Redebeitrag für den Ostermarsch Augsburg am 20. April 2019

 

- Es gilt das gesprochene Wort -

 

Liebe Friedensfreundinnen und Friedensfreunde!

Vor 5 Jahren stand ich schon einmal hier und berichtet von den Ereignissen in der Ukraine.

Heute haben wir noch immer einen militärischer Konflikt mitten in Europa, mit inzwischen weit über 10.000 Toten, in unserer direkten Nachbarschaft.

In dieser Situation wird morgen in der Ukraine ein neuer (oder alter?) Präsident gewählt.

Begonnen hatte alles mit friedlichen Protesten.

Es gab viel Unzufriedenheit – zurecht!

Der Präsident war korrupt.

Die Menschen waren wütend.

Aber schon nach kurzer Zeit gewann die extreme Rechte die Oberhand.

Nach wochenlangen Auseinandersetzungen im Zentrum von Kiew kam schließlich eine Koalition aus Nationalkonservativen und erklärten Nazis an die Macht.

Die „Sozial-Nationale Partei der Ukraine“, die sich inzwischen harmlos „Swoboda“ nannte (auf Deutsch „Freiheit“), bekam vier Ministerämter, darunter das Verteidigungsministerium (Ihor Tenjuch).

Ein Mitglied der „Sozial-Nationalen Partei“ wurde sogar – man glaubt es kaum - Generalstaatsanwalt.

Parteichef Tjahnibok hatte bereits 2004, also 10 Jahre vor seinen Sieg (!), auf einer Veranstaltung gesagt:

"Ihr seid ukrainische Nationalisten (…)! Ihr müsst die Helden werden, die heute die Erde unter unseren Füßen verteidigen! Sie [das sind die ukrainischen Nationalisten der 40er Jahre] hängten sich Gewehre um den Hals und (…) kämpften gegen Russen, (…) Judenschweine und sonstiges Gesindel, welches uns den ukrainischen Staat wegnehmen wollte! Man muss endlich die Ukraine den Ukrainern geben!"

Zu diesem netten Menschen flog nun am 20. Februar 2014, zwei Tage vor dem Putsch, Franz-Walter Steinmeier, genauer gesagt: zum Trio Tjahnibok-Klitschko-Jatsenjuk.

Um das Amt des Ministerpräsidenten konkurrierten nun:

Arsenij Jazenjuk, von NATO und USA ausgebildet,

und „unser Klitschko“, von der Konrad-Adenauer-Stiftung ausgebildet.

Der Kandidat der USA gewann, Klitschko wurde weggelobt, er durfte Bürgermeister von Kiew werden.

Dann begann der Bürgerkrieg:

Aktivisten im Osten, wo hauptsächlich Russisch gesprochen wird, begannen, Rathäuser zu besetzen, Polizei und Militär desertierte massenhaft und unterstütze die Rebellen. Auf der Gegenseite bildeten sich die so genannten Bataillone, Freicorps mit Nazi-Ideologie. Bis zu 4 Millionen Menschen flohen nach Russland, viel mehr als ins Kernland der Ukraine. Unsere Medien „wissen von alldem nichts“

Im September 2014 zeigt das ZDF Bilder von Menschen mit SS-Rune und Faschistenwappen des ASOV-Bataillons mit Wolfsangel und „Schwarzer Sonne“. Der ZDF-Sprecher sagt dazu: „Freiwilligenbataillone aus nahezu jedem politischen Spektrum verstärken etwa die Regierungsseite“.

Gesehen hat man freilich nur ein politisches Spektrum!

Im Februar/März 2015 kommt es zu einer so genannten „Selbstmord“-Serie (Zeitraum: ca. 6 Wochen)

Der Chef der Regionalregierung in Charkow wird erhängt aufgefunden.

Der Bürgermeister von Melitopol wird erhängt aufgefunden.

Der Polizeichef von Melitopol wird erschossen aufgefunden

Ein enger Vertrauter des Ex-Präsidenten wird erschossen aufgefunden

Der frühere Gouverneur von Saporischija wird erschossen aufgefunden

Der Ex-Fraktionschef der Partei des Ex-Präsidenten stürzt aus einem Fenster im 17. Stock.

Offiziell heißt es jedes Mal: „eindeutig Suizid“

Wo waren dieses mal unsere Medien?

Hat sich das alles inzwischen geändert? Keineswegs!

Heute, 5 Jahre später, haben die Nationalisten weitgehend erreicht, was sie wollten:

Die rechtsradikalen „Bataillone“ wurden legalisiert und als „Nationalgarde“ dem Militär angegliedert, der ukrainische Nazi-Gruß der 40er-Jahre offiziell beim Militär eingeführt.

Die KP-Abgeordneten wurden aus dem Parlament ausgeschlossen, ihre Wohnungen und Büros brennen regelmäßig. Überfälle auf Minderheiten, wie Roma, sind an der Tagesordnung.

Nationalisten und antisemitische Massenmörder der 40er Jahre wie Stepan Bandera wurden offiziell zu Nationalhelden erklärt. Die neuen Schulbücher sind schon gedruckt.

Die Deutsche Bundesregierung findet das gut und hat vor kurzem in Lwiw die Renovierung der Bandera-Straße mit 72.000 Euro gefördert.

Zum Schluss noch eine brandaktuelle Geschichte:

Heute in vier Wochen findet in Israel der Eurovision Song Contest 2019 statt.

Die Ukraine nimmt nach reihenweise Absagen ihrer eigenen Stars nicht mehr teil.

Wie kam es dazu?

Die Siegerin der Vorausscheidung, Sängerin Maruv, hatte für 2019 einige Konzerte in Russland geplant. Ein Moderator des Ukrainischen Fernsehens fragte sie, wie sich denn ihr Patriotismus mit den Auftritten in Russland vereinbaren ließe. …

Dann gab es Vorschriften für die Teilnehmerin, nicht auf eigene Faust mit Journalisten zu reden, niemals von vorher genehmigten Texten abzuweichen und alle Weisungen der ukrainischen Fernsehanstalt zu befolgen.

Da wurde es ihr zu viel. Sie sagte ihre Teilnahme ab.

Die zweit- und drittplatzierten solidarisierten sich mit Maruv und wollten nicht einspringen.

Hat irgendjemand einen Protest aus der deutschen Politik oder Medienlandschaft wegen Zensur oder Einschränkung der Meinungsfreiheit etc. gehört? Ich jedenfalls nicht.

Und wie steht es um den Bürgerkrieg im Osten?

Am 12. Februar 2015 gab es den bislang letzten ernsthaften Versuch einer Beilegung des Konflikts in der Ostukraine, mit dem sogenannten Abkommen Minsk II.

Präsident und Regierung wegern sich bis heute, mit den „Separatisten“ über Regionalwahlen zu sprechen und den Bewohnern der „Sondergebiete“ ihre Renten auszuzahlen.

Sie leben schon 5 Jahre ohne Renten!

Dies alles und viel mehr legt aber Minsk II ausdrücklich fest.

Aber die wohl wichtigste Bestimmung ist:

Abzug aller ausländischen bewaffneten Einheiten aus der Ukraine.

Doch die NATO hielt bereits nach 5 Monaten, im Juli 2015, in der Westukraine ein Militärmanöver mit 2000 Soldaten aus 18 Ländern ab, unter Beteiligung der Bundeswehr (Garantiemacht des Minsker Abkommen – wie verlogen muss man als Bundesregierung denn sein?)

Und nun haben wir wieder Präsidentschaftswahlen!

Morgen ist Stichwahl

Oligarchin Julia Timoschenko war eine Favoritin, ist aber im ersten Wahlgang ausgeschieden. Timoschenko war ja auch immer ein Liebling deutscher Politik. Daher will ich sie kurz zitieren. 2014 hatte sie gesagt:

„Ich werde die ganze Welt erheben, sobald ich es kann, damit – verdammt – von Russland nicht einmal ein verbranntes Feld übrig bleibt.“

Sieder der ersten Runde sind: Wladimir Selenski und Amtsinhaber Petro Poroschenko!

Den Komiker Selenski kann man nicht so recht einschätzten. Er gibt sich offener für eine Friedenslösung, sagt aber auch oft Widersprüchliches. Er spricht öffentlich russisch,

was die Rechte als Provokation ansieht. Er macht hervorragendes, sehr lustiges, auch sehr spitzes, politisches Kabarett! Habe es selber gesehen.

Vor allem junge Menschen wählten ihn im ersten Wahlgang.

Selenski ist kein Oligarch, aber sein größter Sponsor ist einer: Igor Kolomoiski, 2014 noch nationalistischer Hetzer. Sollte Selenski sich hier abhängig machen, wäre das sicher sehr problematisch.

Wer werden sehen …

Zum Schluss ein kleiner Ausflug nach Augsburg:

Am 27. Mai 2015 konnte man in der AZ lesen:

„Benefizveranstaltung im Maximilian-Museum Augsburg.

Der Erlös kommt den kriegstraumatisierten Kindern zugute. Als Gäste werden Vitali Klitschko, Oberbürgermeister von Kiew, und Olga Hoffmann, amtierende Miss Germany mit ukrainischen Wurzeln, erwartet.“

Klitschko kam nicht, also kam Gribl auch nicht.

Er wurde von Bürgermeister Kiefer vertreten, und dieser hielt mit dem ukrainischen Konsul ein Pläuschchen.

Klitschko ließ aber ein Geschenk für Gribl überbringen:

Handsignierte Boxhandschuhe!