Redebeitrag für den Ostermarsch Bielefeld am 20. April 2019

 

- Sperrfrist: 20. April 2019, Redebeginn: 13 Uhr -

- Es gilt das gesprochene Wort -

 

Liebe Freundinnen und Freunde,

„Wir haben die Erde nur von unseren Kindern geliehen.“ Dieses indianische Sprichwort begleitet mich, seitdem ich mich in den 80iger Jahren wie Hunderttausende in meiner Generation für die Abschaffung von Atomwaffen und Atomenergie, und für den Frieden engagiere.

„Wir haben die Erde nur von unseren Kindern geliehen.“ Die Bedeutung dieses Sprichworts ist aktueller denn je, heute, wo Hunderttausende junge Menschen – weltweit - energische Maßnahmen zum Stopp des Klimawandels einfordern, für eine nachhaltige Zukunft für uns Menschen und die Umwelt auf unserem Planeten.

So wie wir in den 80iger Jahren, m Angesicht eines drohenden Atomkriegs in großer Angst und Sorge um unsere Erde waren, so artikulieren SchülerInnen und StudentInnen heute jeden Freitag ihre Sorge und Angst um die Zukunft unseres Planeten. „Es gibt keinen Planet B“, rufen sie. Auch ein nur regionaler Atomkrieg würde unsere Erde heute verwüsten, es ist daher eine konstruktive Panik, eine konstruktive Angst, die uns Menschen zu Lösungen führt.

Die Klimakatastrophe ist die größte Bedrohung für das 21. Jahrhundert, die Zeit zum Handeln drängt. Und was macht die Bundesregierung? Sie schiebt die notwendigen klimapolitischen Entschlüsse und Maßnahmen auf den Verschiebebahnhof der Zukunft. 2038 ist als Enddatum für den Kohleausstieg benannt und 14 Milliarden Euro sollen, über 20 Jahre verteilt, als Finanzhilfe vom Bund, bezuschusst werden. Für eine Politik der Aufrüstung sind schon jetzt 43 Milliarden jährlich da!

43 Milliarden jährlich, das sind Milliarden für die NATO und Rüstungsindustrie, also für Kriegsvorbereitungen!

Wir Menschen wollen hingegen, dass die Politik unsere Steuergelder und Ressourcen für zivile Aufgaben bereitstellt!

Dort auf der Tafel könnt ihr es sehen: Wir brauchen das Geld für den sozialen Wohnungsbau, für den Kohleausstieg, für Kitas und Ganztagsschulen, für Investitionen in öffentlichen Verkehr und biologische Landwirtschaft.

Ihr alle hier könnt aktiv werden und Eure Unterschrift geben für Abrüsten statt aufrüsten!

Nun komme ich zu meinem Hauptanliegen, dem Atomwaffen verbieten! Bundesaußenminister Heiko Maas hat kürzlich vor den Vereinten Nationen eine neue Abrüstungsinitiative für Atomwaffen gefordert. Das begrüßen wir in der Friedensbewegung sehr. Allerdings lehnte Maas für Deutschland einen Beitritt zu Atomwaffenverbotsvertrag ab, der Vertrag sei nicht effektiv, weil die Atomwaffenmächte den Vertrag nicht mittragen wollen. Doch seit ca. 50 Jahren, seit (1970) der Atomwaffensperrvertrag in Kraft trat, legen alle Atomwaffenmächte absoluten Unwillen abzurüsten an den Tag.

Wir sind leid, immer nur zu warten! Deshalb sind wir aktiv geworden! Wir haben zwei Drittel der UN-Länder überzeugt, dass der Atomwaffenverbotsvertrag unterschrieben werden muss. Schon 71 Länder haben den Vertrag unterzeichnet und 23 Länder haben ihn ratifiziert! Deshalb erhöhen wir den Druck auf die Politik!

Die CDU-Parlamentarier Ralph Brinkhaus ist Ostwestfale und Vorsitzender der CDU/CSU Bundestagsfraktion. Wir haben einen Brief zum Unterschreiben an ihn vorbereitet, als Botschaft der Ostermarschierenden 2019:

„Herr Abgeordneter Brinkhaus, die Mehrheit der Mitglieder in Ihrer Fraktion denkt immer noch in den Kategorien des Kalten Krieges und glaubt an die Wirksamkeit der nuklearen Abschreckung! Das halten wir für eine große Täuschung! Ein auch nur regional geführter Atomkrieg wird eine nuklearen Winter und riesige Hungersnöte zur Folge haben. Wir fordern sie daher auf, Ihre Unterschrift unter das Bündnis der Parlamentarier zum Atomwaffenabrüstungsvertrag zu setzen. Wir fordern sie auf, sich in Ihrer Fraktion für eine neue Sicherheitspolitik einzusetzen, in der Atomwaffen vollkommen geächtet werden, in der NATO, für Deutschland, für die EU. Die CDU/CSU muss sich von den Forderungen des Ex-General Naumanns auf der Münchner Sicherheitskonferenz distanzieren, der vorschlägt, französische Atomwaffen zum „Kern einer europäischen Streitmacht“ aufzubauen.

Auch die SPD braucht den energischen Druck aus der Friedensbewegung, der SPD -Außenminister Maas muss hier in Deutschland mit Atomarer Abrüstung anfangen! Bei der von ihm organisierten Abrüstungskonferenz im März dieses Jahres hat Maas bezeichnenderweise das Thema nukleare Abrüstung vollkommen ausgeklammert. Über den SPD - Abgeordneten Achim Post habe ich das Angebot für einen von IPPNW organisierten Workshop zur Notwendigkeit nuklearer Abrüstung eingebracht. Auf unser Angebot wurde nicht reagiert. Dialog mit der Friedensbewegung sieht anders aus! Wir fordern daher von den SPD-Abgeordneten der Region, Wiebke Esdar, Achim Post und Stefan Schwartze, die schon längst den Abgeordneten-Appell zum Atomwaffenverbotsvertrag unterzeichnet haben, dass sie für eine grundlegende Änderung in ihrer Partei zum Atomwaffenverbotsvertrag einsetzen! SPD-Abgeordneter Achim Post hat angesichts der Kündigung des INF-Vertrags nach einer neuen Friedensbewegung gerufen.

Wir, so viele friedensbewegte Menschen stehen hier, wir sind laut und bunt. Wir stehen für ein breites Verständnis von Frieden, innergesellschaftlich und zwischenstaatlich.

Die Regierungen hier in Deutschland und Europa, ihr steht für militärgestützte, atomwaffengestützte Sicherheitspolitik, die Politik schafft für uns Menschen extreme Unsicherheit. Deshalb müssen wir Sicherheitspolitik ganz neu denken. Es geht darum, ein Denken zu entwickeln, mit dessen Hilfe es möglich ist, „ Frieden zu schaffen und das heißt, Beziehungen zu ermöglichen, in denen Gewalt unwahrscheinlich ist, weil Kooperation gelingt.“ Dieses Denken und das daraus folgende Handeln nennt man in der Friedensforschung und der Sozialwissenschaft: „Friedenslogik“.

 

Liebe Friedensfreunde,

Ich möchte Euch und uns allen an dieser Stelle Mut machen, natürlich sind unsere Ziele groß! Wir alle in den sozialen Bewegungen haben schon eine Menge erreicht! Wenn wir auf unsere Erfolge schauen, dann sehen wir, dass wir stark, mutig und beharrlich unsere Ziele verfolgen, dass wir im besten Sinne des Begriffs „unbequem“ sind und das wir auch unbequem bleiben wollen!

Wir in der Friedensbewegung haben erreicht, dass der Atomwaffenverbotsvertrag von der UNO akzeptiert wurde und dafür 2017 den Friedensnobelpreis erhalten. 71 Länder haben den Vertrag schon unterzeichnet, wir wollen, dass die Bundesregierung nicht nur die Forderung nach nuklearer Abrüstung bei der UNO verkündet, sondern bei sich selbst anfängt und endlich den Vertrag unterschreibt.

Die junge Bewegung von weltweit Millionen Schülerinnen und StudentInnen fordert von den Regierungen zügig, also noch in diesem Jahr zu handeln, mit einer Energiewende, Agrarwende und Verkehrswende, damit der Klimawandel bei 1,5 Grad gestoppt wird.

Hunderttausende Menschen setzen sich in Deutschland, Europa, und weltweit für Flüchtlinge ein, unterstützen sie ganz konkret Sie stehen auf gegen rassistische und fremdenfeindliche Politik von etlichen Regierungen. Eine Viertelmillion hat im letzten Herbst unter dem Motto „unteilbar“ demonstriert und forderte Solidarität statt Ausgrenzung.

Und die Klimaproteste für den Erhalt des Hambacher Forsts und gegen den Braunkohlebergbau und die Braunkohlekraftwerke hier in NRW gehen beharrlich weiter.

Bleiben wir in der Friedensbewegung, in den sozialen Bewegungen also weiter unbequem: Ich habe da ein paar gute Handlungsvorschläge, die jeder von Ihnen, von Euch im Alltag umsetzten kann:

Neben weltweit agierenden Konzernen im Bereich Rüstung und Kohle sind es die Banken, die fossile Energie und Rüstung finanzieren. Bankenproteste sind viel wirksamer, als sie denken!

Ich war perplex, als ich las, dass nicht nur Deutsche Bank und Commerzbank, von denen ich es ja erwartet habe, sondern selbst die volksnahen Sparkassen über ihre Deka-Fonds in Kohle und Rüstung, ja sie investieren sogar in Atomwaffen, in Massenvernichtungswaffen investieren.

Eine Bank, die in Kohle und/oder in Rüstung investiert, kann jeder wechseln. Oft sind die Banken, die in fossile Energien investieren dieselben, die in Rüstungsfirmen investieren. Banken speisen die tödliche Rüstungsindustrie regelmäßig mit Milliarden. Damit finanzieren den Krieg und die Zerstörung systematisch. Zum Beispiel den Syrienkrieg und den Jemen-Krieg.

Sie können den Flyer von „Urgewald“ am Aktionstisch mit Aktionsvorschlägen zum Bankenwechsel mitnehmen, Trauen Sie sich, Sprechen Sie mit Ihrer Bank, mit Ihrer Sparkasse! Je mehr wir sind, desto eher werden die Banken reagieren! Danke!

Liebe Friedensbewegte, Damit wir zeigen, wie wichtig uns der Abzug der US-Atomwaffen in Büchel ist, hoffe ich viele von Euch bei den Aktionen in Büchel wiederzutreffen!

 

Dr. med. Angelika Claußen ist st niedergelassene Ärztin für Psychiatrie und Psychotherapie und Präsidentin der IPPNW Europa.