Redebeitrag für den Ostermarsch Siegen am 20. April 2019

 

- Es gilt das gesprochene Wort -

 

Liebe Friedensfreundinnen und Friedensfreunde,
liebe Anwesende,

ich freue mich sehr, dass so viele von Euch heute gekommen sind, um für Frieden und Abrüstung auf die Straße zu gehen – das ist heutzutage leider notwendiger denn je. Wir leben in einer Zeit, in der Frieden keine Selbstverständlichkeit ist. Deutsche Rüstungskonzerne machen horrende Gewinne mit Waffenexporten, die Menschen in anderen Ländern Krieg, Leid, Zerstörung und schlimmstenfalls den Tod bringen. Allein die deutschen Waffenlieferungen an Saudi-Arabien und die Türkei haben im vergangenen Jahr deutlich zugenommen. So wurden nur von Januar bis Oktober 2018 Kriegswaffen im Wert von 160 Millionen Euro nach Saudi-Arabien exportiert. Der Wert der Ausfuhren lag damit allein in den ersten zehn Monaten 2018 um satte 50 Millionen Euro höher als im Gesamtjahr 2017. Alleine in ihrem ersten Amtsjahr – also von März 2018 bis März 2019 hat die Bundesregierung Rüstungslieferungen im Wert von 255 Millionen Euro an Saudi-Arabien und 57 Millionen Euro für die Vereinigten Arabischen Emirate genehmigt. An die gesamte Jemen-Kriegskoalition wurden Waffen im Wert von 400 Millionen Euro geliefert.

Und das, obwohl Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate gemeinsam mit ihren Verbündeten seit mehr als vier Jahren einen wirklich widerlichen Krieg im Jemen führen, in dem Menschenrechte keine Rolle spielen. Ich darf Euch erinnern: Allein seit 2015 hat die Bundesregierung aus CDU/CSU Rüstungsexporte in Länder der Jemen-Kriegskoalition von über 5 Milliarden Euro genehmigt. Das ist weder christ-, noch sozialdemokratisch, sondern ein hanebüchener Skandal, liebe Freundinnen und Freunde!

Nach wie vor gilt: Der Tod ist ein Meister aus Deutschland! An den Händen der Bundesregierung und den unzähligen deutschen Waffenschmieden und Rüstungsexporteuren klebt das Blut unschuldiger Frauen, Kinder und Männer! Die Geldmacherei von  Konzernen wie Rheinmetall, nicht nur geduldet, sondern befördert von der breiten Mehrheit der deutschen Politik ist nichts anders als eine Beihilfe zu Mord und Totschlag!

Schon vor einem Jahr hatten CDU/CSU und SPD sich in ihrem Koalitionsvertrag darauf geeinigt, keine Waffenlieferungen mehr an Staaten zu genehmigen, solange diese unmittelbar am Jemen-Krieg beteiligt sind. Bereits genehmigte Exporte konnten jedoch noch ausgeführt werden. Im November 2018 folgte dann der Exportstopp gegen Saudi-Arabien, der jüngst abermals um ein halbes Jahr verlängert wurde. All das ändert jedoch so gut wie gar nichts. Was hilft es denn den Menschen im Jemen, wenn Deutschland mal ein halbes Jahr oder ein paar Monate länger keine Waffen liefert? Nein, das reicht überhaupt nicht! Wir wollen ein komplettes Exportverbot für Waffen, Rüstung und Zubehör zum Mordwerkzeug – ausnahmslos und ohne Schlupflöcher!

Und wenn die Bundesregierung behauptet, dass dies im Falle der am Krieg gegen den Jemen beteiligten Länder  nicht möglich sei, weil andere europäische Länder dies nicht mittragen würden, dann ist das schlichtweg die Unwahrheit. Bereits mehrfach hat das EU-Parlament einen EU-weiten Stopp von Waffenexporten nach Saudi-Arabien gefordert. Die Niederlande, Finnland und Dänemark haben ebenfalls Rüstungsexport-Beschränkungen gegen Saudi-Arabien und – anders als Deutschland – gegen die Vereinigten Arabischen Emirate verhängt. Und auch Länder wie Schweden, Belgien und Österreich haben sich kritisch zu Rüstungsexporten nach Saudi-Arabien positioniert.

Schenken wir den Lügen der Herrschenden also keinen Glauben, sondern erinnern uns: Im Krieg stirbt als erstes die Wahrheit!

 

Liebe Freundinnen und Freunde,

man muss keine Linke sein, um zu verstehen, dass es gegen jegliche Menschenwürde und jeglichen Anstand verstößt, Geschäfte mit dem Leben und Tod anderer Menschen zu machen und mir fällt es schwer, in dieser Angelegenheit die Fassung zu bewahren. Was wir brauchen, ist ein radikales Umdenken in der Rüstungs- und Sicherheitspolitik. Meine Partei, DIE LINKE, ist die einzige, die im Bundestag seit jeher alle Waffen- und Rüstungsexporte abgelehnt und entschieden kritisiert hat. Wir wollen keine weitere Aufrüstung, keine Kriege und auch keine Auslandseinsätze der Bundeswehr – und daran wird sich nicht das Geringste ändern! Ganz konkret fordert Die LINKE ein vollumfängliches Rüstungsexportverbot. Als erste Schritte hin zu diesem Verbot fordern wir vier konkrete Maßnahmen, die sofort umgesetzt werden sollen:

  • ein Verbot des Exports von Kleinwaffen (Sturmgewehre, Maschinenpistolen)
  • ein Verbot des Exports von Waffenfabriken, und/oder von Lizenzen zur Waffen-Herstellung
  • ein Rüstungsexport-Verbot für Staaten, die die Menschenrechte mit Füßen treten
  • keine staatliche Förderung, Finanzierung oder Absicherung von Rüstungsexporten.

Ich möchte mich jedoch heute nicht nur auf die Waffen- und Rüstungsexporte ins Ausland beschränken. Wie Ihr sicherlich mitbekommen habt, findet im Rahmen der Verschärfungen der Polizeigesetze der Länder aktuell auch eine Militarisierung der Polizei statt. Grund- und Freiheitsrechte werden zudem massiv abgebaut und durch eine Prognosejustiz ersetzt. So wurde auch die gesetzlich verbriefte Unschuldsvermutung faktisch abgeschafft. Dagegen müssen wir uns zur Wehr setzen!

Ganz konkret: In mehreren Bundesländern wurde das Kriegsfahrzeug namens Survivor angeschafft – und diese Anschaffung hat eine neue Qualität im Vergleich zu dem Einkauf früherer durchschnittlicher Einsatzfahrzeuge. Ich möchte das gern erläutern, da auch Rheinmetall dieses Fahrzeug herstellt und alle, die zukünftig demonstrieren, Gefahr laufen, mit diesem Fahrzeug in Kontakt zu kommen. Mit dem sogenannten Survivor haben viele Bundesländer ein lupenreines Kriegsfahrzeug eingekauft, welches Millionenbeträge in die Kassen der Waffenschmieden spült. Besagtes Kriegsgerät, welches bereits bei den Protesten gegen den G20-Gipfel in Hamburg im Einsatz war, kann unter anderem mit – wie es heißt – „adaptiven Schutzelementen individuell und diskret auf wechselnde Bedrohungslagen angepasst werden“ und sei „serienmäßig mit einer Schutzbelüftungsanlage gegen nukleare, biologische und chemische Kampfstoffe ausgestattet“. Derlei wird üblicherweise nicht von Demonstrantinnen und Demonstranten eingesetzt, liebe Freundinnen und Freunde. Wen wollen die Herrschenden hier eigentlich bekämpfen, frage ich mich?!

Das „äußere Erscheinungsbild“ dieses Fahrzeuges sei „für den Polizeieinsatz bewusst zivil und optisch deeskalierend ausgelegt“, hieß es außerdem 2017 in der Pressemitteilung des Rüstungskonzerns Rheinmetall, der – wie bereits erwähnt – das Fahrzeug neben anderen Kriegswaffenfabrikanten herstellt. Doch, was heißt das eigentlich konkret?
Fahrzeuge wie der Survivor würden insbesondere bei polizeilichen Lagen mit hohem Gefährdungspotential eingesetzt, um Spezialkräfte unter Schutz an ihren Einsatzort zu bringen oder Personen aus dem Gefahrenbereich zu evakuieren, heißt es. Kriegsgerät gegen Demonstranten einzusetzen, scheint in der Bundesrepublik nunmehr zum Alltag zu gehören! Was ist das eigentlich für ein Verständnis von Demokratie? Ich jedenfalls sage klar und deutlich – und egal welche Regierungskoalition – sich dieses Kriegsgerät anschafft: Solche Fahrzeuge gegen Demonstrantinnen und Demonstranten einzusetzen, zeugt von einem falschen Demokratieverständnis und erinnert mich an Polizeistaaten und Diktaturen. Es gibt keinen Grund, solche Fahrzeuge anzuschaffen. Anstatt Rheinmetall und ähnlichen Waffenschmieden Geld in den Hals zu werfen, gehört Kriegsgerät verschrottet!

Und daher bitte ich Euch Alle, Euch genau anzuschauen, was im Rahmen der Verschärfungen der Polizeigesetze der Länder auf uns zukommt – oder schon Realität ist. Unterschätzt das alles nicht. Was einmal beschlossen wurde, lässt sich nur schwerlich zurückholen! Daher: Kämpfen wir gemeinsam gegen den Grundrechteabbau! Kämpfen wir gemeinsam gegen Aufrüstung und Militarisierung im In- wie auch im Ausland! Und stellen wir übrigens genauso entschlossen zugleich immer wieder klar: Wer es ernst damit meint, Fluchtursachen bekämpfen zu wollen, muss zu aller erst den Waffenhandel stoppen und die Bundeswehr aus den Auslandseinsätzen abziehen. In diesen Fragen gibt es kein für und wider. Nur eine klare Antikriegsposition. Abrüsten statt Aufrüsten lautet das Gebot der Stunde!

Es ist unsere Aufgabe als Friedensbewegung, mit aller Kraft gegen das Treiben der Konzerne und etablierten Politik mobil zu machen! Fangen wir direkt damit an! Ich danke Euch für Eure Aufmerksamkeit!

 

Sylvia Gabelmann ist Mitglied des Deutschen Bundestages (MdB) für die Partei Die Linke.