Redebeitrag für den Ostermarsch Wedel am 20. April 2019

 

- Es gilt das gesprochene Wort -

 

Liebe Friedensfreundinnen und Friedensfreunde,

es läuft einiges schief in unserem Land. Aber nicht nur bei uns, sondern in der ganzen Welt. Aber eins nach dem anderen. Erst mal wollen wir unseren Blick auf Deutschland werfen.

Erstes Beispiel:

Viele Menschen suchen bezahlbaren Wohnraum. Die Mieten explodieren, und dies insbesondere in Ballungsräumen. Wedel gehört in diesem Sinne schon lange dazu. Es ist also kein Wunder, dass sich in Berlin eine Initiative zur Enteignung von Wohnungskonzernen gegründet hat. Unterschriftensammlungen und große Demonstrationen prägen dieses Thema, ein Thema, das in aller Munde ist. Und was tut die Politik in diesem Moment? Unsere Kanzlerin Angela Merkel wird zitiert mit der Aussage: „Es ist der glatt falsche Weg.“ Der FDP-Vorsitzende Lindner äußert hierzu: „Enteignung schafft nicht eine zusätzliche Wohnung.“ Und die AfD findet sich in der Lobbyrolle für unsere Wirtschaft wieder und warnt davor, Investoren zu verschrecken. Im Bundeshaushalt für den sozialen Wohnungsbau ist 2019 ein Betrag von 1,5 Milliarden Euro eingeplant. Für die Jahre 2020 und 2021 sind insgesamt 2 Milliarden vorgesehen. Fachleute gehen von einer Notwendigkeit von ca. 10 Milliarden Euro jährlich aus.

Zweites Beispiel:

Der Bereich Bildung ist chronisch unterfinanziert in unserem Land. Von der Kindertagesstätte bis zur Ganztagsschule fehlen ca. 8 Milliarden jährlich, nur um europäische Standards zu erreichen.

Fast beliebig könnten die Politikfelder mit Problemen fortgesetzt werden. Wir reden hier über das Gesundheitswesen allgemein und die Pflege im Besonderen, über die Rente, über den Verkehr, über die Umwelt und das Klima. Zu dem einen oder anderen Punkt werden sicherlich die nach mir folgenden Redner der Seebrückeninitiative und von Fridays for future etwas ausführen. Ich bin zutiefst davon überzeugt, dass ohne mehr soziale Gerechtigkeit der soziale Frieden in unserem Land kaum zu bewahren - oder vielleicht müssen wir ehrlicherweise sagen kaum zu erreichen - sein wird. Viele dieser Problemfelder wären mit zusätzlichen Haushaltsmitteln sehr viel positiver darzustellen. Aber genau jetzt diskutiert die Politik die Rüstungsausgaben auf 2 % des Bruttoinlandsproduktes zu erhöhen. Das klingt nicht viel, wären aber für die Bundesrepublik Deutschland 30 Milliarden Euro zusätzlich an jährlichen Rüstungsausgaben. Überhaupt – Rüstungsindustrie, eine Branche, die ihre Geschäfte gerne im Verborgenen, im Hinterzimmer macht. Aber das klappt nicht immer. Erst kürzlich hat das Landgericht Stuttgart sich mit dem Rüstungskonzern Heckler & Koch beschäftigen müssen. Es ging hierbei um den Export von Sturmgewehren und Maschinenpistolen nach Mexiko. Ein Export, der keine Genehmigung hatte und das Landgericht hat hierfür eine Strafe von 3,7 Millionen Euro für den Konzern Heckler & Koch und für die verantwortlichen Manager eine Bewährungsstrafe von 22 Monaten und 800.000 € Geldstrafe verhängt. Ein weiteres Beispiel ist die Firma Sig Sauer aus Eckernförde in Schleswig-Holstein. Hier wurden 38.000 Pistolen nach Kolumbien exportiert. Auch hierfür lag keine Genehmigung vor. Das Ergebnis waren zweimal 11 Monate und einmal 1 Jahr und 10 Monate Freiheitsstrafe auf Bewährung und Geldstrafen von zweimal 90.000 € und einmal 900.000 €. Ich habe mal gelernt, dass Geldstrafen in solchen Momenten mit dem Einkommen in Verbindung stehen. In der Rüstungsindustrie scheint man gutes Geld zu verdienen. In diesem Zusammenhang hat der Report Mainz berichtet, dass Spenden geflossen sind an FDP-Politiker in Höhe von zweimal 5.000 € und an einen CDU-Wahlkreis in Höhe von 10.000 €. Ein Schelm, wer dabei Böses denkt.

Soweit ein kleiner Ausflug in die Moral der Rüstungsindustrie. Die Konsequenz hieraus kann doch nur lauten: Stopp aller Waffenexporte aus unserem Land! In den 80er Jahren haben wir mal den Spruch: „Schwerter zu Pflugscharen“ gehabt. Vielleicht müssen wir diesen auf aktuelle Bedingungen updaten. Mein Vorschlag wäre: „Kampfdrohnen zu Windrädern“. An dieser Stelle werden wir gerne mit dem Totschlag-Argument der Arbeitsplätze in der Rüstungsindustrie konfrontiert. Aber auch hier schafft ein Blick auf die Zahlen Realität. Die Militärausgaben 2019 lagen bei 43 Milliarden Euro. Beschäftigte Arbeitnehmer in der Rüstungsindustrie waren gleichzeitig weniger als 100.000. Im Bereich der erneuerbaren Energien wurden 2017 16 Milliarden Euro Investitionen getätigt. Beschäftigte Arbeitnehmer in diesem Bereich sind ca. 350.000. Und trotzdem, ich sag es noch einmal, diskutieren maßgebliche Teile unserer Politik die Erhöhung der Militärausgaben um jährlich 30 Milliarden Euro!

Da ist es kein Wunder, dass sich die Initiative „Abrüsten statt Aufrüsten“ gegründet hat. Quer durch die Gesellschaft haben sich Menschen zusammengetan, gegen diesen Irrweg zu protestieren. Seit 2017 haben mehr als 140.000 Menschen diesen Aufruf mit ihrer Unterschrift unterstützt. Und sollte es hier und heute noch jemand geben, der diesen Aufruf noch nicht unterschrieben hat, heute ist eine gute Gelegenheit dazu.

Wir müssen diesen Irrweg verhindern, wir müssen erreichen, dass nicht mehr, sondern weniger Rüstungsausgaben getätigt werden.

Zwei Bemerkungen zum Schluss:

Bei aller berechtigten und notwendigen Politikkritik müssen wir darauf achten, dass wir uns nicht fangen lassen von populistischen Rattenfängern aus der rechten Ecke. Es geht nicht darum, dass der Michel aufwacht oder Merkel weg muss. Die geht von ganz alleine. Es geht auch nicht darum, wie immer wieder zu hören ist, unser Land oder gar Europa zu destabilisieren, wie es einige Parteien verfolgen. Es geht vielmehr darum, unsere Gesellschaft auf den richtigen Weg in eine friedliche Zukunft zu führen. In 5 Wochen ist Europawahl. Und bei dieser Europawahl gibt es auf den Wahlzetteln genug Möglichkeiten, um nicht auf falsche Alternativen hereinzufallen. Also liebe Freundinnen und Freunde, geht hin und macht eure Kreuze mit Verstand.

Zweite und damit letzte Anmerkung:

Ich bin geboren im Jahre 1961. Ich gehöre damit der Generation nach dem Krieg an und ich möchte verdammt noch mal, dass dies so bleibt!

Vielen Dank.

 

Ralf Schwittay ist aktiv bei der Gewerkschaft ver.di.