Redebeitrag für den Ostermarsch Oldenburg am 20. April 2019

 

- Sperrfrist: 20. April 2019, Redebeginn: 11 Uhr -

- Es gilt das gesprochene Wort -

 

Liebe Oldenburger Bürger,
liebe Friedensfreundinnen und Friedensfreunde,

vor 61 Jahren, an Ostern 1958, begannen Kriegsdienstverweigerer in England mit einem Marsch gegen die Atombewaffnung eine Bewegung anzustoßen, die bis heute wirkt. Sie gelobten damals: „Krieg ist ein Verbrechen an der Menschheit. Wir sind deshalb entschlossen, keine Art von Krieg weder direkt noch indirekt zu unterstützen und an der Beseitigung aller Kriegsursachen mitzuarbeiten.“ In dieser Tradition stehen wir heute hier und setzen uns ein ein für weltweite Entspannung und Frieden. Wir wissen uns verbunden mit den Tausenden, die in dieser Stunde quer durch unser Land ebenfalls auf den Straßen sind und senden ihnen unsere Grüße.

I.

Wir spüren: die Welt ist voll in Unordnung. Jede Woche tut sich ein neuer Spannungsherd auf: vor einem Monat der Putschversuch in Venezuela, dann die völkerrechtswidrige Annexion des Golan durch Israel, jetzt Bürgerkrieg in Libyen. Und weiteres Unheil kündigt sich an: die USA bereiten offen einen Krieg gegen den Iran vor und in Syrien droht immer noch die Schlacht um Idlib. Wir kommen kaum zum Atemholen. Und unsere Medien trommeln zum Krieg: Assad muss weg, Maduro muss weg, Kim Jong Un muss weg. Und vor allem Putin. Er ist ja anscheinend an allem schuld. Aber wir spüren: da wird uns was eingehämmert, irgendwie ist das nur die halbe Wahrheit. Wir trauen unsern Medien nicht mehr. Täglich wird gelogen , Trump vorneweg. Inzwischen fühlen sich in unserem Land mehr Leute in ihrer Sicherheit von Trump bedroht als von Putin und Russland.

Es ist eine wachsende Kluft eingetreten zwischen dem was die Mehrheit der Bevölkerung gut heißt und dem, was die Regierung tut: die große Mehrheit will keine Auslandseinsätze der Bundeswehr, keine Atomwaffen in Büchel, keine Aufrüstung der Bundeswehr für Milliarden; sie will in Frieden mit Russland leben, sie will ein weltweites Verbot der Atomwaffen und die Staatsausgaben verwendet sehen für Wohnungsbau, Schulen und Bildung. Sie möchte Maßnahmen gegen die wachsende soziale Spaltung, gegen Altersarmut und Hungerlöhne.

Die Doomsday-Uhr der weltweit besten Wissenschaftler steht auf 2 vor 12 . Grund ist die eminent gewachsene Atomkriegsgefahr und die rasche globale Erwärmung. Beide stellen die Weiterexistenz unseres Planeten in Frage. Wir spüren, wie die Politik zögert, Korrekturen vorzunehmen. Dabei weiß jeder, was dringend ansteht: atomare Abrüstung, CO2-Ausstoß senken, Energiewende. Manche Politiker arbeiten sogar aktiv dagegen wie Trump oder auch unser Verkehrsminister Scheuer. Da regiert Irrsinn statt Vernunft!

Die erste Resolution der neu geschaffenen UN-Vollversammlung 1946 galt der atomaren Abrüstung. „Nie wieder Hiroshima“ war die weltweite Überzeugung. Mühsam konnten in den 80er Jahren Verträge zur Begrenzung und Abrüstung von Atomwaffen zwischen den USA und der SU ausgehandelt und umgesetzt werden. Es gab Erfolge beim Rückbau der nuklearen Lang- und Mittelstreckenraketen. Seit 2002 reißen die USA alle vertraglichen Grenzen ein und setzen auf erneute nukleare Aufrüstung. Die Abrüstungsverpflichtung für Atomwaffen aus dem Nichtverbreitungsvertrag mißachten sie, ja rüsten sogar wieder auf. Zwei Drittel der Staaten der Welt haben vor 2 Jahren gemeinsam mit Organisationen der Zivilgesellschaft den Atomwaffenverbotsvertrag der UN erarbeitet. Die Atommächte haben dafür nur Spott übrig. Nicht nur, dass sie selbst nicht beitreten, sie versuchen derzeit mit allen Mitteln, andere Staaten von der Unterzeichnung abzuhalten.

Wohin soll das alles gehen? Wir fühlen uns bedroht von Entwicklungen, die Schlimmes befürchten lassen, wir spüren, dass sich Gefahren zuspitzen. Manche vergleichen unsere Situation mit den Monaten vor dem Ausbruch des 1.Weltkriegs, ehe Europa scheinbar schlafwandlerisch in die Katastrophe ging. Dabei fühlen wir uns oft ohnmächtig und wie gelähmt.

II.

Ich meine: als erstes müssen wir uns unseren Ängsten stellen!

Für die Analyse, ob und in wie weit sie berechtigt sind und welche Gegenstrategien sich für die Friedensbewegung bieten, müssen wir Übersicht behalten.

Ein Kernelement dafür ist eine solide Informationsgrundlage. Die bekommen wir nicht mehr aus unserern gewohnten Medien. Da wird bewertet statt berichtet und zuviel weggelassen , was nicht in deren Sicht passt. Wir müssen uns vermehrt informieren aus den vielen alternativen Medien, die in den letzten Jahren aufgekommen sind. Wem das Forschen im internet zu zeitaufwendig ist, der findet zumindest 3-4 nützliche Artikel täglich unter <friedensratschlag.de> „Friedenspolitische Berichte“.

Eine Schlüsselfrage für die Bearbeitung unserer diffusen Ängste ist die Klärung, was wir von Russland halten. Mit der Begründung, Russland bedrohe den Weltfrieden und insbesondere Europa, versuchen USA und NATO ein gigantisches Aufrüstungsprogramm zu rechtfertigen bis hin zur angeblich unumgänglichen Stationierung neuer Mittelstreckenraketen in Westeuropa. Russland wolle sich die Länder an seiner Westgrenze, die beim Zusammenbruch der SU selbständig und inzwischen NATO-Mitglieder geworden sind, wieder „zurückholen“. Aber das würde doch sofort für Russland einen Krieg mit der ganzen NATO und ihrer vielfachen Übermacht auslösen, den Russland niemals gewinnen könnte. Wer will dem immer kühl überlegenden Putin einen solchen Wahnsinn unterstellen ? Das ist doch völlig absurd.

Wir müssen schon etwas weiter zurückschauen, wenn wir die Situation heute verstehen wollen. 1991 hatte sich mit der SU auch der Warschauer Pakt, das Gegenstück zur NATO, aufgelöst. Auch die NATO war mit dem Ende des Kalten Kriegs überflüssig geworden. Sie löste sich aber nicht auf. Die Hoffnungen auf ein neues kollektives Sicherheitssystem in Fortentwicklung der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) zerschlugen sich. Der Westen hatte damals Russland unter Jelzin auf dem kapitalistischen Weg massiv unterstützt. 1996 sogar mit direkter Wahlhilfe, als „unser Jelzin“ die Wiederwahl mit Sicherheit verloren hätte. Dann kam 1999, inzwischen war Putin Präsident, der NATO-Krieg gegen Serbien. Zeitgleich erfolgte der Beitritt von Polen, Tschechien und Ungarn zur NATO, 2004 ebenso der baltischen Republiken. 2002 hatte G.W.Bush zudem den ABM-Vertrag aufgekündigt und den Aufbau von Raketenabwehrsystemen in Osteuropa begonnen.

Russland fühlt sich zu Recht über den Tisch gezogen: die westlichen Zusagen von 1990, keine NATO-Osterweiterung - wie Außenminister Baker damals sagte „keinen Inch“ - waren gebrochen worden. Die NATO steht jetzt an den russischen Grenzen kurz vor Moskau. Die neuen Abwehrraketen sind offenbar gegen einen russischen atomaren Gegenschlag gedacht, das strategische Gleichgewicht ist gestört. Russland fühlt sich massiv bedroht. Mit dem vom Westen angezettelten Umsturz in der Ukraine schloss sich der Ring der Umzingelung. Zudem drohte der Verlust des einzigen Hafens der russischen Marine im Schwarzen Meer auf der Krim. Die mit einer Volksabstimmung legitimierte Sezession der Krim war völkerrechtlich nicht korrekt, aber immerhin hatte der Westen zuvor mit der Herauslösung des Kosovo aus Serbien das schlechte Beispiel für Gebietsveränderungen in Europa gegeben. Keinesfalls kann die Krim als Blaupause gelten für angeblich geplante weitere Operationen Russlands gegen NATO-Staaten, nun unter Gefahr des Atomkriegs. Das das nicht droht, wissen auch die Experten der NATO ganz genau. Trotz der angespannten Situation in der Ostukraine drücken die USA darauf, dass die Ukraine und Georgien noch voll in die NATO integriert werden - gegen die heftigen Proteste Russlands. Wer bedroht hier wen??

In Russland leben 144 Mio Menschen, in den NATO-Staaten mit 924 Mio sechsmal so viele. Die Wirtschaftsleistung der NATO-Staaten beträgt mehr als das 25 fache der russischen. Die Ausgaben für das Militär waren in den NATO-Ländern 2016 insgesamt 12 mal so hoch wie in Russland.

Wer bedroht hier wen??

III.

Das Bild rundet sich ab, wenn wir die Interessen der Großmächte dazu nehmen: die USA fühlen sich noch als die Herren der Welt, obwohl sie wirtschaftlich bereits von China überholt sind. Im Kampf um den Erhalt ihrer Vormacht zwingen sie ihre NATO-Partner um so enger an sich, pressen sie zu unsinnigen Militärausgaben, zu Sanktionen und zu neuen Kriegen. Ökonomische Konkurrenten schwächen sie mit Wirtschaftskriegen. Das gilt auch für ihr Verhältnis zur EU und Deutschland. Deswegen der Kampf gegen die Gaspipeline Nord-Stream-2 , deswegen der Handelskrieg speziell mit Deutschland, deswegen Anbändeln mit den Populisten in Ungarn und Polen, die die EU spalten und schwächen. Auf keinen Fall darf es in der Sicht der der USA zu einem Zusammengehen der europäischen mit den asiatischen Staaten kommen, insbesondere nicht mit Russland und China, der gefürchteten eurasischen Wirtschaftszone. Daher die Interventionen gegen die „Neue Seidenstraße“, der Wirtschaftskrieg gegen EU, Russland und China.

Die USA gewinnen die Energie für ihre Wirtschaft im wesentlichen noch aus Erdöl. Ihre Außenpolitik muss den Nachschub sichern. Verglichen mit den USA sind Russlands Ölreserven doppelt so ergiebig, die des Iran dreimal, die von Saudiarabien fünfmal und die Venezuelas sechsmal so groß. Erkennen wir da nicht 2 der von den USA definierten Schurkenstaaten? Iran und Venezuela, beide aktuell mit Krieg „zum Regimewechsel“ bedroht. Mit Kampf für Demokratie und Menschenrechte hat das rein gar nicht zu tun!

Von Ramstein muss jetzt geredet werden. In Ramstein sind die Auswertungs- und Relaisstationen für den Drohnenkrieg der USA in Asien und Afrika. Von deutschem Boden aus werden täglich Zivilisten in diesen Ländern als vermutete Terroristen umgebracht. Das sind im Klartext: Morde. Und unsere Regierung schaut weg. Erst jüngst hat das Oberverwaltungsgericht Münster klar gesagt, dass die Bundesregierung dafür verantwortlich ist, dass in Ramstein nichts illegales passiert. Aber es geht einfach weiter ...

Ramstein ist aber nicht nur Drohnenkrieg, es ist viel mehr: es ist das logistische Zentrum für die gesamten militärischen Luftaktivitäten der NATO . Von hier werden die 7 Hauptquartiere der Luftwaffen von Türkei bis Portugal gesteuert. Ramstein lenkt den Nachschub für den östlichen und südlichen Raum außerhalb Europas,. Ständig wird Munition gelandet und weitergeflogen nach Afghanistan, Irak, und in andere Länder. Ramstein steuert die Abwehrrraketensysteme in Osteuropa. In Ramstein leben 54.000 Armeeangehörige, davon 16.000 Soldaten. Ramstein ist die größte US-Basis außerhalb der USA. In Ramstein waren bis in die 90er Jahre 150 Atombomben gelagert, in Silos, die immer noch betriebsfähig sind. Über Ramstein führen die USA ihre illegalen Kriege ohne UN-Mandat. Jetzt werden dort die Munitionslager aufgefüllt für den nächsten Krieg- im Iran??

Ramstein ist die schwärende Wunde der 1990 wiedergewonnenen deutschen Souveränität. Wohl als Preis für die deutsche Einigung hat sich die Bundesregierung abhandeln lassen, nach der Aufhebung der letzten Reste des Besatzungsrechts diese 3 Wochen später heimlich wieder in Kraft zu setzen. Unter anderem den Aufenthaltsvertrag, der den Besatzungsmächten - vor allem den USA - zusichert, in der BRD Streitkräfte in der Effektivstärke von 1954 dauerhaft stationieren zu dürfen. Das schließt auch die Lagerung von US-Atomwaffen ein. Dazu gilt ebenso weiter das Zusatzabkommen zum NATO-Truppenstatut, das den früheren Besatzungsmächten weitgehende Sonderrechte einräumt, z.B der NSA eigene Überwachungsmaßnahmen, inzwischen sogar auch auf dem Gebiet der neuen Bundesländer.

Aber nein: wir sind nicht unter Besatzung ! Die Bundesregierung hat sich dem nach 1990 frei unterworfen und kann beide Abkommen mit einer Frist von 2 Jahren kündigen. Das sollte sie auch tun. Dann ist Ende mit Ramstein ! Und am besten auch gleich aus dem Kriegsbündnis NATO austreten – das geht schon mit Frist von einem Jahr!

Wir sind erbittert darüber, wie USA und NATO einschließlich der Bundesregierung das Völkerrecht mißachten. Keiner der angezettelten Kriege der letzten Jahre hielt die Regeln der UNO-Charta ein. Wir sehen statt dessen, wie sog. Koalitionen der Willigen andere Länder zusammenbomben. Und keiner dieser illegalen Kriege mehr ohne unsere Regierung: Kosovo, Afghanistan (Operation Enduring Freedom), Irak, Libyen , Syrien- zumindest logistische Hilfe bei Aufklärung und Zielbestimmung, zumindest mit geduldetem Lufttransport über Ramstein. Wir sind auf die eine und andere Weise immer dabei. Keiner der Auslandseinsätze der letzten Jahrzehnte hat etwas in den überfallenen Ländern verbessert. Überall nur Scherbenhaufen, gescheiterte Staaten, Not und Elend für die Bevölkerung.

Eben erst wurde in Venezuela ein Putschist ohne wirkliche Machtausübung als neuer Herrscher diplomatisch anerkannt – auch von unserer Regierung, gegen alle völkerrechtlichen Regeln und unter offensichtlicher Einmischung in die inneren Angelegenheiten, was die UN-Charta verbietet. Die USA verteilten schon die Ölkonzessionen an ihre Konzerne. Wir sagen: Hände weg von Venezuela!

Jetzt ist die Rede davon, in Libyen zu intervenieren zugunsten eines vor allem von der deutschen Regierung installierten Regimes. Eingesetzt wurde es zur Migrationsverhinderung und hatte als Sitz erst nur ein Schiff im Hafen. Die Macht hatte von Anfang an die mit dem gewählten Parlament zusammenarbeitende Armee von General Haftar, die im Osten Libyens den IS bekämpfte. Unsere Medien verschweigen das. Sie behandeln Haftar als ungesetzlichen Warlord. Was soll die Einmischung in einen ungleichen Bürgerkrieg erreichen? Noch mehr Chaos ? Wir sagen: Hände weg von Libyen! Keine Beteiligung Deutschlands an völkerrechtswidrigen Auslandseinsätzen!

Wir müssen zurück zum Völkerrecht, zu den Regeln der UN, zu einem achtungsvollen Umgang der Staaten miteinander und friedlichem Ausgleich divergierender Interessen. Am 15.Februar erklärten die Gesandten von ca.80 Staaten vor dem UN-Sicherheitsrat gemeinsam ihre Entschlossenheit, die UN-Charta und das Völkerrecht zu schützen und die Souveränität und Unverletzbarkeit eines jeden Mitgliedsstaates als unantastbar zu respektieren. Es war eine richtige Revolte gegen die USA und ihre Mißachtung des Völkerrechts. Dabei waren Russland und China, aber nicht Deutschland. Unser Außenminister denkt bei UNO nur an Deutschland als weitere Vetomacht und gleichrangigen Mitspieler im Sicherheitsrat. Im Interesse der deutschen Kapitalisten fördert er im Windschatten der USA eigene imperiale Ansprüche als Führungsmacht der EU.

Jetzt ist in Rede, dass dazu unbedingt auch die Verfügung über europäische Atomwaffen gehöre. Deutschland hat 1975 durch die Ratifizierung des Nichtverbreitungsvertrags völkerrechtlich verbindlich auf jede unmittelbare und mittelbare Verfügungsgewalt über Atomwaffen verzichtet und das 1990 im Friedensvertrag (2+4) nochmals bekräftigt. Die nukleare Teilhabe in Büchel, wo deutsche Tornados den Abwurf von US-Atombomben trainieren, verstößt ganz offensichtlich dagegen. Vor 10 Jahren waren sich die Militärs darüber einig, dass die taktischen Atombomben in Büchel militärisch gesehen inzwischen ohne Wert seien. Man könne sie ohne weiteres abziehen. Für die deutsche Regierung geht es jetzt offenbar nur darum, der besonderen Kaste der Atommächte anzugehören und in der nuklearen Planungsgruppe der NATO mitdiskutieren zu dürfen. Deswegen will sie Büchel und das atomare Kriegspielen nicht aufgeben. Ja sogar für neue Flugzeuge in Büchel will sie Milliarden ausgeben. Aber der Ruf der Mehrheit in der Bevölkerung nach einem vollständigen Atomwaffenverbot wird nicht aufhören, bis auch unsere Regierung den Verbotsvertrag mit unterzeichnet. Erst dann wird ganz Deutschland atomwaffenfreie Zone sein.

Abschließend ein Wort zu der angekündigten Stationierung neuer Mittelstrecken-Atom-Raketen in Europa. Der INF-Vertrag wird im August auslaufen, das ist sicher. Weder die USA noch Russland wollen ihn erhalten. Insofern ist es müßig, noch lang darüber zu streiten, ob und welche Seite ihn wodurch verletzt hat. Nach meinem Überblick ist gesichert, dass die Abschussvorrichtungen für die Abwehrraketen in Rumänien und Polen technisch auch für den Abschuss von atomar bewaffneten Cruise Missiles und Raketen geeignet sind. Allein das genügt für eine eindeutige Vertragsverletzung seitens der USA.

Weiter: die USA haben längst luft- und seegestützte Cruise Missiles mit INF-Reichweite bis 5.500 km , die auch mit atomaren Sprengköpfen versehen werden können. Sie waren ja durch den INF-Vertrag nicht verboten. Es besteht also gar kein Bedarf für neue landgestütze Systeme. Wo sie aber dann stationiert werden, entstehen neue Ziele für den Gegenschlag. Westeuropa wird - wie schon in den 1980er Jahren – wieder zum potentiellen atomaren Schlachtfeld, Ramstein und Büchel vorneweg. Wir – nicht die durch Mittelstreckenraketen nicht errichbaren USA - sind dadurch extrem bedroht. Die kurze Zeit zwischen Abschuss und Einschlag einer Rakete von unter 5 Min. lässt keine Zeit zur Einschätzung, ob es sich um den Ernstfall handelt. Und einer Cruise Missile kann man nicht ansehen, ob sie mit einem herkömmlichen Sprengstoff oder einem atomaren Kopf ausgerüstet ist, wenn sie im Tiefflug unterhalb des Radars mit 800 km/h heranfliegt. Der Atomkrieg aus Versehen wird eine sehr reale Gefahr. Wir müssen verhindern, dass neue Atomwaffen irgendwo in Europa stationiert werden.

Das hat die Friedensbewegung gemeinsam in West- und Ost schon einmal geschafft. Und die Politik hat das nicht vergessen: sie geht davon aus, dass zumindest in Deutschland eine Neustationierung von Atomraketen wegen des zu erwartenden Widerstands der Bevölkerung nicht durchsetzbar ist.

Daran sollten wir durch wachsenden Protest auch jetzt keinen Zweifel aufkommen lassen! Keine neuen Atomraketen in Europa! Abrüsten statt Aufrüsten!

 

Gerhard Baisch ist aktiv beim Bremer Friedensforum.