Redebeitrag zur Hiroshima-Gedenkveranstaltung am 6. August 2019 in Rostock

 

Hiroshima mahnt und fordert uns auf: Nie Wieder zulassen!

 

- Es gilt das gesprochene Wort -

 

Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Freundinnen und Freunde,

Was vor 74 Jahren am 6. August und am 9. August geschah, lässt sich in den dürren Worten einer Gedenkrede nicht beschreiben, Gedichte, Augenzeugenberichte und Bilder können das unermessliche menschliche Leid eindrücklicher erfassen. Als Ärztinnen und Ärzte können wir nur sagen: In einem solchen Fall können wir Euch nicht mehr helfen und behandeln. Das dürfen wir nicht verdrängen.

Deshalb gilt es, alles zu unternehmen, eine solche Katastrophe für alle Zukunft zu verhindern. Um eine solche Sicherheit für die Sicherung unserer Menschheit zu erreichen, bedarf es der völkerrechtlich verbindlichen vertraglichen atomaren Abrüstung auf Null; die Ächtung dieses Massenvernichtungsmittel für alle Zeiten. Der durch die Zivilgesellschaft erkämpfte, bisher von 122 Staaten gebilligte, von 70 Staaten unterschrieben und am heutigen Tag von dem 25. Staat ratifizierte Vertrag tritt in Kraft, wenn 50 Staaten diesen Vertrag ratifiziert haben. Die deutsche Bundesregierung weigert sich beharrlich, diesem Vertrag beizutreten. Der Hintergrund: Sie müsste die sowieso völkerrechtswidrige atomare Teilhabe aufgeben. Deutsche Soldaten üben nämlich täglich von Büchel aus den Atomwaffenabwurf. Diese gefährlichen Massenvernichtungsmittel lagern u.a. auch noch auf deutschen Boden und sollen ab 2025 durch neuere flexiblere und damit einfacher einsetzbare ersetzt werden. Das ist eine Politik der Macht und Vorherrschaft. Sie ist von gestern.

Die atomare Teilhabe verstößt gegen den §2 des Nichtverbreitungsvertrages (NPT), den die Bundesrepublik Deutschland beigetreten ist. Seit vielen Jahren wird deshalb mit Zivilen Ungehorsam und anderen Protestmethoden auf dieses schwere Unrecht aufmerksam gemacht, dazu Prozesse geführt und sogar ins Gefängnis gegangen. Viele IPPNW – Mitglieder praktizieren oder unterstützen diesen Widerstand.

Der Druck von unten muss allerdings verstärkt werden: Hilflos schaut die Bundesregierung zu, wie ein Abrüstungsvertrag und der nächste aufgehoben und damit das internationale atomare Abrüstungssystem kurz vor dem Zusammenbruch steht. Seit einigen Tagen ist der wichtige und wertvolle INF Vertrag Geschichte. Die Zeiten stehen wieder auf atomare Aufrüstung. Atomar bestückte Mittelstreckenraketen drohen in Asien und Europa eine neue atomare Aufrüstungsspirale in Gang zu setzen. Der Nahe Osten, sowieso schon ein Pulverfass, droht durch die einseitige Kündigung des Vertrages mit dem Iran, ein neues unkontrolliertes atomares Aufrüsten. Ein Atomkrieg soll wieder technisch führbar gemacht werden.

Die Atomwissenschaftler warnen: Es ist 2 Minuten vor 12 Uhr, der atomaren Katastrophe, so nah wie seit 1953 nicht mehr. Weitere Instabilitäten und globale Krisen wie der Klimawandel verstärken die Entwicklung hin zum atomaren Ende der Menschheit.

Es gibt aber auch hoffnungsvolle Gegenentwicklungen: Die Wahrnehmung der Gefahr nimmt zu, unverändert ist die Zustimmung zu mehr Anstrengungen in der atomaren Abrüstung in der deutschen Bevölkerung hoch. Die atomare Abschreckung mit dem Konzept der gegenseitigen atomaren Vernichtung aus dem Kalten Krieg wird nicht mehr als Sicherheit empfunden, wie es uns lange politisch „verkauft“ wurde. Die einzige Sicherheit ist die gemeinsame Lösung der anstehenden Menschheitsprobleme. Immer mehr Städte und Gemeinden schließen sich dem Atomverbotsvertrag und ICAN an, Rostock wird hoffentlich im nächsten Jahr dazu kommen. Das wird nur durch Druck von unten geschehen, durch uns selbst, nicht durch Einsicht der politischen Entscheidungsträger. Durch die Bewegung von unten werden auch Prozesse des zivilen Ungehorsams möglich, die bis hinauf zum Bundesverfassungsgericht eine Klage gegen den fortgesetzten Völkerrechtsbruch verfolgen. Die erste Eingabe wurde gemacht, bis zum nächsten 75. Hiroshimagedenktag ist mindestens eine zweite in Karlsruhe anhängig.

Diese zarten Hoffnungsträgerpflanzen, lasst sie uns hüten, weiter schützen und wachsen. Ich bin mir sicher, unsere verstärkten Anstrengungen werden zum Ziel führen. Die junge Friday for Future Bewegung macht uns es vor.

Ich danke Ihnen.

 

Dr. Brig Meisel ist aktiv bei der IPPNW-Regionalgruppe Rostock.