"Wenn Serbien jetzt keine Unterstützung vom Westen erhält, regiert Milosevic ewig"

von Beate Roggenbuck
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Sonja Licht, prominente und langjährige Vertreterin der serbischen Opposition und Präsidentin der jugoslawischen Soros Stiftung (Fund for an open society Yugoslavia) warnte auf einem Treffen in Bonn eindringlich davor, die notwendige Aufbauhilfe für Jugoslawien von dem Sturz Milosevic abhängig zu machen.

Die Aufbauhilfe sei dringend notwendig, da sie sonst die Gefahr sieht, dass es zu weiteren Radikalisierungen und Einigelungstendenzen in der Bevölkerung kommen wird. Genausowenig wie die Argumentation, dass die NATO mit ihren Bombardierung nur das Milosevic-Regime treffen wollte, in irgendeiner Form für die Bevölkerung Serbiens nachvollziehbar war, wird auch eine drohende Koppelung von Hilfsgeldern an den Sturz Milosevic die Menschen nur weiter verbittern und das Gegenteil erreichen.

"Die Menschen wissen, was sie von Milosevic zu halten haben" berichtet Frau Licht. Ein Symptom für die jetzige Stimmung sind Witze über Milosevic und seinen Familienclan, die sich hart am Rand der Geschmacklosigkeit befinden und die innere Distanz und Verachtung dem Regime gegenüber signalisieren. Sonja Licht hofft langfristig darauf, dass sich diese innere Emigration, in die sich viele zurückgezogen haben, wieder aufweichen und erneut zu einer Stärkung der demokratischen Opposition wandeln lässt, wie schon im Winter 1996/97, als Zehntausende wochenlang protestierten. "Wir - die westlichen Politiker, aber auch die serbische Opposition - dürfen nicht den Fehler machen, nur auf Milosevic zu starren, sondern statt dessen müssen demokratische Oppositionelle unterstützt werden als künftiges Gegengewicht."
 

Wichtig für die Förderung der Demokratisierung in Serbien ist es, dass auf allen Ebenen wieder Kontakte aufgebaut werden oder neu entstehen. Ein ausgezeichnetes Mittel seien z.B. Städtepartnerschaften, prominentes Beispiel ist hier die Stadt Dortmund, die aufgrund ihrer Partnerschaft mit Novi Sad für den Wiederaufbau einer Brücke Spenden sammeln will, was auch eine starke symbolische Bedeutung hat. Weiterhin muss die Kommunikation zwischen den NGOs verstärkt werden, aber auch die zwischen Gewerkschaften, Kirchen und Politikern, um einen Transformationsprozess zu initiieren. Sonja Licht regte dringend an, eine große Konferenz mit den verschiedenen Institutionen dazu zu veranstalten.

Zentral für die jugoslawische Gesellschaft ist neben der politischen und psychologischen Öffnung zum Westen hin auch die Beschäftigung mit den begangenen Kriegsverbrechen im Kosovo. Sonja Licht sieht hier eine enge Verknüpfung mit der Anerkennung des eigenen Vertreibungstraumas der Krajina-Serben. Nur wenn diese Vertreibung auch international diskutiert wird, sieht sie die Chance, dass die serbische Bevölkerung sich den Verbrechen ihrer Armee und der Paramilitärs im Kosovo stellt.

Und wie hat sie persönlich es geschafft, mit den Bombardierungen fertig zu werden? "Wir haben nie einen Luftschutzkeller aufgesucht", berichtet Frau Licht. Sie hat sich aber in dieser angespannten Zeit auch politisch nicht zurückgezogen aus Angst vor Repressalien, obwohl sie im Parlament von dem Radikalen Seselj öffentlich angegriffen wurde. Die Devise dieser couragierten Frau lautet: "Die Angst darf uns nicht lähmen, es ist möglich, Oppositionsarbeit in Serbien zu betreiben."

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Beate Roggenbuck ist Mediatorin BM, Trainerin und war Vorstandsmitglied von „Den Krieg überleben“ von 1994 – 2002.