Redebeitrag für den Ostermarsch Nürnberg am 22. April 2019

 

- Es gilt das gesprochene Wort -

 

Liebe Ostermarschiererinnen und Ostermarschierer,
liebe Freundinnen und Freunde,

die Welt ist nicht sicherer geworden seit dem Ende des Kalten Krieges vor 30 Jahren.

Vor 20 Jahren, am 24. März 1999, begann der NATO-Angriff auf Jugoslawien. Unter Beteiligung der Bundeswehr fielen Bomben auf Belgrad. Diesem völkerrechtswidrigen Krieg - ohne Mandat der UNO - fielen mehr als 2.000 Menschen zum Opfer.

Der ehemalige Bundeskanzler Schröder sagte damals im Fernsehen: „Wir führen keinen Krieg, aber wir sind aufgerufen eine friedliche Lösung im Kosovo auch mit militärischen Mitteln durchzusetzen“.

Der ehemalige Brigadegeneral der OSZE, Heinz Loquai, stellte dagegen fest: „Der Krieg verhinderte die Katastrophe nicht, sondern machte sie in dem bekannten Ausmaß erst möglich.“

Dieser Krieg markierte das Ende der Nachkriegszeit in Europa. Zu seiner Rechtfertigung wurde eine „humanitäre Katastrophe“ ausgerufen, die Beweise dafür blieben aus oder wurden im Nachhinein als Lügen entlarvt.

 

Liebe Freundinnen und Freunde,

heute ist die NATO das mächtigste und am schwersten bewaffnete Militärbündnis der Welt.

Die NATO-Staaten geben rund 1000 Mrd. US-Dollar im Jahr fürs Militär aus, der US-Verteidigungshaushalt lag 2018 bei 643 Mrd. US-Dollar. Zum Vergleich: Russland hat umgerechnet 63,1 Mrd. US-Dollar ausgegeben und China liegt bei 168 Mrd. US-Dollar.

Man fragt sich, wer bedroht hier wen?

Die Bundesrepublik steht bei Rüstungsexporten weltweit an 4. Stelle.

Rüstungsexporte töten Menschen, vernichten die Umwelt und machen Städte und Dörfer unbewohnbar. Rüstungsexporte führen zu Flucht und Elend.

Froh über das Exportverbot von Rüstungsgütern in Krisengebiete mussten wir feststellen, dass auch da ein Hintertürchen gefunden wurde. Nach aktuellem Beschluss der Bundesregierung wird er z.B. bei einer deutsch-französischen Koproduktion hinfällig. Über Frankreich werden die Waffen mit deutschen Bauteilen nach Saudi-Arabien exportiert. Die Saudis müssen nur versichern, dass sie nicht im Jemen Krieg eingesetzt werden. Doch wer kontrolliert das?

Kann denn auf einem solchen Fundament eine soziale, ökologische und friedliche EU entstehen? Wer da noch falsche Vorstellungen hat, schaue einfach ins Mittelmeer. Der EU-Kommissar für Migration geht davon aus, dass seit dem Jahr 2000 etwa 35.000 Menschen auf der Flucht an den europäischen Außengrenzen ums Leben kamen. Welch eine Schande!

Von der US-Air-Base in Ramstein werden die Drohneneinsätze in Kriegsgebiete organisiert und durchgeführt. Die US-Atomwaffen in Büchel sollen modernisiert werden. Das erhöht unsere Sicherheit nicht. Im Gegenteil. Die Kündigung des „Vertrags über den Aufenthalt ausländischer Streitkräfte in der BRD“ ist überfällig. Das würde auch die Probleme der Menschen in Katterbach, Grafenwöhr und Illesheim lösen.

 

Liebe Freundinnen und Freunde,

Seit Monaten wird uns weisgemacht, dass die Bundeswehr nur noch marode Panzer und Flugzeuge hat.

Lassen wir uns nicht täuschen. Über 43 Milliarden Euro hat dieser Laden im Jahr 2019 zur Verfügung. Damit werden die Bundeswehreinsätze in über 14 Ländern finanziert: in Afghanistan, Mali, Jordanien um nur einige zu nennen.

Was „mehr Verantwortung übernehmen“ genannt wird, ist in Wahrheit die Sicherung der wirtschaftlichen Interessen unserer großen Konzerne, der freie Zugang zu Handelswegen und Rohstoffen. Weil er das zur Unzeit öffentlich ausgesprochen hat, musste vor einigen Jahren Bundespräsident Köhler seinen Hut nehmen.

 

Liebe Freundinnen und Freunde,

deutsche Nato-Panzer stehen wieder an den Grenzen Russlands.

Die USA, die NATO und die EU betreiben seit 1991 eine Politik der Einkreisung und Destabilisierung Russlands. Das geschieht mit Wirtschaftssanktionen und zunehmend auch mit der militärischen Einkreisung Russlands. Seit 2014 gibt es eine Zuspitzung der militärischen Konfrontation.

Die NATO-Osterweiterung, die Stationierung von NATO-Raketen auf dem Gebiet des ehemaligen Warschauer Paktes, der im Gegensatz zur Nato aufgelöst wurde, der Versuch, auch die Ukraine in die NATO einzugliedern, das alles sind Bestandteile einer abenteuerlichen Kriegspolitik.

Das AEGIS-Raketensystem, irreführend auch „Raketenabwehrschild“ genannt, stationiert auf vier Kriegsschiffen und in Rumänien und Polen, kann nicht nur Raketen abfangen. Es kann auch als Abschussanlage eingesetzt werden. Es verkürzt die Raketen-Vorwarnzeiten für Russland. Das kennen wir aus den 80ern. Auch damals wollten die USA sich so eine „ risikofreie“ nukleare Erstschlagsfähigkeit sichern, indem ein Gegenschlag ausgeschaltet wird.

Damit vergrößert sich auch die Möglichkeit einer Fehlreaktion. Denn auch Russland wird aufrüsten.

 

Liebe Freundinnen und Freunde,

die Toten von 2 Weltkriegen mahnen uns:

Wir brauchen keinen Militäraufmarsch gegen Russland, keine neue Ostfront, keinen neuen kalten Krieg. Wir wollen keine Feindbilder und keine Dämonisierung Russlands. Und auch keinen vorauseilenden Gehorsam, wer am schnellsten russische Diplomaten ausweist ohne Prüfung der Vorwürfe.

Im Gegenteil: Wir brauchen eine neue Entspannungspolitik, eine Sicherheitspartnerschaft, kulturelle und wirtschaftliche Zusammenarbeit zum gegenseitigen Nutzen, Völkerverständigung und gute Nachbarschaft mit Russland. Wir brauchen Abrüstung statt Aufrüstung.

 

Liebe Freundinnen und Freunde,

seit Wochen demonstrieren und streiken weltweit hunderttausende junger Menschen für ihre Zukunft, für wirksamen Klimaschutz und den Erhalt unserer natürlichen Lebensgrundlagen. Auch in Nürnberg gehen viele Schülerinnen und Schüler für ihre Zukunft auf die Straße. Das unterstützen wir.

In einem Aufruf haben Naturwissenschaftlerinnen und –Wissenschaftler formuliert „So wie Umweltzerstörung den Frieden gefährdet, so stehen Gewalt und Krieg einer nachhaltigen Entwicklung im Wege. Ein nuklearer Winter durch einen Atomkrieg wäre nicht nur das Ende der Menschlichen Zivilisation, sondern auch eine Bedrohung für das Leben auf der Erde“. Und sie fordern: „Um die notwendigen Veränderungen zu finanzieren und zu realisieren, muss der gefährliche und kostspielige Aufrüstungskurs beendet werden.“

Klimaschutz braucht Abrüstung! Auch hier gilt: Frieden ist nicht alles, aber ohne Frieden ist alles nichts!

Mit Abrüstung wäre unsere Welt nicht nur sicherer. Es würden Milliarden frei für dringende soziale Aufgaben.

Für den Bau von bezahlbaren Wohnungen, für attraktiven und preiswerten öffentlichen Nahverkehr, für mehr Kindertagesstätten, für mehr Pflegeplätze und für die Einstellung von mehr Pflegekräften in Krankenhäusern und Pflegeheimen, für Renten, von denen man Leben kann, für die Integration von Flüchtlingen … um nur einiges zu nennen.

Deshalb möchte ich mit einer Bitte abschließen:

Unterstützen Sie die Initiative „Abrüstung statt Aufrüstung“, die bereits über 140.000 Menschen in unserem Land unterzeichnet haben.

Nehmen Sie Listen mit nach Hause. Sammeln Sie bei Freunden, Nachbarn und Arbeitskollegen.

Helfen Sie mit, dass die Bewegung breiter wird, dass die „schweigende Mehrheit“ nicht mehr schweigt sondern sichtbar wird.

Abrüstung und Entspannung ist das Gebot der Stunde.

 

Marianne Dorschner-Brunner ist aktiv beim Deutschen Freidenkerverband und beim Nürnberger Friedensforum.