Redebeitrag für den Ostermarsch Delmenhorst am 20. April 2019

 

- Sperrfrist: 20. April 2019, Redebeginn: 11 Uhr -

- Es gilt das gesprochene Wort -

 

Liebe Kolleginnen und Kollegen,
liebe Friedensfreundinnen und Friedensfreunde,

lasst uns über Solidarität für den Wikileaks-Gründer Julian Assange reden. Die Friedensbewegung verdankt diesem mutigen Menschen Beweise über den Bruch des Völkerrechts durch US-Militärs im Irak und in Afghanistan, über Kriegsverbrechen, Folter und Beschuss von Zivilisten. Die Vorgänge in Guantanamo wären ohne ihn im Dunkeln geblieben. Chelsea Manning nutzte das Netzwerk, um Video „Collateral Murder“ zu veröffentlichen, in dem US-Soldaten aus einem Hubschrauber heraus feixend Zivilisten im Irak erschießen. Auch bei den Enthüllungen von Edward Snowden über illegale Spionagepraktiken der NSA spielte Wikileaks eine überragende Rolle. Am Montag (15.4.) ließ die Londoner Metropolitan Police die Katze aus dem Sack: Die Verhaftung von Assange geschah "im Auftrag der amerikanischen Behörden" im Rahmen eines Auslieferungsbefehls. Hier versuchen also jene Kräfte, die für die genannten Verbrechen verantwortlich sind, Julian Assange auszuschalten und zugleich alle investigativ tätigen Journalisten einzuschüchtern. Diesem Plan stellen wir uns in den Weg! Wir verlangen von Großbritannien: Keine Auslieferung an die USA! Asyl für Julian Assange in Deutschland!

 

Liebe Kolleginnen und Kollegen,
liebe Friedensfreundinnen und Friedensfreunde,

wir haben uns heute versammelt, um zu erklären: Wir wollen Frieden statt NATO! Wir wollen Abrüstung statt Aufrüstung!

Vor wenigen Tagen wurden 70 Jahre NATO gefeiert. Dieses Militärbündnis wurde medial als Friedensgarant für Europa dargestellt. Die Tatsachen sehen anders aus!

Vor 20 Jahren bombardierte die NATO in einem selbstermächtigten Angriffskrieg Jugoslawien. Zu den ersten Bomberstaffeln zählten Flieger der Bundesluftwaffe. Damit startete die Bundeswehr erstmals in einen out-of-area-Kriegseinsatz mitten in Europa! In Afghanistan, Irak, Syrien, Mali usw. folgten weitere Einsätze. Diese lehnen wir ebenso ab, wie den Überfall auf Jugoslawien!

1999 wurden in Jugoslawien durch die NATO zahlreiche Menschen getötet und eine gigantische Umweltkatastrophe herbeigebombt. Noch heute erkranken dort Menschen an Krebs, der durch die eingesetzte Uranmunition verursacht wird.

In der Folge des Krieges haben die USA die größte Militärbasis auf dem Balkan im Kosovo errichtet. Hierin zeigt sich auch eines der strategischen Ziele dieses Völkerrechtsbruches: Es ging den USA um die Durchsetzung ihres Weltherrschaftsanspruchs! Diese schändliche Politik sehen wir aktuell auch im Zusammenhang mit Venezuela!

Halten wir fest: Der NATO-Krieg gegen Jugoslawien ist ein Verbrechen gegen das Gewaltverbot der UNO. Er wurde mit Unterstützung von ARD und ZDF, Spiegel, Stern, Die Zeit, FAZ, Bild und sonstigen selbsternannten „Qualitätsmedien“ herbeigelogen und als humanitärer Einsatz verkauft. Außenminister Fischer sprach von einem neuen Auschwitz und Kriegsminister Scharping von einem Hufeisenplan zur ethnischen Säuberung des Kosovo. Heute wissen wir: Es war alles gelogen: Es gab kein neues Auschwitz und es gab keinen Hufeisenplan! Stattdessen prahlt Altkanzler Schröder damit: „Ja, wir haben das Völkerrecht gebrochen. Der Einsatz in Jugoslawien war ein Paradigmenwechsel der deutschen Militärpolitik.“ Außenminister Heiko Maas findet diesen illegalen Krieg noch heute „richtig“.

Dieser Mann ist auch sonst ein Totalausfall, wenn es um die friedliche Zukunft unseres Landes geht! Dies wird insbesondere im Zusammenhang mit dem INF-Vertrag über das Verbot atomarer Mittelstrecken in Europa sichtbar. Machen wir uns nichts vor: Die Kündigung des Vertrags durch Trump nützt nur den Interessen der USA: In Europa wächst die militärische Konfrontation, sie fördert das Misstrauen und gibt den USA die Option, einen Krieg fern von New York und Washington führen zu können. Da drängt sich die Frage auf: Was macht die Bundesregierung, um ein neues Wettrüsten abzuwenden? Am 3. April konnten wir im Weser-Kurier lesen: „Maas fordert Abrüstungsplan“. Einen Abrüstungsvorschlag nennt er nicht. Wenn man bedenkt, dass die BRD aktuell den Vorsitz im UN-Sicherheitsrat hat, ist das schlicht ein Skandal. Damit finden wir uns nicht ab. Wir verlangen eine UN-Initiative der Bundesregierung mit folgendem Ziel: Militärspezialisten der USA und UN-Waffeninspektoren erhalten freien Zugang zu den fraglichen russischen Raketen. Im Gegenzug erhalten Militärspezialisten Russlands und UN-Waffeninspektoren freien Zugang zu den fraglichen amerikanischen Raketen-Systemen der NATO in Rumänien, Polen und möglicherweise an anderen Orten.

Alles muss auf den Tisch!

Es ist unsere Aufgabe, jetzt den politischen Druck auf die Bundesregierung zu erhöhen. Wir fordern: „Alles für den Erhalt des INF-Vertrages! – Kein erneutes atomares Wettrüsten in Europa! – Deeskalation jetzt!“ 

 

Liebe Friedensfreundinnen, liebe Friedensfreunde!

Wenn wir schon bei Atomwaffen sind, lasst uns an dieser Stelle über Büchel sprechen. Täglich trainieren dort Piloten der Bundeswehr den Abwurf dieser Bomben über europäischen Städten. Als 2010 im Bundestag mehrheitlich der Beschluss zum Abzug dieses Atombombenarsenals fiel, reiste Angela Merkel als CDU-Vorsitzende zu Barak Obama, um den Falken in den USA zu versichern, dass sie den Abzug der Bomben verhindern wird. So macht die Dame auch klar, was sie unter „repräsentativer Demokratie“ versteht: Sie macht was sie will. Das Votum des Parlaments ist ihr egal!

An dieser Stelle geht mein besonderer Dank an die ICAN-Initiative, zu Deutsch: Internationale Kampagne zur Abschaffung der Nuklearwaffen. Zu Recht wurde diese Initiative 2017 mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet. 128 Staaten der UNO haben sich dieser Initiative bereits angeschlossen. 52 Staaten haben ihre Zustimmung bereits ratifiziert. Von Außenminister Maas erwarten wir, dass er den gegenwärtigen Vorsitz im UN-Sicherheitsrat für ein starkes politisches Signal nutzt: Wir verlangen die sofortige Unterzeichnung dieses Atomwaffenverbots-Vertrags durch die Bundesregierung. Was wir jetzt brauchen ist eine Dynamik der Abrüstung und nicht der Aufrüstung!

Wie nicht anders zu erwarten, war die Feier zu 70 Jahren NATO auch wieder eine große Show zur Mobilisierung von Steuergeld für Aktionäre der Rüstungsindustrie. Interessant ist in diesem Zusammenhang wieder Heiko Maas. Wie wir bereits hörten, forderte er am 3. April vor der UNO einen „Abrüstungsplan“. Einen Tag später erklärt er vor seinen NATO-Kumpeln: Wir werden das 1,5 %-Ziel des BIP und später auch das 2 %-Ziel erfüllen!

Was das mit einem Abrüstungsplan zu tun hat, bleibt sein Geheimnis. 2 % vom BIP bedeuten allein für Deutschland ca. 80 Mrd. Euro für das Kriegshandwerk. Russland, das angeblich immer aggressiver wird, gibt etwa 63 Mrd. Euro aus.

Summiert man die 680 Mrd. der USA sowie die Rüstungsausgaben Frankreichs, Großbritanniens und der anderen EU-Staaten hinzu, erkennt man schnell, dass die angebliche Bedrohung der EU durch Russland eine Mär ist. Es ist vielmehr das Feindbild Russland, das benötigt wird, um unserer Bevölkerung die Idiotie der Hochrüstung schmackhaft zu machen. Zugleich ist diese Aufrüstung zutiefst asozial! Die Mittel für Rüstung bereichern wenige Rüstungsaktionäre und Kriegstreiber. Genannt seien in unserer Region: die Lürssen-Werft, OHB, Airbus, Atlas Electronic, Rheinmetall Defence – diese verdienen sich dumm und dämlich. Zugleich fehlen diese Gelder für Infrastruktur, Bildung, gute Renten und bezahlbare Mieten. An dieser Stelle ein Wort an jene Kolleginnen und Kollegen, die in Rüstungsbetrieben arbeiten: Lasst uns gemeinsam Wege für die Konversion in zivile Produktion suchen. Rüstung ist hoch subventioniert. Ich bin sicher, dass wir mit diesen Mitteln hochwertige Arbeitsplätze schaffen können, die einem schöneren Leben für alle dienen. Zum Beispiel moderne Verkehrssysteme, sauber Flüsse und saubere Luft!

Es lohnt sich in diesem Zusammenhang, den Kriegstreibern im wahrsten Sinne des Wortes aufs Maul zu schauen, z. B. Ursula von der Leyen auf der Münchener Sicherheitskonferenz: „Die Forderungen, die schon Präsident Barack Obama immer wieder anmahnte sind berechtigt. Wir müssen mehr tun im Bündnis, das ja unserem Schutz dient“. Deutschland sei trotz eines schon gestiegenen Wehretats realistisch. „Wir wissen, dass wir noch mehr tun müssen. Gerade wir Deutschen“, sagte sie.
Angesichts der Kriegsverbrechen der Deutschen Wehrmacht im Zweiten Weltkrieg mit dem Überfall auf Polen und den 27 Mio. Toten in der Sowjetunion ist man nur noch fassungslos über die Rhetorik dieser Dame. Kanzlerin Merkel reiht sich hier nahtlos ein. Mit der kürzlich erfolgten Freigabe von Waffenexporten durch die Hintertür versetzt sie die Halsabschneider in Saudi Arabien und den Vereinigten Emiraten in die Lage, im Jemen weiterhin Menschen zu töten, die Infrastruktur zu zerstören und Kinder verhungern zu lassen. Das ist einfach unerträglich und muss sofort beendet werden. Wir fordern den sofortigen Stopp von Waffenexporten in Kriegsgebiete!

Hören wir Frau Merkel weiter zu: Gemeinsam mit Frankreich will sie eine kampfstarke EU-Armee aufbauen, die zur Krönung auch noch einen Flugzeugträger beinhalten soll.

Merkel sagt: „Das ist nicht gegen die NATO gerichtet, sondern Ergänzung.“ Das ist mal Klartext! Dazu gehört auch ihr großes Schweigen zu jenen Kriegsverbrechen, die die USA über die Air Base Rammstein steuern. Die von dort begangenen völkerrechtswidrigen Drohnen-Morde verstoßen klar gegen das Grundgesetz. Dieses besagt: Von deutschem Boden darf nie wieder Krieg ausgehen. Wir verlangen das sofortige Verbot der todbringenden Drohnen-Einsätze über Rammstein.

Ausdruck findet die merkelsche Ergänzungspolitik zur NATO auch in PESCO – zu Deutsch Ständige Strukturierte Zusammenarbeit. Hinter diesem Titel verbergen sich die Synchronisierung der nationalen Streitkräfte und die Durchführung von gemeinsamen Rüstungsprojekten innerhalb der EU. Der Abbau von bürokratischen Barrieren soll zu einer Art „militärischem Schengen“ führen ­– d. h. freie Fahrt auf Bahn und Straßen für die NATO-Konvois Richtung Russland. In diesem Licht ist auch die Ankündigung zu sehen, dass hier in Delmenhorst ein neues NATO-Bataillon stationiert werden soll, das hauptsächlich die Logistik für amerikanische Panzer, Kanonen und Soldaten Richtung Osten übernehmen soll. Das in Russland so kein Vertrauen in die deutsche Außenpolitik wachsen kann, liegt auf der Hand. Diese Eskalationsstrategie lehnen wir entschieden ab!

 

Liebe Friedensfreundinnen, liebe Friedensfreunde,
liebe Kolleginnen und Kollegen,

lasst uns heute über eine Welt nachdenken, die eine andere Richtung nimmt. Das es möglich ist, auch in scheinbar aussichtsloser Weltlage eine neue Strategie zu entwickeln, wurde durch Willy Brandt und sein Team deutlich.

Gegen den erbitterten Widerstand der CDU/CSU wurde damals eine neue Ostpolitik durchgesetzt, die schlussendlich in Gorbatschows Konzept des „gemeinsamen Hauses Europa“ und der „Charta von Paris“ ihre Entsprechung fand. Sergei Lawrow, Außenminister Russlands, hat auf der bereits erwähnten Münchener Sicherheitskonferenz für eine Rückkehr zu friedlichen und freundschaftlichen Beziehungen in Europa geworben. Wir sollten dieses Angebot aktiv aufgreifen. Darum sage ich heute auch in aller Deutlichkeit: Schluss mit den Sanktionen gegen Russland! Wir brauchen Signale der politischen und militärischen Entspannung.

Ein erster Schritt könnte der sofortige Abzug der Bundeswehr von der russischen Grenze sein! Was wir brauchen ist eine neue Vertrauensbildung – ist ziviler und kultureller Austausch, – ist Handel und gute Nachbarschaft in einem gemeinsamen Haus Europa, das diesen Namen verdient!

Abschließend lässt sich sagen: Wir stehen nicht alleine da. Weltweit arbeiten Menschen am Thema Frieden. Ein Beispiel ist die ICAN-Kampagne! Bemerkenswert sind auch die Ostermärsche an diesem Wochenende mit Zehntausenden Friedensbewegten in über 100 Städten und Orten unseres Landes. Ein aktueller Beitrag zur Entwicklung des Widerstandes gegen Kriegstreiberei ist ein Buch, das kürzlich unter dem Titel: „Warum wir Frieden und Freundschaft mit Russland brauchen“ das Licht der Welt erblickte. Dort sind die Ansichten von Egon Bahr, Matthias Platzeck, Peter Gauweiler, Antje Vollmer, Oskar Lafontaine, Gabriele Krone-Schmalz, Matthias Bröckers, Harald Kujat, Albrecht Müller, Konstantin Wecker  u. a. versammelt und zeigen Aspekte auf, wie das Verhältnis zu Russland normalisiert werden kann. Diesem Gedanken folgt auch die Initiative für Deutsch-Russische Friedenstage in Bremen, die wir im November veranstalten wollen!

Und seien wir zuversichtlich: Trotz der geballten Konfrontationspolitik  der NATO und der EU sowie deren massiven Unterstützung in den Medien sprechen sich mehr als 80 % unserer Bevölkerung für ein konstruktives Verhältnis zu Russland aus. Nur noch 54 Prozent der Deutschen sind für eine Mitgliedschaft in der NATO. Vor zwei Jahren waren es noch 68 Prozent. Und noch eine schöne Nachricht: Der Senat der Freien Hansestadt Bremen hat Anfang April den Beitritt zu dem von ICAN Deutschland initiierten "Bündnis der Städte gegen Atomwaffen" beschlossen.

Hier zeigt sich die große Wirkung der Friedensbewegung, die an vielen Orten und zu vielen rüstungspolitischen Fragen aktiv ist. Bleiben wir also optimistisch: Nutzen wir den anstehenden EU-Wahlkampf auch für unsere friedenspolitischen Ziele. Wir sagen: Nein zur NATO! Wir sagen: Ja zum Frieden!

 

Horst Otto ist aktiv beim Bremer Friedensforum.