Redebeitrag für den Ostermarsch Marktredwitz am 20. April 2019

 

- Sperrfrist: 20. April 2019, Redebeginn: XX Uhr -

- Es gilt das gesprochene Wort -

 

Liebe Freundinnen und Freunde,

all we are saying is give peace a chance. All we are saying is give peace a chance - Dieses Lied von John Lennon und Yoko Ono aus dem Jahr 1969 wurde zu der Antikriegshymne, auf dem Höhepunkt des Vietnamkriegs. Give peace a chance!

John Lennon wurde damals gefragt, was genau er damit ausdrücken wolle. Seine Antwort: „Einfach nur: Give peace a chance - gebt dem Frieden eine Chance. Anders gesagt: Probiert es doch mal mit Frieden.

Ja, warum eigentlich nicht? Probiert es doch zur Abwechslung mal mit Abrüstung, probiert es doch mal mit Umweltschutz, probiert es doch mal mit sozialen Mieten, probiert es doch mal - mit Frieden.

Die Lösungen liegen eigentlich alle auf dem Tisch. Bis hin zu konkreten Studien, wie statt Waffen nützliche Dinge hergestellt werden könnten. Konversion nennt sich so etwas.

Warum packen wir es dann nicht an? Kennt ihr Bertolt Brecht? Den Autor der „Dreigroschenoper“? Der vor den Nazis ins Exil flüchten musste?

1952, sieben Jahre nach dem Abwurf der Atombomben auf Hiroshima und Nagasaki, stellte er fest, als Redner auf dem Wiener Völkerkongress für den Frieden:

„Das Gedächtnis der Menschheit für erduldete Leiden ist erstaunlich kurz. Ihre Vorstellungsgabe für kommende Leiden ist fast noch geringer. [...] Die weltweiten Schrecken der vierziger Jahre scheinen vergessen. Der Regen von gestern macht uns nicht nass, sagen viele. Diese Abgestumpftheit ist es, die wir zu bekämpfen haben.“

Aber wo fangen wir an? Probieren wir's doch mal damit:

Schuldenbremse für den deutschen Rüstungsetat! Die Schuldenbremse hat Verfassungsrang - nicht nur in Bayern.Deswegen: Keine Erhöhung der Ausgaben von 2 Prozent.

Denn: 2 Prozent- das ist zu viel -Abrüsten ist unser Ziel!

Ja, aber verteidigen werden wir uns doch noch dürfen, oder?

Klar. Nur: Wer bedroht uns denn zur Zeit? Wer bedroht uns oder den Weltfrieden am meisten?

Assad? Er ist zur Zeit mal nicht der Bösewicht Nr. 1. Den ersten Rang nimmt selbstverständlich Putin ein, Wladimir Putin. Jetzt will er unsere EU-Wahlen steuern, hab ich kürzlich im Internet gelesen.

Oder doch Kim in Korea? Wer macht denn gerade das Rennen in der Trump'schen Parade der Schurkenstaaten? Richtig: NICHT ein gewisser Scheich in Saudi-Arabien. Maduro in Venezuela war mächtig am Aufholen, ist aber wieder zurückgefallen.

Da werden wir überschüttet mit Informationen. Wer von uns traut sich schon, solche doch offenbar völlig skrupellosen, machtgierigen Schurken zu verteidigen?

Moment: Gab es nicht einmal ein Völkerrecht und das Prinzip der Nichteinmischung? Probieren wir es doch einmal damit: Das Völkerrecht soll wieder gelten, für alle Staaten.

Praktischer ist es natürlich, wenn man mit dem Finger auf andere zeigen kann. Denn das ist eine prima Ablenkung von eigenem Versagen. Wenn ich die Verantwortung für eigenes Versagen der Regierungen auf Sündenböcke abschiebe - dann bin ich aus dem Schneider.

Schuld haben dann fremde Regierungen, aber auch im eigenen Land die Flüchtlinge, die Ausländer, die Muslime und Kommunisten, auf Schläfer und Gefährder. Ich sage: Krieg ist Terror. Die Bombardierung des Irak durch USA und Großbritannien und was darauf folgte, hat den lS erst groß werden lassen.

Apropos Verantwortung. Auch Heiko Maas will, dass Deutschland mehr Verantwortung übernimmt. Verantwortung z.B. am Hindukusch und in Mali.

Um unserer Sicherheit willen.

Verantwortung - ein großes Wort.

Hören wir mal,was Verantwortung für den früheren US-Präsidenten Barack Obama bedeutet, als er vor 10 Jahren in Prag eine gefeierte Rede hielt, im Jahr seines Amtsantritts:

„Als Nuklearmacht - als einzige Nuklearmacht, die eine Atomwaffe eingesetzt hat- haben die Vereinigten Staaten eine moralische Verantwortung zu handeln.“ “Daher bekunde ich heute klar und mit Überzeugung, dass die Vereinigten Staaten entschlossen sind, sich für den Frieden und die Sicherheit einer Welt ohne Atomwaffen einzusetzen. Zunächst werden die Vereinigten Staaten konkrete Schritte in Richtung einer Welt ohne Atomwaffen unternehmen.“

Nun die schlechte Nachricht: Kurz darauf - noch während der Friedensnobelpreisträger Präsident war - beschlossen die USA wurde ein gigantisches Hochrüstungsprogramm beschlossen. Innerhalb von 10 Jahren würden die USA 400 Mrd. US-Dollar für die Modernisierung ihres Atomwaffenarsenals ausgeben! 400 Milliarden Dollar!

Und die „konkreten Schritte“, die der Friedensnobelpreisträger versprochen hatte?

Sein Nachfolger Trump wurde konkret.

In seiner unnachahmlich prägnanten Art kündigte er einen der wichtigsten internationalen Verträge auf, einseitig.

Mal so ganz nebenbei flog der INF-Vertrag in den Papierkorb.

Das war nicht irgendein Stück Papier.

INF? Informatik? Infinitiv? Infrarot? Wofür steht das? Wir kennen solche Abkürzungen: IGM, IHK, WWF, FIFA, ...INF. Hört sich gar nicht so übel an.

INF heißt: Intermediate Range Nuclear Forces, zu deutsch: Washingtoner Vertrag über atomare Mittelstreckensysteme. Darin wurden atomare Mittelstreckenraketen in Europa geächtet.

Dafür haben wir gekämpft -jenseits parteipolitischer Positionen und jenseits sozialer Stellung. Sogar eine Berufsgruppe schloss sich an, von der dies eigentlich nicht zu enNarten war: Die Generäle für den Frieden.Westdeutschland erlebte die größten Massenaktionen seiner Geschichte!

Die Stationierung der tödlichen Waffen wurde verhindert.

1987 - vor gut 30 Jahren - wurde der INF-Vertrag zwischen Gorbatschow und Ronald Reagan besiegelt.

Mit konkretem Ergebnis: Beiden Vertragspartner verschrottetem insgesamt ca. 3000 Atomwaffen. Einhelliger Konsens war, Sicherheit durch Abschreckung funktioniert nicht, führt in eine tödliche Spirale.

Ja, Russland hat nun seinerseits den INF-Vertrag gekündigt. Nachdem alle Besichtigungs- und Gesprächsangebote abgelehnt wurden.

Russland sieht sich umzingelt durch die NATO und zieht mit eigenen Modernisierungen nach. Wir sind wieder mitten im zweiten Kalten Krieg.

Russland ist wieder einmal der Feind.

Wieder einmal soll es um ungeheuerliche Investitionen gehen. Investitionen für die NATO, die mit größter Selbstverständlichkeit anderen gesellschaftlichen Bereichen entzogen werden. Für unsere Sicherheit?

Vergessen wir nicht: Die offizielle NATO-Strategie ist schon lange nicht mehr auf Verteidigung ausgerichtet. Genauer gesagt: Verteidigt werden sollen die Zugänge zu Rohstoffen - auf der ganzen Welt!

Irre Investitionen also in eine Forschung des Todes, irre Investitionen in riesige Waffenlager, die für sich genommen eine Gefahr für Leib und Leben darstellen. Todeszonen mitten im Land, in blühenden Landschaften.

Wie lässt sich so etwas rechtfertigen?

„Man sollte im Kopf behalten, wie oft mit dieser Entschuldigung, einen Angreifer zu stoppen, die Mächte einen wirklichen Eroberungskrieg begonnen haben.“ Sagte Papst Franziskus 2014, bei seinem Besuch in Lateinamerika, einem Kontinent, der mit US-lnvasionen wahrlich viel Erfahrung gemacht hatl.

Brechen wir endlich aus aus diesem tödlichen Teufelskreis!

Probieren wir es doch mal mit Vernunft, mit Diplomatie, mit Verhandeln, mit Entspannung. Nordkorea und Südkorea haben es doch auch geschafft.

Wer hindert uns denn eigentlich?

Dahinter steckt ein strukturelles Problem. Mit nichts auf der Welt lässt sich so viel verdienen wie mit einem Krieg. Das sind staatlich garantierte Supergewinne, Megagewinne!

In keinem lndustriezweig sonst lassen sich solche Unsummen verdienen.

Seit den Nürnberger Kriegsverbrecherprozessen haben wir es quasi amtlich:

Am 11.10.1945 veröffentlichte der Ausschuss des US-Senats über die Schuldigen an den Kriegs- und Menschlichkeitsverbrechen des Faschismus unter Vorsitz des Senators Kilgore das Ergebnis seiner Untersuchungen.

Sein Ergebnis:

Der Nationalsozialismus sei von der deutschen Großindustrie gefördert und an die Macht gebracht worden. „Die Tatsachen machen diese Industriellen einwandfrei mitschuldig an den von den Nationalsozialisten in ihrer Sucht nach Weltherrschaft gegen die Völker der Erde verübten Verbrechen.“ Der Ausschuss stellte eine Liste von 42 am stärksten belasteten Großindustriellen und Bankiers auf.

Dieser historische Zusammenhang übrigens war der Hauptgrund, warum seinerzeit im Grundgesetz die Möglichkeit von Enteignung verankert wurde.

Vor kurzem wagte es mal einer vorzuschlagen:

Probiert's doch mal mit Enteignung und schon folgte ein Aufschrei.

Wieso eigentlich? Enteignungen sind natürlich verfassungskonform! Und finden täglich statt- „ zum Wohle der Allgemeinheit“. Artikel 14, Grundgesetz.

Zum Beispiel beim Autobahnbau. Das zu dem Thema.

Zurück zur Industrie - wie sieht es heute aus?

Übrigens ist gerade unser schönes Bayerland ein ausgemachtes Rüstungs- und Militärzentrum. München ist die Weltstadt mit dem Herz für die Rüstungsindustrie und -Forschung. Der Waffenproduzent EADS ,

Rheinmetall, Thyssen-Krupp, Krauss-Maffei-Wegmann, Diehl Defence.

Hinzu kommen Infineon (die stellen high-tech-Laser her) und adidas, die Militärschuhe verkaufen.

Außerdem noch Siemens und BMW ; die sind zwar in der Rüstungsproduktion nicht führend. Aber ein Merkmal der Produktion vieler Konzerne ist, dass zivile und militärische Produktion Hand in Hand gehen (dual-use Produkte). Das ist ein strukturelles Problem!

Ganz genau wie im Bereich Klimaschutz geht es um Profite, Konkurrenz bis aufs Messer, und wieder Profite.

Aber wie dumm und kurzsichtig:

Auch mit zivilen Investitionen lassen sich doch Gewinne machen. Naja, zugegeben: Ganz so viel bringen natürlich Erdbeerjoghurt, Gewürzgurken oder Wollhandschuhe nicht ein wie eine Hightech-Kampfdrohne. Die Lobby für Fahrräder ist eindeutig nicht so mächtig wie die für Diesel-SUVs – wer wollte das bestreiten! Leicht wird es also nicht sein, dagegen anzukommen.

Wie man hört, träumt Angela Merkel von einem Flugzeugträger. Das wäre doch mal was!

So ein Flugzeugträger kostet schon mal nicht unter 10 Milliarden, schätzungsweise. Die könnte sich Deutschland mit Frankreich teilen Entsprechend wären die Gewinnspannen bei dieser Ware.

Auch dieses Geld würde an anderer Stelle fehlen. Wo vielleicht Menschen ums nackte Überleben kämpfen. Nicht umsonst hieß eine alte Losung der Friedensbewegung: Rüstung tötet schon im Frieden.

Oder mit den Worten von Papst Franziskus: „Kapitalismus tötet.“

Und: „Wir sind am Limit. Ein Zwischenfall wird reichen, um einen Krieg zu entfesseln. Deshalb müssen wir die Waffen zerstören und uns für die nukleare Abrüstung einsetzen."

Bereits in diesem Jahr steigen die Kosten des Verteidigungshaushalts um 12%. Das sind 40 Mrd. mehr gegenüber 2018. Keine Angst, der Flugzeugträger wird nicht so schnell kommen.

Erst einmal geht es um die Zwei- Prozent-Erhöhung. Die USA setzen Deutschland und die anderen NATO-Verbündeten unter Druck. Das wären mindestens weitere 30 Milliarden Euro, die bei Schulen und Kitas fehlen, sozialem Wohnungsbau und beim ökologischem Umbau, die fehlen bei Krankenhäusern und im öffentlichem Nahverkehr, beim Klimaschutz und der internationalen Hilfe zur Selbsthilfe. Nicht zuletzt bei der Altersversorgung.

Wer Armutsrenten damit begründet, dass die benötigten 20 Mrd. Zur Stabilisierung des Rentenniveaus nicht aufzutreiben sind, der braucht uns nicht mit der Erhöhung des Verteidigungsetats zu kommen!

Deswegen hat sich die bundesweite Initiative „Abrüsten statt aufrüsten" gegründet. Unterzeichner aus Gewerkschaften, Kultur, Parteien - ein breites Bündnis fordert, Ernst zu machen mit den Friedensbeteuerungen und die Rüstungsspirale zu stoppen!

Unterschreibt den Appell an die Bundesregierung und sammelt selber Unterschriften! Fangt heute damit an!

2 Prozent, das ist zu viel! Abrüstung ist unser Ziel!

Und was tut unsere Regierung?

Erinnern wir uns: Deutschland hat 1974 den Atomwaffensperrvertrag unterschrieben.

Außenminister Heiko Maas hat unlängst vor der UNO in New York zu einer neuen Abrüstungsinitiative aufgerufen. Weiß er denn nicht, dass bereits vor zwei Jahren, im Juli 2017, 122 Staaten den UN-Vertrag zum Verbot von Atomwaffen beschlossen haben? Doch die Bundesregierung weigert sich, diesem Vertrag beizutreten, Immer noch lagern im Fliegerhorst Büchel, NATO-Air-Base in Rheinland-Pfalz, amerikanische Atomwaffen. Die werden jetzt modernisiert. Man experimentiert mit drohnengestützten Atomwaffen. Mit Mini-Nukes will man flexibler werden. Die Hemmschwelle zum atomaren Krieg soll gesenkt werden.

Wir sagen: Wir wollen keinerlei Planspiele über den atomaren Krieg, der für uns alle verheerend sein würde.

Wir wollen auch keine Manöver, bei denen Bundeswehr-Piloten den Atomwaffeneinsatz mit Tornados üben.

Schluss mit der Heuchelei! Die Bundesregierung muss unterschreiben und danach handeln!

Die von der US-Regierung geforderten 2 Prozent würden faktisch auf eine Verdoppelung des deutschen Rüstungshaushalts hinauslaufen. Wie viel Armut, Hunger und Elend bei uns und in den Krisenregionen der Welt könnte mit diesem Geld verhindert werden?

Ist es nicht schon viel zu spät?

Ja, es ist höchste Zeit zu handeln. Wir müssen handeln.

Es geht ja nicht um Naturgesetze, denen wir ohnmächtig gegenüber stehen würden.Alles verändert sich. Die Welt ist aus den Fugen. Wir sind mitten drin in einer Umbruchperiode. Das kann Angst machen.

Probieren wir es doch mal- alle zusammen - mit anderen, neuen Lösungen.

Die Vorschläge liegen auf dem Tisch. Zeit zum Aufbruch!

Die jungen Leute um Greta Thunberg machen es uns vor. Lassen wir sie nicht im Regen stehen!

Eine andere Welt ist nötig und möglich - ohne Atomwaffen und Mörderdrohnen, ohne Hass und Rassismus, Unser Kontinent Europa muss endlich ein Kontinent des Friedens werden, von dem Friedensinitiativen und Lösungsvorschläge statt Kriegs- und Abschottungsdrohungen ausgehen!

Für eine Welt des Friedens, auch des Friedens mit Russland, für friedliche internationale Zusammenarbeit zum Vorteil aller beteiligten Länder!

Für eine Welt ohne Krieg und ohne Ausbeutung von Mensch und Natur!

All we are saying is give peace a chance!

Vielen Dank.

 

Eva Petermann ist Vorsitzende der WN-BdA Hof-Wunsiedel.