Redebeitrag für den Ostermarsch Siegen am 20. April 2019

 

- Es gilt das gesprochene Wort -

 

Liebe Friedensfreunde,

ich will dazu sprechen, ob die EU als „Friedensprojekt Europa“ angesehen werden kann und eine Alternative zu Aufrüstung und Kriegsvorbereitungen ist.

Europa muss sich von den USA unabhängig machen, im Wettbewerb mit den anderen großen Mächten wie China eine eigenständige Rolle spielen, nur so kann es auf der Weltbühne überhaupt noch eine Rolle spielen – so hören wir es alle Tage, ob nun Frau Merkel sich äußert oder Herr Macron.

Für fast alle Medien scheint dies eine Art Glaubensbekenntnis zu sein wir alle in Solidarität mit unseren Regierungen und der EU-Kommission gegen die großen Konkurrenten auf der ganzen Welt.

Unser Wirtschaftsminister Peter Altmaier will zu diesem Zweck größere „Globel-Player“ in Europa aufbauen, nur sie könnten gegen die großen Giganten aus China und den USA mithalten. Weltbeherrschende Konzerne mit Sitz in Europa gibt es jedoch mehr als genug. Etwa 20 % der weltweiten industriellen Wertschöpfung fallt auf die EU.

Aber das ist ihnen natürlich nicht genug, zumal ihr Anteil wie der aller alten - wie ich es nenne - imperialistischen Großmächte in den letzten Jahren dramatisch gesunken ist: Der Anteil der EU fiel um 5,5 Prozentpunkte von Jahr 2000 bis 2014. Der Anteil der USA sank ebenfalls um 9,1% auf insgesamt 16,0 %, während sich den Anteil neuer imperialistischer Länder wie z.B. China sich im gleichen Zeitraum verdoppelte von 19,7% auf 40,2%.

Eine dramatische Verschiebung der wirtschaftlichen Macht hat stattgefunden, was sich in Zukunft noch verschärfen wird. So rechnet man z.B. damit, dass die weltweiten Silizium-Reserven gar nicht ausreichen, um all die Batterien für die E-Mobilität der Zukunft herstellen zu können.

Um diesen Rohstoff, die Seltenen Erden, aber auch nach wie vor um die verbleibenden Erdöl- und Erdgasreserven werden Auseinandersetzungen stattfinden, die heutige mehrfach in den Schatten stellen werden.

Ich will jetzt gar nicht auf andere Faktoren eingehen, die unvermeidlich mit der weltweiten Konkurrenz um Maximalprofit zusammenhängen.

Wirtschafts- und Finanzkrisen sowie die drohende Umweltkatastrophe seien hier nur als Stichworte genannt.

Uns Friedensbewegte auf dem Ostermarsch beschäftigt natürlich, was dieser abenteuerliche Wettkampf um Macht und Reichtum mit der Bedrohung des Friedens zu tun hat, was mit Kriegsvorbereitungen und massiver Aufrüstung.

Verdächtig oft ist im Zusammenhang mit der „Stärkung“ der EU von militärischer Stärke und Aufrüstung die Rede.

2% des Brutto-Inlandsproduktes - so verpflichteten sich alle NATO -Mitglieder sollen zukünftig für die sogenannte „Verteidigung“ ausgegeben werden. Das würde für Deutschland in etwa eine Verdoppelung des Rüstungsetats bedeuten. Verfolgt man die Berichterstattung in den Medien erscheint es fast so, als würde das alles nur auf Druck Donald Trumps geschehen. Die Bundesregierung hingegen wolle gar nicht aufrüsten und leiste deswegen hinhaltenden Widerstand. Das entspricht nicht den Tatsachen. Volker Rühe, ehemaliger Verteidigungsminister, sagte im Februar 2019 in einem Interview: „Wenn wir es künftig ernst meinen mit der Aufgabenaufteilung in Europa, dann muss die Bundeswehr zur stärksten konventionellen Streitmacht Europas werden, nicht nur auf dem Papier, sondern faktisch“. Angesichts der deutschen Geschichte geht das natürlich nicht mit offenem militaristischem Getöse, da muss man leiser auftreten. Politikwissenschaftler meinen deshalb, mit diesen Maßnahmen verschärfe sich das strategische Dilemma Deutschlands „führen zu sollen, gleichzeitig aber nicht dominant erscheinen zu dürfen“.

Also reden wir doch lieber davon, dass bei der Bundeswehr kein Flugzeug fliegt, kein Panzer fahrt und kein U-Boot taucht. Da muss doch einfach mehr Geld fließen, sollen wir alle denken. Volker Rühe stellt hingegen im selben Interview fest, dass - entgegen der regelmäßigen Berichterstattung in vielen Medien die Einsätzfähigkeit der Panzer, Kampfhubschrauber und U-Boote der Bundeswehr stets gegeben sei.

Natürlich kann Deutschland heute militärisch nicht eigenständig in der Welt auftreten, das geht nur in Kooperation mit den anderen Mächten der EU. Dazu gehören europäische Rüstungsprojekte. Bei Kampfflugzeugen und anderen Großprojekten existiert das schon, aber auch hier gibt die Bundesregierung den „Pazifisten“: Ihre Waffenexportrichtlinien sind so krass, dass gemeinsam mit Frankreich und Großbritanien entwickelte Kampfflugzeuge noch nicht einmal in das friedliche Saudi-Arabien geliefert werden können. Zum Glück fand man hier einen schlauen Kompromiss: Da es sich hier um Gemeinschaftsprojekte handelt, kann geliefert werden. Der Einsatz im Krieg im Jemen soll dann ausgeschlossen werden. Für wie die dumm halten die uns denn eigentlich? Natürlich werden diese Kampfflugzeuge längst im Jemen eingesetzt! Da die saudischen Piloten dies alleine technisch nicht bewältigen können, werden sie von britischen Offizieren und Ausbilder bei diesem verbrecherischen Handwerk ausgebildet und geführt. In Plakaten hier auf dem Platz wird anschaulich dargestellt, was für verheerende Folgen das für die jemenitsche Bevölkerung hat.

Jetzt dachten Frau Merkel und Herr Macron sogar laut darüber nach, ob es nicht möglich wäre, gemeinsam einen Flugzeugträger zu bauen. Was um Himmels willen soll der denn verteidigen, Helgoland vielleicht?

Und so geht es weiter mit der Militarisierung der EU: Schnelle Eingreiftruppen sowie das europäische Militärbündnis PESCO sollen aufgebaut werden. Länderübergreifende Truppenteile wie das Eurokorps, die EU-Battlegroups und die deutsch-französische Brigade gibt es bereits.„Weltweite Verantwortung“ nennen die „Pazifisten“ in der Regierung das.

Und natürlich: Die Überwachung der Grenze: Die EU will eine Grenzruppe aufbauen, die die Grenze - gemeint ist das Mittelmeer - endlich effektiv schützt vor den Flüchtlingen aus Afrika und anderen Kriegs- und Katastrophenländer.

Was für eine zynische Politik!

Während dauernd vom „Friedensprojekt Europas“ die Rede ist, ist in Wirklichkeit die Militarisierung der EU im vollem Gang.

Meiner Meinung macht die EU keine anderen Politik als die anderen imperialistischen Mächte. Imperialistischen Mächte nenne ich sie deshalb, weil von diesen Ländern nicht nur die eigene Bevölkerung ausgebeutet wird, sondern weltweit auch die Einwohner anderer Länder, deren Rohstoffe und Arbeitskraft. Auch die rücksichtslose Ausbeutung der Natur gehört dazu. Sie sind Nutznießer und Beherrscher eines total ungerechten Weltwirtschaftssystems, das alles dem Rennen um Maximalprofit unterwirft.

Was ist die Schlussfolgerung aus dieser Sicht der Dinge?

Keinem der ausbeuterischen Mächte ist zu trauen, auch den Mächten der EU nicht. Den Frieden in der Welt können nur die Völker bewahren bzw. erkämpfen. Es hilft nichts: Wir brauchen eine weltweite Front gegen Faschismus und Krieg!

Ich bin da gar nicht so pessimistisch, ob das gelingen kann: Weltweit geht die Zeit der allmählichen Entwicklung zu Ende: Was bisher noch relativ stabil war, wird krisenhaft. Aber es gilt auch: Wo bisher relative Ruhe herrschte, niemand ahnte, dass die Unterdrücklung einmal nicht mehr hingenommen würde, regt sich plötzlich millionfacher Widerstand. Der Sudan ist das jüngste aktuelle Beispiel dafür, aber auch die großen Demonstrationen in Deutschland im letzten Jahr, die Bewegung der Schüler gegen die Gefahr der Umweltkatastrophe in diesem.

Auf diesen Widerstand, der sich weltweit Vernetzt und organisiert und dabei alle Illussionen in die Friedfertigkeit der Kriegsbrandstifter überwindet setze ich meine Hoffnung.

Aber natürlich kann ich kein Kritiker dieser ausbeuterischen und kriegerischen Welt sein ohne Überzeugung, dass eine Welt ohne Ausbeutung und Unterdrückung, ohne barbarische Kriege möglich ist, wo man auch im Einklang mit der Natur leben kann.

Ich bin sehr froh, dass auf unserem Aufruf zum Ostermarsch diese Hoffnung als eine gemeinsame Hoffnung aller Friedenskämpfer ausgewiesen wurde, auch wenn wir natürlich unterschiedliche Vorstellungen haben, wie diese Welt aussehen soll und wie wir dahin kommen.

Trotz der großen Gefahren, die uns hier haben zusammenkommen lassen schließe ich also mit einem optimistischen Friedensgruß.

Laßt uns dazu beitragen, dass die Friedensbewegung in Deutschland und weltweit eine Millionenfache wird! Mit Bert Brecht sage ich: Nehmt ihnen die Welt aus der Hand eh` sie verbrannt!