Redebeitrag für den Ostermarsch Siegen am 20. April 2019

 

- Es gilt das gesprochene Wort -

 

Liebe Freundinnen und Freunde,

am 1. Februar 2019 erklärte der Präsident der USA offiziell den Ausstieg aus dem INF-Abrüstungsvertrag.

Der INF-Vertag wurde 1987 durch Ronald Reagen für die USA und von Michael Gorbatschow für die Sowjetunion unterzeichnet. Er verbietet den Besitz und die Produktion ballistischer landgestützter Raketen, die mit Atomwaffen bestückt werden können und eine Reichweite zwischen 500 bis 5500 km haben.

Mit diesem Vertrage und dem daraus folgenden Abzug der Atomraketen Pershing II aus Deutschland endete eines der gefährlichsten Kapitel in der Geschichte der Menschheit.

Die Hunderttausenden Menschen, die damals gegen diese Waffen protestierten, wussten, was diese Waffen in den Händen eines Staates bedeuten, der bewiesen hat, dass er keine Skrupel hat, diese auch einzusetzen - die USA sind der erste und einzige Staat, der bisher Atombomben auf Menschen geworfen hat.

Und am Abzug dieser Waffen saßen und sitzen solche Leute wie der ehemalige Chef des US-Generalstabes, General Curtis LeMay, der in einem Interview 1965 sagte: „Wir wären verdammt viel besser dran, wenn wir damals (in den 50er Jahren, als die UdSSR nur wenige Nuklearwaffen besaß) den Krieg angefangen hätten.“ (https://kenfm.de/tagesdosis-12-3-2019-usa-und-zdf-machen-mobil-podcast/)

Nun, das geplante nukleare Inferno konnte bisher verhindert werden.

Der Einsatz der Waffen war aber keine fixe Idee von einigen durchgeknallten Generälen, sondern entsprach und entspricht der Erstschlagdoktrin der damaligen und der aktuellen US-Politik.

Hinzu kommt noch der Anspruch der USA, die einzige Weltmacht zu sein und den eurasischen Raum beherrschen zu wollen, wie es z. B. der ehemalige stellvertretende Verteidigungsminister Wolfowitz oder der langjährige Präsidentenberater Brezinski formulierten.

Diese beiden Doktrinen – Erstschlag und einzige Weltmacht - im Zusammenspiel sind für uns Menschen eine ziemlich gefährliche Mischung.

In dieser Logik steht auch die gesamte US-Politik seit dem Ende des sozialistischen Lagers und des Warschauer Vertrages. Das Netz der US-Stützpunkte in der ganzen Welt – es sind zwischen 800 und 1000 - wurde ausgebaut, insbesondere um Russland und China herum. Sie nennen es den Cordon Sanitäre.

Die NATO dehnte sich nach der Auflösung des Warschauer Vertrages in Richtung Osten weiter aus – unter Bruch der Absprachen und des Pariser Abkommens und geht jetzt bis an die Grenze Russlands, wo ständig Militärmanöver der NATO abgehalten werden.

Weitere Maßnahmen zur Verfolgung des geostrategischen Ziels sind die Modernisierung der Kriegsinfrastruktur, die exorbitante Steigerung der Rüstungshaushalte der NATOMitgliedsländer, der Aufbau des sogenannten Raketenabwehrschildes im Osten Europas, um Russlands Zeitschlagfähigkeiten zu zerstören. Dieses wird übrigens gerade mit dem atomwaffenfähigen THAAD-System bestückt.

Auf dem Weg zum Hauptziel –Beherrschung des eurasischen Raumes für den totalen Zugriff auf dessen Ressourcen –pflastern viele Kriege und initiierte Putsche den Weg.

Mit dem völkerrechtwidrigen Krieg und der bestialischen Bombardierung Jugoslawiens wurden die Schleusen zur Führung von neuen Weltordnungskriegen, den sogenannten humanitären Kriegen, geöffnet und der Weg nach Osten weiter geebnet. Dieser führte auch über die Ukraine.

Jeder Staat, der sich der einzigen Weltmacht widersetzte, wurde zerschmettert oder es wurde versucht. Lybien ist zerstört, Syrien vom Krieg gezeichnet.

Vor dem Hintergrund dieses Szenario ist der Ausstieg aus dem Vertrag zu betrachten, der der Höhepunkt dieser Entwicklung ist.

Das ermöglicht nämlich die Stationierung von US-Atomraketen in Europa mit einer Vorwarnzeit von 6 Minuten, bevor sie in Moskau oder Petersburg einschlagen. Das brächte uns einem Weltkrieg mit atomaren Waffen so nah wir noch nie.

Und dabei ist es egal, aus welchem Grund Raketen starten sollten, weil man die Doktrinen in die Praxis umsetzen will oder die Technik einen Fehler macht – der Gegenschlag wird Europa treffen und nur eine atomare Wüste übrig lassen.

Die Kriegsmaschinerie der USA und der NATO und die Kündigung des INF-Vertrages bedrohen damit alle Völker.

An dieser Stelle will ich betonen, dass jedes Land und jedes Volk das Recht hat, im nationalen Interessen seine Ressourcen für sich selbst zu nutzen, seine Wirtschaft zu entwickeln, seine innere politische Verfasstheit selbst zu entscheiden, Bündnisse mit anderen Ländern entsprechend des Völkerrechts einzugehen und auch andere Länder im Kampf gegen Aggressoren zu unterstützen. Das führt zwangsläufig zur Entwicklung einer multipolaren Welt. Sie ist aber nicht die Ursache für die Aggressivität der USA und der Nato-Staaten. Im Gegenteil, sie bietet die Chance, dass der Aggressor in die Schranken gewiesen wird.

Wer aber den Bedränger - den Aggressor und den Bedrängten - den Bedrohten gleichsetzt, macht das Geschäft des Bedrängers - des Aggressors.

Eines Aggressors, dem es um den Zugriff auf die Rohstoffe der ganzen Welt geht und der sich dazu geopolitisch richtig platzieren und keinen Staat aus dem System ausbrechen zu lassen will.

Und zu diesem Zweck werden wir auch mit Atomwaffen bedroht.

Was können wir tun?

Eine Stationierung von Atomraketen in Deutschland – genau wie die Lagerung der Atombomben in Büchel - wären nicht möglich, würde Deutschland der USA und der NATO nicht erlauben, auf seinem Territorium Stützpunkte zu betreiben. Auf diesen Stützpunkten befinden sich auch die Kommandostrukturen für die Einsatz-, Führungs- und Kontrollinstanzen weltweiter Kriegseinsätze für die USA und NATO. Gäbe es diese nicht auf deutschem Boden, könnte auch von dort aus kein Krieg kommandiert werden.

Die wichtigste Kommandozentrale, über die auch der Drohnenkrieg läuft, befindet sich auf der Air Base Ramstein. Dort ist z. B. das Luftwaffen-Hauptquartier AIRCOM – das Allied Air Command stationiert.

Wir müssen deshalb von unserer Regierung die Kündigung des Truppenstationierungsvertrages fordern. Ohne diesen Vertrag wären keine Stützpunkte anderer Staaten und somit auch keine Stationierung dieser Waffen auf deutschem Boden möglich.

Die Forderung nach Kündigung des Truppenstationierungsvertrages kann zu einem entscheidenden Bindeglied der verschiedenen Zweige der Friedensbewegung werden.

Mit dieser Forderung können die Kampagnen gegen Atomwaffen, die gegen die NATO-Kommando-Zentrale in Kalkar und all die anderen Militäreinrichtungen von USA und NATO stärker zusammengeführt und Aktivitäten gebündelt werden und der Friedensbewegung in Deutschland einen beachtlichen Schub geben.

Lasst uns dafür kämpfen!

 

Anita Beyer ist aktiv bei der attac Gruppe Siegen.