Redebeitrag für die Hiroshima / Nagasaki-Gedenkveranstaltung am 6. August 2021 in Bremen

 

- Sperrfrist: 6.8., Redebeginn: 16 Uhr -
- Es gilt das gesprochene Wort –

 

Liebe Freundinnen und Freunde,

Hiroshima am 6. August 1945 um etwa 8.00 Uhr nähert sich der bis dahin unzerstörten Stadt nicht etwa ein laut dröhnendes Bombergeschwader, sondern nur ein Flugzeug. Vielleicht hielten es die Menschen für ein Aufklärungsflugzeug. Um 8.16 Uhr dann brach die von Menschen gemachte Hölle über die Stadt. Eine Hölle, die eigentlich für das Ruhrgebiet geplant war. Deutschland wurde von der Atombombe nur deshalb verschont, weil der Krieg hier am 8. Mai zu Ende war.

In Hiroshima verschlang das Höllenfeuer auf einen Schlag 70.000 Menschen, schuldige Kriegstreiber, aber vor allem Unschuldige – Kinder, Frauen, Männer, Alte und eine große Zahl koreanischer Zwangsarbeiterinnen und -arbeiter. Bis 1950 haben die nach heutigen Maßstäben kleinen Bomben über Hiroshima und Nagasaki etwa 230.000 Menschen das Leben genommen. Und noch heute 76 Jahre nach dem Atombombenabwurf leiden Menschen unter der Verstrahlung.

In den Kirchen und unter den Christen hat das unsäglich Leid, das im 2. Weltkrieg über Europa und Asien hereingebrochen ist, zu einem Umdenken geführt. Sprach man bis dahin vom gerechten Krieg, hieß es nun: Krieg darf nach Gottes Willen nicht sein. Man entdeckte die Propheten des Friedens in der Bibel, die davon sprachen, dass nach Gottes Plänen die Schwerter zu Pflugscharen und die Spieße zu Sicheln gemacht werden sollen. Kein Volk soll wieder das andere das Schwert erheben und sie sollen hinfort nicht mehr lernen Krieg zu führen. Ein jeder soll unter seinem Weinstock und Feigenbaum wohnen und niemand soll sie schrecken. Beim Propheten Hosea heißt es z.B.: So spricht Gott: Ich will Bogen, Schwert und Rüstung im Land zerbrechen und will sie sicher wohnen lassen. In der Bergpredigt sagt Jesus Christus: Selig sind die Friedensstifter, denn sie werden Gottes Kinder heißen.

Kirchen und Christen haben leidenschaftlich gegen die von Franz Josef Strauß geplante atomare Bewaffnung der Bundeswehr gekämpft. Der damalige Kirchenpräsident in Hessen Martin Niemöller sagte:

Ich persönlich könnte mir keine Situation vorstellen, in der ich auf die Frage: „Herr, was willst du, dass ich tun soll?“ von Gott die Antwort erhielte: „Wirf eine Atombombe“.

Nach vielen Jahren intensiver Diskussionen und Auseinandersetzungen ist es in der evangelischen Kirche Konsens, für ein Nein ohne jedes Ja zu Geist, Logik und Praxis der atomaren Abschreckung einzutreten. Die Kirchen denken nicht mehr über den gerechten Krieg nach, sie such nach Wegen des gerechten Friedens.

 

Liebe Freundinnen und Freunde,

dieser Sinneswandel in den christlichen Kirchen ist wohl der Grund dafür, dass, solange es diese Hiroshimagedenkstunde hier auf dem Marktplatz gibt, immer auch engagierte Christinnen und Christen mit dabei waren und immer noch sind.

Mag sein, dass einige fragen, ob dieses Gedenken am 6. August vielleicht ein überholtes Ritual ohne Auswirkungen für eine friedlichere Welt ist. Dagegen sage ich: Wir achten mit dieser Gedenkstunde darauf, dass das Feuer des Friedens nicht ausgeht.

Früher sagte man: Wer den Frieden will, bereite den Krieg vor. Wir sagen: Wer den Frieden will, kämpfe für den Frieden.

Die tagesaktuellen Nachrichten verdunkeln manchmal, dass sich etwas tut in dieser immer noch von der atomaren Vernichtung bedrohten Welt.

Anfang dieses Jahres wurde der Vertrag der Vereinten Nationen über das Verbot von Atomwaffen geltendes Völkerrecht.

56 ehemalige Staats- und Regierungschefs aus 20 NATO-Staaten, darunter Joschka Fischer und Rudolf Scharping, fordern eine Kehrwende in der Atomwaffenpolitik ihrer Länder.

Hundert deutsche Städte, darunter Bremen mit allen deutschen Landeshauptstädten appellieren an die Bundesregierung, dem Atomwaffenverbotsantrag beizutreten.

Eine überaus große Mehrheit der deutschen Bevölkerung nämlich 83% wollen, dass die US-Atomwaffen komplett aus unserem Land abgezogen werden. 92% sind dafür, dass Deutschland dem Atomwaffenverbotsvertrag beitritt.

Der Frankfurter Appell, der bewusst an den Krefelder Appell anknüpft, fordert abrüsten statt aufrüsten und sammelt Unterschriften wie vor 40 Jahren.

Es tut sich etwas, aber leider noch nicht genug. Noch immer hält die Bundesregierung an dem Sicherheitskonzept der atomaren Teilhabe fest – wohl in der irrigen Annahme, damit einen Einfluss auf den Einsatz von Atomwaffen zu haben.

Aber die Entscheidung darüber liegt allein beim

US- Präsidenten. Doch das Konzept der atomaren Teilhabe macht einen Kauf neuer atomwaffenfähiger Flugzeuge notwendig, die Milliarden kosten.

Auch das unsinnige Ziel 2% des Bruttosozialprodukts für den Verteidigungshaushalt bereit zu stellen verschlingt Ressourcen, die dringend wo anders gebraucht werden.

Wie wollen wir denn dem Klimakollaps begegnen, die Folgen der Pandemie und der Flutkatastrophen tragen und die sich vertiefende Spaltung unserer Gesellschaft überwinden? Das geht doch nur, wenn wir abrüsten und nicht aufrüsten.

Es bleibt also noch viel zu tun, lassen wir uns also in unserem Engagement nicht beirren.

Wer den Frieden will, muss für den Frieden kämpfen.

 

Louis-Ferdinand von Zobeltitz ist Pastor i.R. und lebt in Bremen.