133 Menschen in Sicherheit

Rettung von Geflüchteten im Mittelmeer

von Kai Echelmeyer
Foto: Kai Echelmeyer / Sea Eye
Foto: Kai Echelmeyer / Sea Eye

Die ALAN KURDI der Organisation Sea Eye ist eines der Schiffe, die im Mittelmeer Geflüchtete retten. Am 19. September haben wir in drei Rettungen 133 Menschen vor dem Ertrinken und den libyschen Lagern gerettet. Sieben Tage später konnten wir unsere Gäste in Olbia auf Sardinien auf festen und sicheren Boden bringen. Ein weiterer langer und unrühmlicher Stand-off fand somit erst nach langem Warten ein Ende.

Anfang September begann unsere Mission in Burriana, Spanien. Nachdem die ALAN KURDI im Mai und Juni rund sechs Wochen in Palermo festgehalten worden war, wurde sie im Juni nach Burriana überführt. Die unrechtmäßige Blockade, gegen die Sea-Eye bereits Klage eingereicht hat, nutzte das Technik-Team des Vereins für einige Arbeiten am Schiff.

Somit fanden wir am 3. September die ALAN KURDI in einem sehr guten Zustand vor, als die Crew sich in Burriana einfand, um die Mission vorzubereiten. Die folgenden Tage nutzten wir vor allem für erste Trainings mit der gesamten Crew, für letzte kleinere Arbeiten am Schiff, und wir machten uns mit dem Alltag an Bord vertraut.

Die Crew der ALAN KURDI, die nach der Mission noch eine Quarantäne an Bord verbrachte, bestand aus 8 professionellen Seeleuten und 12 Freiwilligen aus Deutschland, Ghana, Österreich, Portugal und Spanien.
Am 11. September konnten wir dann sehr gut vorbereitet unsere Mission beginnen und erreichten am 16. September zunächst die maltesische und gegen Abend die libysche Such- und Rettungszone, wo wir scharf Ausschau hielten.

Nachdem wir am 18. September gegen Abend einen Notruf über das Alarmphone erhielten, steuerten wir die zuletzt gemeldete Position des Bootes in Seenot an, die wir gegen späten Abend erreichten. Nachdem wir die Suche in der Nacht einstellen mussten, erfuhren wir am nächsten Morgen, dass das Boot Lampedusa erreicht hatte.

So kehrten wir zu unserem Suchgebiet zurück und entdeckten gegen 11:30 Uhr ein Schlauchboot, das in Seenot geraten war. Mit 90 Menschen, darunter 6 Frauen und 52 Minderjährigen, war das Boot absolut überfüllt. Zum Glück konnten wir schnell alle Menschen in Sicherheit bringen. Noch während der ersten Rettung entdeckten wir gleich das zweite Boot in Seenot. So konnten wir um 14 Uhr 24 Menschen aus einem Holzboot retten, in das bereits Wasser lief. Dabei mussten wir extrem schnell sein, da sich bereits die Milizen, die sich „Libysche Küstenwache“ nennen, näherten, die regelmäßig Menschen zurück in das unsichere Bürgerkriegsland Libyen bringen, wo sie Ausbeutung, Schießereien und andere Menschenrechtsverletzungen erwarten.

Als die Milizen dann näherkamen, mussten wir leider sehen, dass auch diese viele Menschen an Bord hatten. So wurden wir Zeugen eines weiteren Pushbacks der durch die Europäische Union finanzierten Küstenwache.
Wenig später erreichte uns am Abend ein Notruf über das Alarmphone. Gegen frühen Abend konnten wir noch einmal 19 Menschen aus einem weiteren Boot retten, das in Seenot geraten war.

Nach der Rettung hatten wir insgesamt 133 Menschen an Bord, von denen 62 minderjährig und 10 Frauen waren.

Nach unseren erfolgreichen Rettungen machten wir uns dann auf den Weg in Richtung Norden und steuerten den nächsten sicheren Ort, Lampedusa, an. In den nächsten Tagen wollte kein europäisches Land die Koordinierung übernehmen. So fuhren wir weiter Richtung Malta, wo uns aber auch klar gemacht wurde, dass sie unsere Gäste nicht empfangen wollten. Nachdem wir dann zumindest zwei Kinder mit chronischen Krankheiten zusammen mit ihren Familien nach Lampedusa evakuieren konnten, steuerten wir unseren Port of Call Marseille an, da kein Land, weder Italien, noch Malta noch unser Flaggenstaat Deutschland die Koordinierung übernahm.

In der Nacht auf den 24. September übernahm Italien dann, auch auf Drängen von Frankreich, endlich Verantwortung und wies uns zum Wetterschutz zunächst den Hafen von Albatrax an, wo wir morgens vor Anker gingen. Am späten Nachmittag fuhren wir weiter nach Olbia, Sardinien, wo wir am Freitag, 25. September, gegen 8 Uhr ankamen und um 10 Uhr im Hafen lagen. Trotzdem dauerte es noch bis 17 Uhr, bis wir mit der Ausschiffung beginnen konnten, da die italienischen Behörden sehr schlecht vorbereitet und organisiert waren. So mussten unsere Gäste stundenlang bei starkem Wind und Kälte warten, und 61 von ihnen mussten noch eine weitere Nacht auf der ALAN KURDI verbringen, da die Italiener um 20:30 Uhr die Ausschiffung beendeten. Am 26. September um 13:15 Uhr konnte endlich der letzte Gast unser Schiff verlassen, und eine lange und anstrengende Blockade endete.
Insbesondere unseren Gästen, die die schwierige Situation auf unserem stark überfüllten Schiff geduldig und freundlich aushielten, ist es zu verdanken, dass diese Episode ein gutes Ende nahm.

Außerdem trug der starke Zusammenhalt der Crew, die ein gut funktionierendes Team bildete, stark dazu bei. Auch wenn alle einen sehr guten Job gemacht haben, möchte ich stellvertretend für alle unseren Kapitän Joachim, unseren Chief Mate Josh, die Köchin Vera, den Quartiermeister Corvin und den Guest Communicator Jonas erwähnen, die stark zum Erfolg dieser Mission beigetragen haben.

Auch wenn die Mission eine sehr anstrengende Zeit war, war sie doch auch sehr bereichernd. Die 133 Menschen, die wir retten und denen wir Hoffnung schenken konnten, sind eben nicht nur Opfer von Gewalt und Folter, worauf sie in Europa häufig reduziert werden, sondern sind eben Menschen wie du und ich – voller Träume und Lebensfreude. Mit ihnen zu reden, Schach zu spielen oder über Musik zu reden, hat mir noch einmal gezeigt, was der Kern unserer Arbeit ist und was auch die EU endlich verstehen sollte: jeder Mensch ist gleich, jeder Mensch ist wichtig und kein Mensch ist egal – unabhängig davon, wo er oder sie geboren ist.

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Kai Echelmeyer ist Aktivist bei der Seebrücke Bonn und seit einem halben Jahr angestellt bei der Organisation Sea-Eye als Referent für Mitglieder & Ehrenamt. Im September 2020 nahm er an der Mission mit der ALAN KURDI teil. Bei Fragen melden Sie sich unter kai.echelmeyer@sea-eye.de.