Redebeitrag für den Ostermarsch Kaiserslautern am 20. April 2019

 

- Sperrfrist: 20. April 2019, Redebeginn: 11 Uhr -

- Es gilt das gesprochene Wort -

 

Liebe Freundinnen und Freunde,
Liebe Ostermarschiererinnen und Ostermarschierer,
liebe Kinder und Jugendlichen,
lieber Friedensaktivisten und Aktivistinnen.

Seit den 1960er Jahren gehen Menschen für Pazifismus und Antimilitarismus in Deutschland auf die Straße. Als Konrad Tempel und Klaus Vack damals die ersten Ostermärsche in Westdeutschland koordinierten, war vielen Menschen bestimmt noch nicht klar, mit welchen massiven gewaltfreien Kräften die Friedensbewegung 20 Jahre später in Ost und West auf die internationale Politik Einfluss nehmen würde. Unter anderem der NATO-Doppelbeschluss, aber auch die Entwicklung der  Neutronenbombe brachte die Menschen in Aufruhr. Sie organisierten sich basisdemokratisch zu gewaltfreien Aktionen des zivilen Ungehorsams. In Mutlangen zum Beispiel, an dem Ort, aus dem ich heute zu Euch gereist bin, um zu sprechen, machten Dauerblockaden des Pershing II Stützpunkts massiven Druck auf Entscheidungsträger. Schließlich kam es zur Unterzeichnung des INF Vertrages. Heute nach der Aufkündigung dieses Intermediate Range Nuclear Forces Treaty durch Donald Trump lautet die Mutlanger Botschaft „No-Nein-Njet“. Wir fordern von den Entscheidungsträgern der internationalen Gemeinschaft Verantwortung und Respekt gegenüber den Errungenschaften und erreichten Meilensteilen der Abrüstungs- und Friedenspolitik. Wir fordern die Politiker und Politikerinnen der Atomwaffenstaaten und der Staaten der Nuklearen Teilhabe klar und deutlich auf: Erhaltet den INF-Vertrag und weitet ihn auf alle Atomwaffenstaaten aus. Wir erwarten von den offiziellen Atomwaffenstaaten, dem Atomwaffensperrvertrag mit verbindlichen Zeitplänen Folge zu leisten. Und wir erwarten von Deutschland den Beitritt und die Ratifizierung des internationalen Verbotsvertrag für Atomwaffen.

Wir motivieren deutsche Politikerinnen und Politiker, sich ernsthaft mit Konzepten der Friedenslogik auseinanderzusetzen und wir arbeiten dafür, dass die deutsche Diplomatie ihre Aufgabe daran misst, ob der internationale Friedensprozess gewaltfreie Fortschritte macht. Ich komme heute zu Euch hier nach Kaiserslautern, um mit Euch gemeinsam für Frieden zu demonstrieren und ich danke Euch herzlich für die Einladung, einen Wortbeitrag zu leisten. Nach Kaiserslautern zu reisen heißt auch zur Air-Base Ramstein zu reisen. Diese Air-Base ist für mich ein dunkler Ort. Ein Ort von dem aus Krieg, Leid, und automatisierte Tötung gesteuert wird. Aber auch ein Ort, an den SoldatInnen, die in Kriegsgebieten gekämpft haben, verletzt und traumatisiert zurückkommen, um zu genesen und um Wege zu finden, mit den entstandenen tiefen körperlichen und psychischen Wunden des Krieges weiterzuleben zu können.

Mit unserem Protest gegen Atomwaffen ist es, wenn wir an das Ausmaß des Schreckens denken, das von Ramstein ausgeht, heute bei unserem gemeinsamen Ostermarsch nicht getan. Wenn wir in Ramstein protestieren geht es um Machtpolitik. Es geht mit unserem Protest auch um die Beendigung der Abschreckungspolitik. Und darüber hinaus geht es auch um gewaltfreien Widerstand gegen den militärindustriellen Komplex, der der einzig wahre Gewinner an der neuen Rüstungsspirale ist.

Wenn wir in Kaiserslautern protestieren geht es aber noch um mehr. Es geht um Werte und Ethik der Menschlichkeit versus Entmenschlichung und Automatisierung der Machtinstrumente einer kontrollierenden Klasse. Als ich 2010 bei der UNO in New York war, wurde mir deutlich, wie die Kriegsführung des neuen Jahrtausends aussehen soll: Ferngesteuert, aus dem Weltraum, Roboter im Nahkampf, Kampfdrohnen statt Kampfjets und Laserwaffen jeder Couleur. Das Bild, das sich abzeichnete, war so bedrohlich für einen Menschen, der mit Gefühlssensoren ausgestattet ist, das Verdrängung und Verharmlosung die einzig naheliegende psychische Folge war. Doch 10 Jahre später sind die ersten Systeme real im Einsatz.

Controlling-Stationen in Ramstein sind beteiligt an den Einsätzen von Kampfdrohnen. Der Joystick in der Ferne, der den unausweichlichen Tod und die Zerstörung z.B. in Pakistan oder im Jemen bringt; Einsätze die gegen das Völkerrecht verstoßen. Einsätze bei denen nicht selten Unschuldige zum Opfer werden. Einsätze, die so ungerecht und abstrakt für die Menschen in den Kriegsgebieten wirken müssen, dass es leicht nachzuvollziehen ist, dass unser westlicher Kriegseinsatz guter Nährboden für die Botschaften von nationalistischen Netzwerken des Terrors wird. Wir sagen heute Nein zur automatisierten Kriegsführung und fordern von der Bundesregierung, sich aktiv an der Entwicklung und Unterzeichnung tragfähiger, internationaler Abkommen zu beteiligen, die Drohnen und automatisierte Kriegsführung ächten.

Es ist nicht mehr Science Fiction. Es ist nicht mehr Huxleys Literatur ... Es ist unsere Schöne neue Welt. Jede und jeder hat Einflussmöglichkeiten, diese Welt zu gestalten. Wir müssen uns dagegen auflehnen, dass die Menschheit die Kontrolle an
menschengebaute Maschinen übergibt, die letztendlich uns Menschen kontrollieren werden. Jene Instanzen, die die Maschinen programmieren und steuern, sind nicht mehr erkennbar, sie verschwimmen im Ungreifbaren. Sie haben keinen Namen und kein Gesicht. Es gibt keine Möglichkeit mehr auf Augenhöhe mit ihnen zu kommunizieren. Der Kampf für das Leben und für Gerechtigkeit zerfließt in Algorithmen, die wenn überhaupt nur noch von Hackern durchschaut werden können.

Doch 2019 sind wir leider noch weit davon entfernt, dass die Bundesregierung sich aktiv für den tragfähigen Frieden ohne Waffen einsetzt. Pazifistinnen und Pazifisten werden als UtopistInnen stigmatisiert. Sie werden stummgeschaltet mit dem Argument, dass naive Denker keine Politik machen sollten. Emotionen und Gefühle sind nicht Gegenstand des politischen Diskurses.

So auch nicht die Folgen der Traumatisierungen, die Menschen in Kriegsgebieten erleiden. Folgen, die Traumatisierungen sogar bei den nächsten Generationen auslösen können, werden leider nicht wöchentlich in den Büros der  Bundestagsabgeordneten diskutiert. Dafür geben sich die Firmen der Rüstungsindustrie immer noch die Klinke in die Hand, wenn es darum geht, Entscheidungsträger zu informieren, welches Waffensystem am effektivsten den „Frieden“ erhalten kann. Angefeuert durch den außenpolitischen Druck der NATO wächst bei den PolitikerInnen der Wille, die ohnehin schon zu hohen Militärausgaben des Bruttoinlandsprodukts von 1,2% noch auf 2% zu erhöhen. In Europa wird die Vision der vernetzten Rüstungsindustrie Schritt für Schritt in die Tat umgesetzt. Rüstungsexportkontrolle kann dadurch mehr und mehr verwässert werden.

Wir leisten Widerstand. Wir fordern Geld für die Entwicklung der zivilen Konfliktbearbeitung. Wir fordern Kultusministerien aller Länder auf, Geld in Friedensbildung zu investieren anstatt der Bundeswehr den roten Teppich ins Klassenzimmer auszurollen. Wie im Szenario der badischen Landeskirche treffend entwickelt wurde, fordern wir die Abgeordneten dieses Landes auf, Sicherheit neu zu denken. Deutschland muss sich der echten Auseinandersetzung mit Amerika stellen, damit dieser dunklen Ort Ramstein verschwindet. Wir haben Alternativen zur herrschenden, kriegstreibenden Ausbeutungspolitik. Die Menschheit hatte noch nie solche Möglichkeiten wie heute, international zu kommunizieren mit dem Ziel, Konflikte zu bearbeiten, Lösungen, die WIN-WIN-Situationen für alle Staaten beinhalten zu entwickeln und das tote Pferd der Sicherheitslogik zu verlassen, um endlich den Frieden mit aller Kraft nicht nur als Feigenblatt sondern eben als menschliche Wertkultur aktiv und täglich zu gestalten.
Wir alle, die wir heute in den Städten auf der Straße sind, machen es für heute real. Morgen wenn wir aufstehen, sollten wir weitermachen. Schließt Euch in Friedensgruppen zusammen. Beteiligt Euch aktiv in Netzwerken und in bundesweiten oder  internationalen Friedenskampagnen. Seid aktiv in Büchel, um gegen die neue Generation der Atomwaffen zu protestieren und macht in Ramstein bei der wöchentlichen Mahnwache in Protesten deutlich, dass diese Air-Base ein Diener des Todes ist und weg muss. Lasst uns stattdessen Orte des Lebens aufbauen. Kaiserslautern hat erst letzte Woche den ICAN Städteappell unterzeichnet und fordert damit den Beitritt der Bundesregierung zum umfassenden Verbotsvertrag für Atomwaffen. Weiter so, Kaiserslautern!

Lasst uns gemeinsam eintreten, für eine friedliche Kultur der Menschen in unserem Land:

  • Frieden erhalten, dort wo er ist.
  • Deeskalieren, wo der Frieden bröckelt.
  • Und dort, wo kein Frieden ist, gezielt zivile Konfliktbearbeitung einsetzen.

Dieser Dreischritt kann überall vollzogen werden, wo Menschen miteinander im Dialog sind. Wir als Bevölkerung dürfen nicht unsere Verantwortung abgeben, so wie wir unsere Stimme bei den Wahlen abgeben. Wir müssen unsere Stimme wieder zurücknehmen. Wir sollten wieder lernen, eigenmächtig und der Logik des Friedens folgend die hohen Ziele der Menschlichkeit in die Tat um zu setzen. Ziele wie: Mitgefühl, Liebe, Selbstlosigkeit, Mut, Kreativität, Humor und Friedensliebe.

Ich bin zutiefst überzeugt:

  • Wir können nicht Gewalt mit Gewalt besiegen.
  • Wir können auch nicht Aggression durch aggressive Reden besiegen.

Das Handwerkszeug des Friedens ist die Macht der Liebe. Die Zwillinge mit den Namen Macht und Liebe haben eine Mutter. Diese Mutter wird Weisheit genannt. Wenn die Zwillinge Macht und Liebe getrennt sind, so lässt sich Weisheit nicht finden.
Nur dort wo die Macht und die Liebe Hand in Hand über die Erde gehen, dort wachsen die Früchte der Weisheit.

ICAN-Städteappell

Unsere Stadt/unsere Gemeinde ist zutiefst besorgt über die immense Bedrohung, die Atomwaffen für Städte und Gemeinden auf der ganzen Welt darstellen. Wir sind fest überzeugt, dass unsere Einwohner und Einwohnerinnen das Recht auf ein Leben frei von dieser Bedrohung haben. Jeder Einsatz von Atomwaffen, ob vorsätzlich oder versehentlich, würde katastrophale, weitreichende und lang anhaltende Folgen für Mensch und Umwelt nach sich ziehen. Daher begrüßen wir den von den Vereinten Nationen verabschiedeten Vertrag zum Verbot von Atomwaffen 2017 und fordern die Bundesregierung zu deren Beitritt auf.“

 

Silvia Maria Bopp arbeitet für die Pressehütte Mutlangen.