Warum ist die Arbeit gegen Rüstungsexporte so erfolglos?!?

von Ute Schäfer

Die Kampagne "Produzieren für das Leben - Rüstungsexporte stoppen!", ein Zusammenschluß elf christlicher Organisationen wie Pax Christi, dem Versöhnungsbund, Ohne Rüstung Leben und der AG Frieden und Gerechtigkeit der Franziskaner arbeitet seit zehn Jahren für ein Verbot von Rüstungsexporten und die Umstellung der Produktion auf sozial und ökologisch nützliche Güter. Wir arbeiten eng zusammen mit der BUKO-Kampagne "Stoppt den Rüstungsexport!" und dem Rüstungsinformationsbüro Baden-Württemberg (RIB).

Ich bin von Anfang an dabei, seit April 1993 angestellt als Öffentlichkeitsrefe­rentin. Für das Friedensforum zu erläutern, warum die Arbeit gegen Rüstungsexporte so erfolglos ist, hat mich zunächst geärgert und in meiner Arbeit gestört. Angesichts von zehn Jahren Karnpa­gnenarbeit, Abbrückeln und Perspek­tivlosigkeit in der Friedens- und Solida­ritätsarbeit und dem schleichend sich ausbreitenden Gefühl von Machtlosigkeit, halte ich eine Zwischenbilanz aber doch für wichtig"'

Welche Nachrichten lassen die Arbeit gegen Rüstungsexporte so erfolglos erscheinen?  

  • Im weltweiten Geschäft mit Groß­waffen liegt Deutschland auf Platz 3, nach den USA und Rußland, bei Ma­rinesystemen ist die Bundesrepublik Marktführerin (Schwed. Friedensfor­schungsinstitut SIPRI im Juni 1993). In diesen Zahlen sind weder Kleinwaffen noch "dual-use-Güter" oder Waffen von strategischer Bedeutung wie z.B. Militär-LKWs oder. Kommunikationseinrichtungen enthalten.
  • Die öffentliche Empörung über die Aufrüstung des Irak und den Golfkrieg führte zu einer Erweiterung der Straftatbestände im Außenwirtschaftsgesetz und einer Erhöhung des Strafmaßes. Dies darf aber nicht da­von ablenken, daß nach wie vor der überwiegende Teil aller Rüstungsex­porte legal genehmigt ist bzw. die Bundesregierung selbst als Anbiete­rin auftritt.
  • Wie wenig Interesse die Bundesre­gierung an der Aufklärung illegaler Exporte hat, zeigt ihr Verhalten im Prozeß gegen deutsche Firmen (Karl K9lb/Pilot Plant/W.E.T.), die ange­klagt sind, Chemikalien, Anlageteile und komplette Anlagen für das-iraki­sche Chemiewaffenprogramm gelie­fert zu haben. Nur unwillig gab sie dem Gericht Akten der Vereinten Nationen über die Inspektion der Giftgasanlagen im Irak heraus. Nach Protesten des zuständigen Richters überhäufte sie das Gericht mit teils unsortierten Akten.

Diese Art von Meldungen bestimmt die öffentliche Meinung, auch die der Frie­dens- und Solidaritätsbewegung. Welche Erfolgsmeldungen lassen sich gegenüberstellen? Was können wir als Er­folg unserer Arbeit feststellen? Wie de­finieren wir politischen Erfolg? Generell bin ich der Meinung, daß unsere "Erfolgskultur" und "Erfolgskontrolle" unterentwickelt ist. Im Gegensatz zur Praxis unserer politischen Gegner in der Wirtschaft meinen wir, keine Zeit für Auswertung und Reflexion zu haben.

Also, was haben wir geschafft: Es ist in den letzten zehn Jahren gelungen, Rü­stungsexporte zum Thema in der Öf­fentlichkeit zu machen. Während noch Ende der siebziger, Anfang der achtzi­ger Jahre deutsche Exporte verdrängt  und geleugnet wurden, ist dies heute nicht mehr möglich.

Wir haben die Täter bekannt gemacht, sie haben einen Namen und eine Adresse. Die Opfer sind nicht mehr anonym, sie sprechen mit ihrer Ge­schichte, z.B. im Rahmen des Gebets­tags für die Opfer deutscher Rüstungs­exporte zum Tag der Menschenrechte am 10.12. Die Genehmigungsstrukturen sind bekannt, die politische Verantwor­tung der Regierung läßt sich nicht mehr mit dem Hinweis auf irgendwelche dun­klen Elemente abstreiten. Einzelne Exportgeschätte konnten verhindert wer­den, z.B. war der U-Boot-Export nach Taiwan politisch nicht durchsetzbar. Schwierig ist die Differenzierung, wel­che Ergebnisse aufgrund unserer Aktio­nen erzielt wurden und welche sonstigen Faktoren eine Rolle spielten.

1980 gelang es, die Militärelektro­nikausstellung (MEDE) durch gewaltfreien Widerstand aus der Stadt Wies­baden zu vertreiben. 1991 reichte ein Brief an den Wiesbadener Bürgermei­ster aus, um sicherzustellen, daß es in dieser Stadt keine Militärelektronikaus­stellung mehr geben wird. Die Zeit­schrift "Wehrtechnik" nannte das den "Druck der Straße"; es ist also durchaus registriert worden. Dieselbe Zeitschrift nimmt immer öfter indirekt Bezug auf. uns, wenn sie z.B. darauf hinweist, daß Gewehre und Munition aus NYA-Be­ständen nur sehr vorsichtig in die Türkei exportiert werden sollten, da mit öffent­lichen Protesten zu rechnen ist.

Der weltweite Rückgang der Rüstungs­ausgaben, die Kürzungen bei der Be­schaffung und damit verbundenen Ent­lassungen in der Rüstungsindustrie ha­ben unsere Warnungen der vergangenen Jahre bestätigt, daß Rüstungsar­beitsplätze extrem gefährdet und des­halb abzubauen sind. Die Verteter der Industrie müssen uns als Gesprächspart­ner akzeptieren, wir werden regional und überregional eingeladen, uns an Konversionsbestrebungen zu beteiligen.

Wir sind ein "Störfaktor" geworden, sowohl im Parlament als auch in Groß­organisationen wie z.B. den Gewerk­schaften und den Kirchen. Wir haben gute Kontakte zu ParlamentarierInnen, die wir für Anfragen nutzen. Wir wer­den als  Referentlnnen angefragt oder um Stellungnahmen gebeten. Es ist heute leichter, Rüstungsexport als Schnittpunktthema von Frieden, Gerechtigkeit und Ökonomie einzubringen.

Seit 1983 ist es gelungen, effektive Ar­beitsstrukturen aufzubauen. Das  Büro der Kampagne in Idstein ist mit einer Vollzeitstelle (Geschäftsführung/Pressearbeit) und ei­ner Teilzeitstelle für Öffentlichkeitsar­beit ausgestattet. Mit dem Rüstungsex­portarchiv des KOMZI e.V. haben wir eine produktive Bürogemeinschaft. Diese beiden Büros sichern eine fun­dierte Öffentlichkeitsarbeit und helfen, ein Netzwerk gegen Rüstungsexporte zu erhalten und weiter auszubauen. Die Kontinuität des Themas ist gesichert, wenn wir auch finanziell weiterhin massiv auf Unterstützung angewiesen sind.

All das zusammen ist sicher nicht ge­nug. Unsere politischen Gegner verfü­gen über ein Vielfaches an Finanzkraft und Macht. Die Bundesregierung nutzt mehr denn je Rüstungsexporte als Mittel der Außenpolitik (NYA-Schiffe nach Indonesien). Nur: Wie sähe diese Repu­blik ohne uns aus? Vor zwanzig Jahren sind wir, im Rahmen der Anti-AKW­-Bewegung, belächelt und angegriffen worden: Wie viele AKWs gäbe es heute, ohne diesen Protests, der behindert und Zeit für andere Entwicklungen geschaf­fen hat? Ich bin davon überzeugt, daß unser gewaltfreier Kampf langfristige Wirkungen hat, die vielleicht sogar die Perspektiven eines einzelnen Lebens überschreiten. Es gibt Erfolge, die jen­seits unseres Horizontes liegen: "Proteste, wenn auch in der Sache wir­kungslos, sind in den geistigen Gesamt­haushalt eingegangen, sie haben die Herzen gestärkt und die Hirne angstär­mer gemacht." (Rosa Luxemburg)

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Ute Schäfer ist Mitglied von Pax Christi Idstein.