Kurzbericht über eine wissenschaftspolitische Konferenz zum NATO-Krieg gegen Jugoslawien

... worüber wir nachdenken müssen

von Tobias Damjanov
Friedensbewegung international
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Eine der den NATO-Krieg auswertenden Konferenzen stand unter dem Titel "Der Krieg - Analyse eines Exempels. Frieden auf dem Balkan? Lehren aus dem Krieg in Kosovo. Worüber wir nachdenken müssen". Sie zog am 8. und 9. Oktober über 250 TeilnehmerInnen nach Hamburg, und stellte schon in ihrer Anlage eine Besonderheit dar: Denn es gelang durch die ungewöhnliche Zusammensetzung des Veranstalterkreises aus Wissenschaftsverbänden und Organisationen der deutschen Friedens-, Umwelt- und Menschenrechtsbewegung, den vorgegebenen Anspruch einzulösen, Wissenschaft und Praxis zusammenzuführen.

"Über allem", so war in der Einleitung die Orientierung dieser Konferenz beschrieben worden, stünde nämlich "die Frage, wie Friedensbewegung, Pazifismus, Antimilitarismus, Gesellschaftskritik und Wissenschaft damit umgehen, daß ihre - unterschiedlichen - Einsichten und Engagements jetzt als widerlegt erscheinen."

In Plenarbeiträgen und den fünf Foren wurde das Bemühen deutlich, zur Widerlegung der Argumente zugunsten des NATO-Eingriffes noch mehr Fakten und Analysen zusammenzutragen. In deutlichem Unterschied zu manch anderen überregionalen Zusammenkünften zu diesem Themenbereich ging es nicht um deklaratorische Positionsbestimmungen, sondern um die Findung gemeinsamer Analyseansätze, wieso uns ein Krieg als Mittel zum Schutz von Menschenrechten verkauft werden kann, der - vorhersehbar! - genau das Gegenteil dessen bewirkte, was er vorgeblich beanspruchte.
 

Die inhaltlichen Schwerpunkte der Konferenz waren durch den realen Verlauf des letztlich, aber mitnichten zwangsläufig zum Krieg führenden Konflikt vorgegeben. So beschäftigten sich die TeilnehmerInnen zum einen mit den konkreten Problempunkten wie der zugrundeliegenden NATO-Politik, der gesamten Bandbreite aller Folgeschäden des Krieges und den völkerrechtlichen Fragestellungen einschliesslich nationaler Flüchtlingsrechte sowie nicht zuletzt den Kriegsrechtfertigungen und Einflüssen der Medienpolitik. Zum anderen berücksichtigte die Konferenz aber auch die Historie der Konfliktentstehung, grundsätzliche Fragen nach dem Zusammenhang von Krieg, Militär und Geschlecht sowie Alternativen, Opposition und Widerstand in der BR Jugoslawien. Bei dieser Themenfülle ist es natürlich nicht möglich, im Rahmen des hier zu Verfügung stehenden Platzes einen erschöpfenden Überblick zu präsentieren: Deswegen sei hier nachdrücklich die Bestellung der Beiträge aus Plenen und Foren empfohlen, die gegenwärtig in einer Broschüre zusammengefasst werden.

Was bleibt, sind sicherlich Erwartungshaltungen: Dass dies z.B. nicht eine Eintagsfliege war, die nur unter dem Druck des historisch-politischen Einschnitts zustande kam, den der NATO-Krieg und die deutsche Beteiligung konstituiert haben; auch, dass es möglich sein müsste, für andere und zukünftige Konfliktkonstellationen ein solches Zusammenwirken von Aktiven aus kritischer Wissenschaft und sozialen Bewegungen präemptiv zustande zu bringen - und nicht zuletzt die Erwartung, die Konferenz möge zu weiterer Motivation beigetragen haben, sich gegen die (vor-)herrschende Auffassung zur Wehr zu setzen, dass Krieg letztlich doch das Mass aller Dinge sei. Ein nicht nur allein persönlicher Eindruck war überdies, dass mit dieser Konferenz den sogenannten "Aktivisten" aus der Friedensbewegung die Möglichkeit sehr entgegenkam, hier auch einmal Argumente und Herangehensweisen wissenschaftspolitischer Kritiker des Krieges kennenlernen zu können.

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Tobias Damjanov war Mitglied des Veranstalterkreises in Hamburg.