In der Zelle befanden sich schon acht Frauen, zum Teil schon über mehrere Stunden. Die Zelle hatte die Maße von ca. 4(l) x 2,5(b) x 5(h)m, war komplett weiß gekachelt, auch die an einer Längs- und Breitseite angebrachten Sitzbänke. Die Sitzbänke waren eiskalt, man hatte uns auf Bitten 3 Wolldecken zur Verfügung gestellt. Eigentum durfte man bis auf Geldbörse, Taschentücher und Brille nicht mit in die Zelle nehmen, auch keinen Bleistift oder Kugelschreiber wegen Eigen- oder Fremdgefährdung. Die Zelle hat ganz oben ein abgedunkeltes Fenster, das nicht zu erreichen war, außerdem war noch eine Lüftungsanlage und ein Klingelknopf in der Wand eingelassen.

Eine junge Frau kauerte am Boden, hielt ihre geschlossenen Augen noch mit den Händen zu und klagte, dass sie es in gekachelten Räumen nicht aushalten könnte und Kopfschmerzen habe. Ich klingelte, der hinzukommende Polizeibeamte, dem ich die Situation erklären wollte und ihn nach einem Polizeiarzt fragte, fuhr mich an, dass ich renitent sei und als Ärztin doch selber helfen könnte. Er würde nicht mit mir diskutieren und verließ den Raum. Nach erneutem Klingeln kam ein anderer Beamter, der die Situation sofort richtig einschätzte und die junge Frau mit aus der Zelle nahm.

Nun folgte das Warten. Eine Erklärung, wie lange ich festgehalten werden würde und ein Hinweis darauf, dass ich telefonieren könnte, wurden mir vorenthalten. Auf Klingeln hin wurde ich zur Toilette begleitet und konnte auch auf Bitten hin noch etwas aus meinem Rucksack holen. Es wurden kalte Getränke und Brote gebracht.

Gegen 23.00 Uhr, nachdem ich mich schon ca. siebeneinhalb Stunden in Gewahrsam befand, wurde ich ohne eine weitere Erklärung entlassen.

Dieses gesamte Vorgehen ist eines demokratischen Rechtsstaates unwürdig!

Dieses Protokoll über die gewaltfreie Blockade der US-Airbase Frankfurt am 29. März 2003 wurde am 4. April 2003 durch Barbara Fuchs veröffentlicht: via attac-Liste [globalisierungundkrieg] und darf zitiert/weiterverwendet werden. Für Kopien von Schriftstücken, worin Elfriede Krutsch zitiert wird oder ihr Protokoll verwendet, sind dankbar: Barbara-Fuchs [at] web [dot] de und hhLorenz [at] gmx [dot] net.
 

Ausgabe

Elfriede Krutsch, 53 Jahre, Ärztin, Mitglied der IPPNW (Internationale Ärzteorganisation gegen die atomare Bedrohung und Kriege, Ärzte in sozialer Verantwortung), Mitglied bei ATTAC Berlin.