Feministische Außenpolitik und Klimagerechtigkeit

Was hat Klimagerechtigkeit mit Feminismus zu tun?

von Gotelind Alber
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Feministische Außenpolitik ist ein hoher Anspruch, sofern Feminismus die Überwindung des Patriarchats meint. Inwieweit dieser Anspruch mit staatlicher Politik eingelöst werden kann, ist fraglich. Eine maßgebliche Einbindung der Zivilgesellschaft, und dabei besonders von Frauenrechtsorganisationen und marginalisierten Gruppen im Sinne von intersektionalem Feminismus, ist deshalb essenziell.

Die Forderung nach Klimagerechtigkeit geht von der Erkenntnis aus, dass der Klimawandel ein zutiefst ungerechtes Phänomen ist: Diejenigen, die am wenigsten zum Klimawandel beitragen, sind oft am stärksten von seinen Auswirkungen betroffen. Dies gilt nicht nur international, also zwischen Globalem Norden und Süden, sondern auch für die soziale Kluft zwischen privilegierten und unterprivilegierten Menschen in jedem Land. Geschlecht ist dabei ein zentraler Faktor der Ungleichheit.

Bekannt und häufig thematisiert ist, dass die Vulnerabilität gegenüber den Auswirkungen des Klimawandels geschlechtsspezifisch ist. Meist – nicht immer – sind es Frauen, die stärker betroffen sind, und zwar nicht weil Frauen per se anfälliger sind, sondern aufgrund struktureller Benachteiligungen. Dabei spielen Faktoren wie die Zuständigkeit für Sorgearbeit eine Rolle, geringeres Einkommen und Vermögen, eingeschränkter Zugang zu Land, informelle Arbeit sowie das Risiko, von geschlechtsspezifischer Gewalt betroffen zu sein.

Vulnerabilität ist nicht der einzige Aspekt des Klimawandels, bei dem Geschlecht eine Rolle spielt. Nachgewiesen sind beispielsweise Unterschiede bei Einstellungen, Bewertungen und Präferenzen sowie beim Mobilitäts-, Ernährungs- und Konsumverhalten. Hinzu kommen strukturelle Ursachen hoher Emissionen, die mit der geschlechtsspezifischen Arbeitsteilung zusammenhängen, etwa räumliche Strukturen, die zu hohem Verkehrsaufkommen führen.

Und schließlich führen auch klimapolitische Maßnahmen zu unterschiedlichen Wirkungen auf die verschiedenen Geschlechter. Klimaschutz- und Anpassungspolitiken können sich negativ auf die Geschlechtergerechtigkeit auswirken, wenn nicht beabsichtigte soziale und Genderwirkungen ignoriert werden. So trifft etwa ein CO2-Preis Menschen mit geringerem Einkommen vergleichsweise stärker, da die Energiekosten einen höheren Anteil ihrer Ausgaben ausmachen. Dazu gehören mehr Frauen aufgrund ihrer geringeren Gehälter und Renten. Subventionen wie Pendlerpauschale und Dienstwagenprivileg dagegen begünstigen vor allem Männer, während die Mobilität für Sorgearbeit, die vor vorwiegend von Frauen erbracht wird, leer ausgeht.

Was ist zu tun?
Klimagerechtigkeit auf internationaler und auch auf nationaler und lokaler Ebene muss einer der Grundpfeiler feministischer Außenpolitik sein, mit einem rechtebasierten Ansatz, der die Anerkennung der Rechte aller Geschlechter einschließt. Ferner müssen die strukturellen Ursachen von Diskriminierung in den Blick genommen werden, um auf transformatorische Veränderungen hinzuwirken. Zudem müssen die Verknüpfung zwischen Gender, Klimakrise und Konflikten berücksichtigt werden, um menschliche Sicherheit zu priorisieren. Gesellschaftliche und technologische Risiken müssen minimiert werden.

Limitierungen der Genderdebatte in der Klimapolitik müssen überwunden werden
Fragen der Geschlechtergerechtigkeit sind nicht nur für den Globalen Süden relevant. Es gibt zahlreiche Belege dafür, dass die geschlechtsspezifischen Ursachen des Klimawandels, seine Auswirkungen und die Effekte von Maßnahmen zum Klimaschutz und zur Anpassung auch für Industrieländer von großer Bedeutung sind. Deshalb muss alles, was vom Globalen Süden in Richtung Geschlechtergerechtigkeit gefordert wird, auch auf der nationalen Ebene konsequent im Sinne geschlechtergerechter Politiken und Maßnahmen umgesetzt werden. Andernfalls wäre die Klima-Außenpolitik nicht feministisch, sondern paternalistisch.

Feminismus darf sich nicht ausschließlich um Frauen drehen, sondern muss alle Geschlechter einbeziehen, auch LGBTIQ* und auch diejenigen adressieren, die vom patriarchalen System profitieren und deren Privilegien beschnitten werden müssen. Zudem braucht es eine intersektionale Perspektive, um die Wechselbeziehungen mit anderen sozialen Ungleichheiten und Machtverhältnissen einzubeziehen.

Dabei geht es nicht nur um Unterschiede, etwa im Einkommen oder im Konsumverhalten. Die zugrundliegenden Ursachen und die daraus resultierenden Auswirkungen geplanter Maßnahmen müssen untersucht werden, um die Maßnahmen geschlechtergerecht gestalten zu können.

Internationale Klimapolitik
In der internationalen Klimapolitik muss der Genderaktionsplan (UNFCCC Gender Action Plan) weiterentwickelt werden, vor allem um die Forderung nach Genderüberprüfungen aller klimapolitischen Maßnahmen zu stärken. Daran sollte sich Deutschland aktiv beteiligen und Methoden und Beispiele für geschlechtergerechte Maßnahmen bereitstellen.

In der Klimafinanzierung muss die Umsetzung von Geschlechtergerechtigkeit gesichert werden. Genderanalysen des größten Finanzierungsinstrumentes, des Green Climate Fund, zeigen, dass trotz der bereits relativ weit fortgeschrittenen Verankerung von Gender, viele reale Projekte bisher nicht den Erfordernissen von Gender Mainstreaming genügen.

In den eigenen klimapolitischen Förderprogrammen zur Zusammenarbeit mit Drittländern muss Deutschland mit gutem Beispiel vorangehen und Geschlechtergerechtigkeit sowohl in den Förderkriterien, als auch in der Bewertung von Anträgen und im Monitoring wirksam verankern. Zudem sollten verstärkt Maßnahmen unterstützt werden, die im Gender Aktionsplan der UNFCCC enthalten sind, wie Kapazitätenstärkung und Erfahrungsaustausch zur Entwicklung gender-responsiver Strategien und Programme sowie die Förderung der informierten Teilnahme von Frauen in nationalen Delegationen und von Grassroots-Organisationen, lokalen und indigenen Gemeinschaften.

Die deutsche feministische Außenpolitik muss in den UNFCCC-Verhandlungen auf eine angemessene Finanzierung von Schäden und Verlusten drängen und selbst mit gutem Beispiel vorangehen. Die Kompensation von Schäden und Verluste erfordert Bestimmungen, die der Geschlechtergerechtigkeit Rechnung tragen. Dabei muss berücksichtigt werden, dass Frauen häufig von informeller Arbeit und informellem Zugang zu Ressourcen abhängig sind, was die Schadensregulierung erschwert.

Nationale Klimapolitik
Um feministische Klima-Außenpolitik glaubwürdig zu vertreten, muss auch die nationale Klimapolitik feministisch sein. Nach ersten Schritten in den letzten Jahren sind allerdings derzeit keine feministischen Ansätze in der nationalen Klimapolitik erkennbar.

Die nächsten notwendigen Schritte sowohl für die Klima-Innen- wie auch die Klima-Außenpolitik sind, die Erkenntnisse der Genderforschung bei Entwicklung klimapolitischer Programme und Maßnahmen zu berücksichtigen, die Datengrundlage zu verbessern, Genderkompetenz und -expertise in der Klimapolitik in den Institutionen zu stärken und externe Expertise einzubeziehen, klimapolitische Vorhaben auf Geschlechtergerechtigkeit zu überprüfen und regelmäßig zu evaluieren und die Klimaschutz- und Anpassungsprogramme sowie Förderprogramme deutlich stärker auf gesellschaftliche und soziale Transformation auszurichten.

Literatur zu Gender und Klimapolitik in Deutschland:
Gotelind Alber, Diana Hummel, Ulrike Röhr, Meike Spitzner, & Immanuel Stieß (2018). Geschlechtergerechtigkeit und Klimapolitik. https://www.bpb.de/shop/zeitschriften/apuz/269306/geschlechtergerechtigk...
Spitzner, M., Hummel, D., Stiess, I., Alber, G., und Röhr, U. (2020). Interdependente Genderaspekte der Klimapolitik (S. 240). Umweltbundesamt. https://www.umweltbundesamt.de/publikationen/interdependente-genderaspek...

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Gotelind Alber ist Mitgründerin und Vorstandsmitglied des globalen Netzwerks GenderCC-Women for Climate Justice, das sich für eine geschlechtergerechte Klimapolitik auf allen Ebenen einsetzt. Sie arbeitet als selbstständige Beraterin und Wissenschaftlerin im Bereich Gender, Energie und Klima.