Cilier Firtina (Verband der Vereine aus Kurdistan Gem. e.V., KOMKAR)

Redebeträge der Auftaktekundgebungen: Ost (Bonn-Beuel, Wasserwerk)

von Cilier Firtina

Liebe Freundinnen, liebe Freunde, meine Damen und Herren,

ich möchte zu Ihnen nicht über die Situation in Deutschland sprechen.

Ich bin die einzige kurdische Sprecherin hier und möchte am Beispiel der Kurden deutlich machen, welche Verantwortung Deutschland an den Fluchtursachen der Kurden trägt.

Die Bundesrepublik Deutschland pflegt gute Beziehungen zu den Staaten, die Kurdistan unter sich aufgeteilt haben: Türkei, Iran und Irak. Zum letzteren Staat ist die Beziehung momen­tan etwas gestört. Die BRD tut dies, obwohl sie weiß, daß in diesen Staaten die Menschenrechte mit den Füssen getreten werden.

Die mit Abstand beste Beziehung hat die Bundesrepublik Deutschland jedoch zu ihrem Bündnispartner Türkei - sowohl politisch als auch wirtschaftlich. Die Türkei hat in ihrer Re­gion einen besonderen Wert für die westlichen Staaten. Früher diente sie als Barriere zur Sowjetunion, heute ist sie eine Bar­riere gegen den stärker werdenden Fundamentalismus und ist eine Brücke für wirtschaftliche Beziehungen zu den ehemali­gen Sowjetrepubliken in Mittelasien. Außerdem haben sowohl die deutsche Regierung, als auch viele deutsche Firmen gute wirtschaftliche Beziehungen zur Türkei, aus denen sie profi­tieren. Aus diesen Gründen und nicht wegen einer histori­schen Freundschaft, wird die Türkei von Deutschland unter­stützt.

Diese Unterstützung beinhaltet Milliardenbeträge an Militär­hilfe, die Lieferung von schweren NVA- Waffen an die Tür­kei, die Ausbildung türkischer Militär- Sondereinheiten durch die Bundeswehr. Außerdem gehören noch Wirtschaftshilfen und gute diplomatische Beziehungen dazu, wodurch die Tür­kei auf internationalem Parkett salonfähig gemacht wird. Die Bundesrepublik Deutschland verwendet viel Energie darauf, zu beweisen, daß die Türkei ein demokratisches Land ist und spricht nicht über die Vorwürfe der Menschenrechtsverlet­zungen von internationalen und unabhängigen Menschen­rechtsorganisationen.

Im Juni dieses Jahres hat Außenminister Kinkel die Türkei be­sucht und diplomatische Begegnungen in Ankara gehabt. Verteidigungsminister Rühe war erst kürzlich in der Türkei. Durch diese diplomatischen Beziehungen ohne einen Ansatz von ernsthafter Kritik ist die Türkei darin bestärkt worden, auf ihrem Weg weiterzumachen.

Auf türkischem Staatsgebiet leben ca. 12 Millionen Kurden, die Menschenrechtsverletzungen aller Art ausgesetzt sind. Die kurdischen Provinzen stehen unter Ausnahmezustand. Diese Region wird von einem Super-Gouverneur verwaltet, der mit Sondervollmachten ausgestattet ist. Seit August 1990 sind die elementaren Menschenrechte in Kurdistan, wie auch dem Eu­roparat mitgeteilt wurde, offiziell suspendiert. Die kurdische Sprache ist nach wie vor verboten. Kurdische Parteien und Organisationen sind nicht zugelassen. Publikationen mit poli­tischem Inhalt werden unter dem Vorwurf separatistischer In­halte verboten und konfisziert.

Die Regierung der Türkei hat keines ihrer Versprechen hin­sichtlich einer politischen Lösung der Kurdenfrage erfüllt. Im Gegenteil, härter und gewalttätiger denn je geht die Türkei in Kurdistan vor. Unter dem Vorwand, die PKK zu bekämpfen, hat sie in den letzten Jahren über 500 Dörfer zerstört. Sirnak, eine kurdische Stadt mit 30.000 Einwohnern wurde vor kur­zem vollkommen zerstört. Mit Panzern und anderen schweren Waffen aus Deutschland wurde die Stadt kaputtbombardiert, die Menschen mußten fliehen. Nicht genug damit, greift die Türkei Kurden in den autonomen kurdischen Gebieten an und bombardiert die Siedlungen der Zivilbevölkerung. Diese An­griffe rechtfertigt sie damit, die PKK gejagt zu haben.

In welchem Land passieren so häufig Vorfälle von Verbren­nungen von Menschen durch Soldaten? Willkür und Staatster­ror herrschen in Kurdistan. In keinem anderen Land der Welt wurden innerhalb eines Jahres Hunderte von Menschen von den Schergen des Staates ermordet. Weder Meinungs- noch Pressefreiheit herrschen in der Türkei.

In den letzten Jahren sind 3 Millionen Menschen aus Kurdi­stan geflohen. Der größte Teil in die türkischen Großstädte, aus denen sie auch schon wieder vertrieben werden. Wenn Kurden mit deutschen Waffen ermordet werden, wenn ganze Städte mit deutschen Panzern dem Erdboden gleichgemacht werden und die Bevölkerung durch Zwangsumsiedlung ihrer Existenzgrundlage beraubt wird, dann haben die Bundesregie­rung und die politischen Parteien nicht das Recht, die Kurden daran zu hindern, in die BRD zu fliehen.

In Deutschland ist die Meinung verbreitet, die Asylbewerber kämen hierher, damit sie ohne zu arbeiten von Sozialhilfe le­ben können und ein bequemes Leben haben. Doch niemand verlässt sein Land, wenn es ihm dort gut geht.

Es steht außer Diskussion, daß die BRD Schuld ist an den Fluchtursachen. Es ist nicht ein Akt der Gnade, daß sie die kurdischen Flüchtlinge aufnimmt. Im Gegenteil- es ist ihre Pflicht! Durch eine Änderung des Art. 16 kann sie sich nicht aus der Verantwortung stehlen.

Wenn die BRD nicht will, daß die Kurden nach Deutschland fliehen, dann muß sie folgende Schritte unternehmen:

1.    Die deutsche Regierung muß die politische, wirtschaftliche und militärische Unterstützung der Türkei stoppen.

2.    Die BRD muß weitere Zusammenarbeit von der Einhaltung der Menschenrechte und der Achtung des Selbstbestim­mungsreches des kurdischen Volkes abhängig machen.

3.    Sie muß für die friedliche und gerechte Beilegung der Kur­denfrage die Verantwortung übernehmen und sich inter­national dafür einsetzen.

 

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