Waffenrückkaufprogramme in Ost-Slawonien, Baranja und West-Sirmium

von Derek Boothby
Krisen und Kriege
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Die englischsprachige Fallstudie "The UNTAES Experience: Weapons Buy-back in Eastern Slovonia, Baranja and Western Sirmium (Croatia) beschreibt die Arbeit der UN-Waffenrückkaufprogramme in der Region. Wir dokumentieren die deutschsprachige Zusammenfassung der 38-seitigen Broschüre. (Red.)

Ende 1995 wurde parallel zum Abkommen von Dayton, mit dem die Waffen in Bosnien und Herzegowina endlich zum Schweigen gebracht wurden, zwischen Serben und Kroaten über die Zukunft des letzten von Serbien besetzten Teils Kroatiens verhandelt. Dieses Gebiet, westlich der Donau, der natürlichen Grenze zwischen den beiden Ländern, war seit dem Fall des Zentralortes Vukovar im November 1991 unter der Kontrolle der Serben. Das Ergebnis dieser Verhandlungen wurde in Erdut, einem Dorf am Ufer der Donau, am 12. November 1995 unterzeichnet. Es sah vor, daß der UN-Sicherheitsrat eine Übergangsverwaltung einsetzte, die das Gebiet für einen bestimmten Zeitraum `regieren` sollte, und daß er eine internationale bewaffnete Truppe zur Sicherung des Friedens und der allgemeinen Sicherheit autorisierte.

Am 15. Januar 1996 gab der UN-Sicherheitsrat grünes Licht für eine zweijährige UN-Friedensmission in diesem Gebiet. Die Aufgabe der UNTAES (United Nations Transitional Administration in Eastern Slavonia, Baranja and Western Sirmium) war die friedliche Reintegration des Gebietes in die Republik Kroatien.

UNTAES war mehr als eine reine Friedensmission. Als `Regierung` hatte die Übergangsverwaltung weitreichende Verantwortung auch in zivilen Bereichen, wie z. B. die Einhaltung von Recht und Ordnung. Obwohl die ansässige serbische Armee im Juni 1996 entwaffnet worden war, gab es immer noch eine große Zahl von Waffen in den Händen der serbischen Bevölkerung. Dazu gehörten Gewehre ebenso wie Panzerabwehrraketen, Mörser, Minen und viele Typen von Munition.

Obwohl das Mandat der UNTAES nicht ausdrücklich vorsah, die Zivilbevölkerung zu entwaffnen, war es klar, daß solch eine Aktion nötig war, um überhaupt Recht und Ordnung einziehen zu lassen, um Frieden und Sicherheit zu gewährleisten und um die Rahmenbedingungen für die zukünftige Übergabe eines entmilitarisierten und sicheren Gebietes an die alleinige Kontrolle der kroatischen Regierung zu schaffen.

Die Option, in Razzien Waffen zu suchen und zu beschlagnahmen, wurde von den UNTAES verworfen, da man befürchten mußte, daß die Bevölkerung die UNTAES schnell als Besatzungsmacht ansehen würde. Man mußte andere Wege finden, ausreichende Anreize für die freiwillige Rückgabe von Waffen zu schaffen. Aus diesen Überlegungen entstand das Konzept eines Waffen-Rückkauf-Programms, das von der kroatischen Regierung finanziert wurde. Verhandlungen mit der kroatischen Regierung begannen im Juni 1996; im Oktober wurde man sich einig, und das Programm begann.

Zwischen dem 2. Oktober 1996 und dem 19. August 1997, dem Ende des Waffen-Rückkauf-Programms, wurden ca. 10.000 Gewehre, 7.000 Panzerabwehrraketen-Werfer, 15.000 Granaten und fast zwei Millionen Schuß Munition abgeliefert. Während des Programms konnte die Bevölkerung die Waffen an vier Sammelplätzen der UNTAES in der Region gegen Barzahlung und ohne Feststellung von Personalien abgeben. Kroatische Experten ermittelten die zu zahlenden Beträge und zahlten sie direkt bar an die Ablieferer aus. Dies geschah auf Wunsch der UNTAES, die kein Geld verwalten wollten, um auszuschließen, daß später irgendwelche Anschuldigungen über eine falsche Verwaltung des Geldes erhoben würden.

Funktionstüchtige Waffen wurden nach Zagreb gebracht und dort auf UN-Gelände bis zum Ende des UNTAES-Mandats im Januar 1998 verwahrt. Sie wurden dann den kroatischen Behörden übergeben. Alte, unbrauchbare oder gefährliche Waffen sowie sämtliche Munition wurden von der UNTAES zerstört.

Alles in allem war das Waffen-Rückkauf-Programm höchst erfolgreich. Natürlich wurden nicht alle Waffen von der Zivilbevölkerung abgegeben, aber jede einzelne Waffe und jeder Schuß Munition, die eingesammelt wurden, verminderten deren Gesamtanzahl und trugen zusammen mit vielen anderen Aspekten der Tätigkeit der UNTAES langsam aber sicher mit dazu bei, daß die Region von einem unsicheren Kriegsgebiet zu einem Gebiet wurde, in dem man sich wieder sicher aufhalten kann.

Beruhend auf den UNTAES Erfahrungen gibt es wenig Zweifel daran, daß ein Waffen-Rückkauf-Programm unter den richtigen Voraussetzungen - mit Bedacht geplant und sorgfältig durchgeführt - ein besonders sinnvoller Beitrag zu umfassenden Bemühungen um die Wiederherstellung von Frieden und Stabilität nach Bürgerkriegen ist.

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Autor der Fallstudie "The UNTEAS Experience: Weapons Buy-back in Eastern Slovenia, Baranja and Western Sirmium (Croatia)" und stellv. Internationaler Administrator von UNTEAS von Februar 1996 bis März 1997