Frankreich-Deutschland

Barbara – eine Geschichte über Versöhnung

von Outi Arajärvi

Ich lebe in Göttingen. Und es gibt ein über 50 Jahre altes Lied über Göttingen, komponiert und gesungen von einer Französin, von Barbara. Und die Umstände, wie das Lied entstanden ist, wie Barbara 1964 nach Göttingen kam – in der Zeit, wo es nicht sehr viel Austausch zwischen den ehemaligen Feindesländern gab - und hier im Garten des Jungen Theaters das Lied aufschrieb, ist eine Geschichte über Versöhnung und sie wirkt noch heute nach, weil sie noch immer Menschen berührt. Göttingen schenkt dieses Jahr, zum 20 Todestag von Barbara, der Geschichte viel Aufmerksamkeit, es gab eine Ausstellung im Städtischen Museum, am 22.10. wurde das Theaterstück „Barbara – Gegen das Vergessen“ uraufgeführt und der Göttinger Wallstein Verlag veröffentlicht die Memoiren von Barbara auf Deutsch.

Der damalige Intendant des Jungen Theaters, Günter Klein, lernte 1964 in Paris Barbara kennen und lud sie nach Göttingen ein. Barbara hatte überhaupt nicht vor, in Deutschland aufzutreten. Als jüdisches Kind hatte sie sich mit ihrer Familie vor den Deutschen in Vichy / Frankreich verstecken müssen. Aber Günter Klein konnte sie doch überzeugen, obwohl sie selbst sagte, dass sie nicht wüsste, warum sie doch zugesagt hatte und in Göttingen angekommen, es bereute. Vor allem als sie die Bühne sah, wo nur ein Klavier stand, obwohl sie im Vertrag auf einen schwarzen Flügel bestanden hatte. Im Laufe des Tages hatte es sich unter den Studierenden herumgesprochen, dass es ein Konzert mit einer französischen Sängerin geben sollte und nun hörten sie, dass es gefährdet sei, weil ein Flügel fehlte. Alle Hebel wurden in Bewegung gesetzt und im Nachbarhaus des Theaters bei einer alten Dame dann einer gefunden. Die Geschichte erzählt, dass zehn Studenten gebraucht wurden, um den Flügel die schmalen Treppen und durch den Garten zum Theater zu schaffen. Das Publikum wartete geduldig, bis das Konzert mit zwei Stunden Verspätung anfangen konnte. Barbara hatte ihre schlechte Laune überwunden, weil diese „Studenten so lustig“ waren und vor allem weil das Publikum sie begeistert feierte. Am nächsten Tag saß Barbara dann im Garten des Theaters und schrieb das Lied. Es erzählt von Hermann und Helga, von Fritz und Franz und von den Rosen in Göttingen: „Lasst diese Zeit nie wiederkehren und nie mehr Hass die Welt zerstören. Es wohnen Menschen, die ich liebe, in Göttingen. Doch sollten wieder Waffen sprechen, es würde mir das Herz zerbrechen! Wer weiß, was dann noch übrig bliebe von Göttingen, von Göttingen.“

In Deutschland kennen nicht sehr viele Menschen Barbara und ihre Chansons, aber in Frankreich war sie sehr bekannt und populär und dort kennen viele noch heute das Lied „Göttingen“, das Barbara bei jedem ihrer Konzerte sang. Sie sagte, dass sie gegen das Vergessen kämpfen muss. Und sie hat es geschafft, dass auch 20 Jahre nach ihrem Tod Menschen es nicht vergessen haben und an Versöhnung glauben.

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Outi Arajärvi arbeitet zum Thema Migration im Bereich Bildung und Forschung und ist Ko-Vorsitzende des Bundes für Soziale Verteidigung.