Stop shooting, start talking!

von Wera Reusch
Friedensbewegung international
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In der Menschenrechtsorganisation "Parents` Circle - Families Forum" haben sich israelische und palästinensische Familien zusammengeschlossen, die durch den bewaffneten Konflikt Angehörige verloren haben.

"Guten Tag. Sie sind verbunden mit ´Hello, Shalom, hello Salaam`", sagt eine freundliche Stimme, wenn man in Israel oder in den besetzten Gebieten die kostenlose Telefonnummer 6364 wählt: "Wenn Sie mit einem Israeli über Versöhnung, Toleranz und Frieden sprechen wollen, wählen sie bitte die 1. Wenn Sie mit einem Palästinenser über Versöhnung, Toleranz und Frieden sprechen wollen, wählen sie bitte die 2."

Seit Oktober 2002 gibt es den telefonischen Service, der so programmiert ist, dass israelische Anrufer mit palästinensischen Gesprächspartnern verbunden werden und umgekehrt. Hunderttausende von Anrufern haben seither die 6364 gewählt, um mit der "feindlichen" Seite zu sprechen. Eine überraschend starke Resonanz auf ein außergewöhnliches Projekt.

Eingerichtet wurde "Hello, Shalom, hello Salaam" von der Menschenrechtsorganisation "Parents` Circle - Families Forum", einer Gruppe palästinensischer und israelischer Hinterbliebener, die sich seit Jahren für einen Dialog zwischen beiden Seiten einsetzt. Da es kaum noch persönliche Kontakte zwischen Israelis und Palästinensern gibt, befürchten die Initiatoren, dass Angst, Hass und Misstrauen deshalb auf beiden Seiten immer mehr zunehmen werden - ein ideales Klima "für die Kriegsspiele von Sharon und Arafat".

"Wir glauben, dass Verhandlungen, Versöhnung und Dialog der einzige Weg sind, um Frieden zu erreichen", lautet das Credo der Organisation. Und Dialoge auf persönlicher Ebene sind nach Auffassung der Angehörigen ein entscheidendes Mittel, um die politische Führung beider Seiten dazu zu zwingen, sich an einen Tisch zu setzen. "Stop shooting, start talking": Das Motto, mit dem die Telefonaktion auf Plakaten beworben wird, kann auch für die zahlreichen anderen Aktivitäten des Familienforums gelten.

Der Dialog beginnt für die Organisation in den eigenen Reihen: Rund 250 israelische und 200 palästinensische Familien gehören dem von Yitzhak Frankenthal 1995 gegründeten Forum mittlerweile an. Sie alle haben durch den Konflikt Kinder, Eltern, Geschwister oder sonstige Angehörige verloren und treffen sich regelmäßig, um ihre Erfahrungen auszutauschen und Aktionen zu entwickeln, die weiteres Blutvergießen verhindern sollen.

Um die öffentliche Meinung auf palästinensischer wie israelischer Seite zu verändern, besuchen Mitglieder der Organisation außerdem regelmäßig Schulen. Fast tausend Diskussionsveranstaltungen mit insgesamt rund 50.000 Schülern haben die Mitglieder des Familienforums in den vergangenen zwei Jahren organisiert, um anhand ihrer persönlichen Leidensgeschichte bei den Jugendlichen für Frieden und Versöhnung zu werben.

Es gehört zu den makabren Aspekten dieses Konflikts, dass diese Organisation, die sich für Gewaltfreiheit und Verhandlungen einsetzt, nicht zuletzt deshalb großen Zulauf hat, weil immer mehr Familien Opfer zu beklagen haben. Allein seit Beginn der zweiten Intifada vor drei Jahren sind UNO-Angaben zufolge mindestens 2.755 Palästinenser und 830 Israelis umgekommen, darunter 460 palästinensische und 90 israelische Kinder.

"Parents` Circle - Families Forum" gehört zu den wenigen Menschenrechtsorganisationen, in denen Israelis und Palästinenser zusammenarbeiten. Auf internationalen Konferenzen und Treffen mit hochrangigen Politikern werden die Angehörigen beider Seiten nicht müde, immer wieder zu betonen: "Wenn sogar wir, die wir unsere Kinder durch diesen Konflikt verloren haben, es schaffen, uns zu verständigen, dann können die politischen Führer das auch."

Weitere Informationen: http://www.theparentscircle.com
 

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