Redebeitrag für den Ostermarsch Bruchköbel am 19. April 2019

 

- Sperrfrist: 19. April 2019, Redebeginn: 14 Uhr -

- Es gilt das gesprochene Wort -

 

Liebe Freundinnen und Freunde,

so wie ich ausschaue, werdet Ihr mir sicher glauben, dass ich gelegentlich vor Enkeln oder Urenkelinnen sitze und mit „Es war einmal“ beginne. Ihr seid zwar ganz sicher nicht meine Enkel. Trotzdem: Es war einmal.
Denn meine Geschichte, die ich Euch zu erzählen habe, hat schon was Märchenhaftes.

Es war einmal eine Stadtteil-Friedensinitiative Nürnberg-Nordost, die sich über eine Zeitungsnotiz anno 1992 ganz fürchterlich ärgerte. Kommt Euch das bekannt vor? Ich bin sicher, Ihr versteht unseren Ärger sehr gut. Da hieß es nämlich, dass in den Räumen des Industriemuseums ein Garnisonsmuseum unterkommen solle – und dass zur Eröffnung auch noch der bayerische Innenminister Beckstein antanzen würde. Wie sich die Bilder gleichen, oder?

So nicht, war damals unsere einhellige Meinung.

Außerdem hatten wir kurz zuvor mit einer fröhlichen Sektparty am Rande eines Großen Zapfenstreichs der Bundeswehr auf dem Hauptmarkt unter dem Transparent „Die Bundeswehr geht – wir bleiben. FI Nordost“ deren Abzug gefeiert.

Wir hatten vom letzten Ostermarsch 50 sehr große schwarze Holzkreuze, und die haben wir mit den Kriegen seit 1945 bestückt und uns vor dem Eingang bzw. den Besuchern aufgebaut.

Ihr könnt mir glauben, richtig blöd geschaut haben sie, die ganzen Anzug- und Uniformträger!

Das brachte uns überraschend große Publicity – und etliche neue Mitstreiter*innen. Gemeinsam überlegten wir, was nach unserem Protest jetzt denn Effektives als Gegenpol zu dem nicht mehr zu verhindernden Garnisonsmuseum von uns getan werden könnte.

In der FI Nordost hatten wir uns seit vielen Jahren schon mit Gewaltfreiem Widerstand, mit alternativen, ebenfalls gewaltfreien Verteidigungskonzepten beschäftigt. Wir hatten Trainigswochenenden, Blockaden von Militäreinrichtungen wie Großengstingen, Mutlangen, Fulda-GAP, Neu-Ulm, aber auch bei der WAA in Wackersdorf hinter uns. Wir haben sogar in einer ganzen Woche Klausur ein eigenes Gewaltfreies Verteidigungskonzept entwickelt. Danach ging es uns erst mal allen furchtbar schlecht, denn um Alternativen zu entwickeln, mussten wir uns natürlich mit dem vorhandenen Overkill und seinen möglichen Wirkungen befassen. Mit dem Konzept sind wir monatelang im ganzen Süden von Ini zu Ini getingelt und haben den Gedanken der Gewaltfreiheit in der Konfliktbearbeitung verbreitet.

Da bot sich als Ergänzung ein Friedensmuseum an, mit der Betonung auf Frieden und weniger auf Museum. Etwa drei Jahre haben wir bis zur Vereinsgründung diskutiert und geplant. Mit Räumen hat es dann noch einmal 3 Jahre gedauert bis zum März 1998 und ging auch nur mit privater Unterstützung der Vereinsebene. Um die gleichen städtischen Gelder wie für das Garnisonsmuseum mussten wir dann etliche weitere Jahre kämpfen. Aber kürzlich wurde dieser Zuschuß verdreifacht, ganz offensichtlich eine Anerkennung unserer richtigen und wichtigen Arbeit.

Langer Atem ist in der Friedensarbeit eine Hauptvoraussetzung,
das brauche ich euch hier sicher nicht als Neuigkeit verkaufen.

Damit ihr eine Größenvorstellung bekommt: Wenn wir alle Sitzmöglichkeiten nutzen und öfter mal lüften, bringen wir 45 Menschen bei Vortrags- und Diskussionsveranstaltungen unter. Für Gruppenarbeiten sollte die Zahl 20 nicht überschritten werden. Dazu kommen noch Büro, Toilette und Küchenecke. Als Lager für Materialien gibt es einen trockenen Kellerraum und etwas entfernt haben wir Archiv- und Lagerräume.

Aber was machen wir nun eigentlich in diesem ehemaligen Friseursalon? Es soll ein Ort der Friedenserziehung für Jugendgruppen, Schüler*innen- sowie Konfirmand*innen-Gruppen, aber auch für Erwachsene sein. Wir bieten gewaltfreie Trainings und Seminare an – und das wird auch genutzt. Ehrlich – es könnte nach meinem Gusto mehr sein. Aber klagen können wir wirklich nicht, die allermeisten Lehrkräfte kommen auf uns zu.

Bei den Vorträgen z.B. von Friedensfachkräften oder von Expert*innen zu Krisengebieten, zu Rüstungsexport, zu Kriegs- und Fluchtursachen haben wir – fast – immer Full House. Dazu gibt es noch eine Serie von Erzählcafes, bei denen meine Frau Menschen aus unserem Friedensdunstkreis zu ihrem Engagement für den Frieden befragt, die persönliche Entwicklung dazu in Bezug stellt und damit eine stattliche Porträtsammlung von Friedensschaffenden einem interessierten Kreis vorgestellt und auf Tonträgern zusammengetragen hat.

Und wir haben feste Öffnungszeiten an zwei Tagen in der Woche, ehrenamtlich besetzt, bezahlte Stellen gibt es leider nicht.

Alles zusammen jährlich schätzungsweise etwa 30 mal Friedenswerbung vom Feinsten.

Natürlich, ich geb es ja zu: Ein genauso lächerlicher Klacks wie die Bundeshaushalts-Kostenstelle für Zivilen Friedensdienst beim Entwicklungshilfeministerium gegenüber den Milliarden für die Bundeswehr. Bei uns findet dieser Vergleich auf Schulebene statt. Die Werbung der Bundeswehr in den Schulen ist in Bayern sogar gesetzlich geregelt – wir dagegen kommen in Schulen nur auf Einladung einer Lehrkraft und bei Wohlwollen des Direktoriums. Oder die Kids müssen halt zu uns kommen.

Jetzt noch zu unserer Museumsarbeit: Das Konzept sah vor, dass wir für jede Jahres-Dekade seit 1945 eine Ausstellung über die Friedensarbeit in Nürnberg und der Region, über Initiativen und herausragende Persönlichkeiten, die sich um den Frieden bemüht haben, erarbeiten und ausstellen. So entstanden in den Jahren 6 Ausstellungen, die nicht nur im Museum, sondern auch anderswo in der Region gezeigt wurden. Und öfter mal wird auf Teile verschiedener Jahrgänge rückgegriffen. Dazwischen zeigen wir Ausstellungen von überregionaler Bedeutung anderer Organisationen, auch mal künstlerische Installationen zu unserem Themenkreis. Derzeit zeigen wir „WoW“, eine umfangreiche Roll-up-Ausstellung über zivile, gewaltfreie Konfliktlösung, die wir vor einigen Jahren in Zusammenarbeit mit dem Forum Ziviler Friedensdienst erstellt hatten und die nach einem erstaunlich erfolgreichen Touring durch die BRD verschlissen war und erneuert werden musste. Sie wurde erneuert, aktualisiert und erweitert – und sie steht ab sofort wieder zur Ausleihe bereit.

Ich kann und will Euch ermutigen. Traut Euch den langen Atem zu. Haltet dagegen. Es ist nicht schwer, besser und interessanter zu sein als die Kommissköppe.

Liebe Friedensbewegte, wir sollten hier eigentlich zu Tausenden stehen, nicht nur hier, sondern in jeder Stadt Deutschlands, die auch nur ein bißchen was auf sich hält.

Es ist nämlich längst Feuer unterm Dach, für den Kampf um unsere Umwelt und den Stop des Klimawandels fehlt es doch in diesem Staat an Mut und Entschlossenheit sowie der entsprechenden Mittelverteilung.

Da müssen unsere Kinder und Jugendlichen mittlerweile schon die Schule schwänzen, um mit ihren Ängsten und Forderungen durchzudringen. Klasse, das freut mich jeden Freitag. Weiter so!

Dabei ist der Schwachsinn unserer Haushaltspolitik ja geradezu mit Händen zu greifen. Alleine dieser Irrwitz von NATO-Beschluß mit den 2 Prozent Verteidigungsausgaben.

Ein einziger Blick auf die Statistik zeigt, dass dies bedeuten würde, dass alleine die BRD dann höhere Militärausgaben hätte als der „böse Feind“ Rußland. Hier habe ich eine Statistik von 2017, die die militärische Stärke der NATO mit Russland vergleicht. Ihr braucht die einzelnen Waffengruppen garnicht im Detail erkennen – was aber auch der letzte halbblinde Brillenträger locker erkennen kann, ist doch, dass fast alle Balken rechts bei der NATO erheblich länger sind als links bei Russland. Was soll da eine Ausgaben-Erhöhung um bis zu 100 % und mehr bei der NATO?

Meine Meinung in Kurzform: Das ist Profitstreben der Rüstungsindustrie in Reinform mit willfähriger Unterstützung aus dem Bundestag!

Wir müssen unsere Energien auf allen Ebenen für Frieden, Abrüstung, Völkerverständigung und eine gerechtere, friedliche Welt einsetzen – anders wird das nix.

Und wir werden wohl nicht drum rum kommen: Unser Wahlverständnis muss sich ändern. Schmeissen wir Traditionen und Parteitreue auf die Seite: Gewählt werden von uns nur noch die Kandidat*innen, die glasklare Zusicherungen geben, sich gegen Profitstreben, gegen die Schere in unserer Gesellschaft, gegen Militär und Rüstung einzusetzen und stattdessen für sozialen Zusammenhalt, Ausgleich der Vermögenssituation, Abschaffung von Rüstung und Militär und weltweite Gerechtigkeit zu arbeiten – nein falsch: Das wird kein Arbeiten in den Parlamenten, sondern eine harte Ochsentour werden. Aber nur so werden wir dieses Land zu einem gerechten, sozialen und friedlichen Staat umbauen.

Und noch was: Lasst uns den INF-Vertrag retten,
es war bisher unser größter Erfolg, der darf nicht so en passant weggeworfen werden.

Und zuletzt: Nein, nein, nicht den klassischen Märchenschluß: Und wenn sie nicht gestorben sind …

Ich fordere: Löst endlich den einstimmigen Bundestagsbeschluß von vor vielen Jahren ein:
Büchel muss von Atomwaffen geräumt werden, diese Republik soll endlich nicht nur frei von Atomkraftwerken, sondern auch atomwaffenfrei werden.

Wir sollten gemeinsam laut werden:

AKWs abschalten – Atomwaffen abrüsten!
AKWs abschalten – Atomwaffen abrüsten!
AKWs abschalten – Atomwaffen abrüsten!

Und für ein Friedensmuseum Hanau!
Und für ein Friedensmuseum Hanau!
Und für ein Friedensmuseum Hanau!

Vielen Dank.

 

Hans-Günther Schramm ist aktiv beim Friedensmuseum Nürnberg.