Redebeitrag für den Ostermarsch Siegerland am 20. April 2019

 

- Sperrfrist: 20. April 2019, Redebeginn: 12:15 Uhr -

- Es gilt das gesprochene Wort -

 

Liebe Freundinnen und Freunde,

Im Jahr 1989 kamen zum ersten Mal Menschen aus der russischen Stadt Brjansk, 380 km südwestlich von Moskau, zu einem Friedensbesuch nach Siegen.

Im Jahr 1990 fuhren Menschen aus dem Siegerland zum Gegenbesuch nach Brjansk, in die Industriestadt mit jetzt knapp 500.000 Einwohnern.

Bei einem Empfang im Moskauer Kreml erhielten die Mitglieder der Siegerländer Friedensbewegung Glückwünsche zur deutschen Wieder-Vereinigung.

Es war eine Zeit voller Hoffnung auf ein „Gemeinsames Haus Europa“ und eine stabile Deutsch-Russische Freundschaft.

Die Stadt Brjansk und viele Dörfer in der Umgebung wurden im Sommer 1941 von der deutschen Wehrmacht zerstört. Tausende von Menschen der Zivilbevölkerung wurden mit unvorstellbarer Brutalität getötet – auch von Soldatenmördern aus dem Siegerland.

Trotzdem wurden wir im Jahr 1990 mit echter Herzlichkeit dort empfangen – ich war selbst dabei und bin immer noch davon beeindruckt, wie man ein so großes Herz haben kann.

Ich war in den letzten Jahren oft wieder in Brjansk und kann berichten, dass die Menschen dort enttäuscht sind von Deutschland.

Sie sind enttäuscht und entsetzt darüber, dass wieder deutsche Soldaten an den Grenzen Russlands stehen.

Sie können nicht verstehen, dass Deutschland sich von der NATO treiben lässt in einen neuen kalten Krieg.

… und wenn die NATO Militärausgaben ca. 13mal so hoch sind wie die Ausgaben Russlands, dann lasse ich mir nicht erzählen, dass von Russland Gefahr ausgeht.

Wir haben daher eine „Friedensbotschaft“ formuliert, …

„von Menschen aus dem Kreis Siegen - Wittgenstein an Menschen im Brjansker Gebiet, Russland“, denn:

„Die Geisteshaltung, die man jetzt in Deutschland gegenüber Russland zu verbreiten versucht, ist noch keine akute Gefahr, doch sie könnte leicht zu einer solchen werden.“

Das war keine Äußerung aus unserer Zeit, es war ein Zitat aus dem Leserbrief „Deutschland und Russland“ an die Augsburger Zeitung im Jahr 1844 von Fjodor Iwanowitsch Tjutschew.

Fjodor Iwanowitsch Tjutschew wurde 1803 im Dorf Owstug in der Nähe von Brjansk, geboren.

Er war russischer Diplomat in München, hat Gedichte geschrieben und ist damit in Russland zu dem beliebtesten und bekanntesten Lyriker nach Puschkin geworden.

Immer wieder seit 1844 haben Tjutschews Worte das Verhältnis von Deutschland zu Russland treffend beschrieben. Und immer wieder ist aus der „Geisteshaltung“ doch Gefahr geworden.

Und aus der Gefahr sind Feindbilder entstanden, die den großartigen Beitrag der russischen Musik, Literatur, Kunst, Pädagogik und Psychologie zur europäischen Kultur verleugnet haben.

Aus der Gefahr sind Ablehnungen entstanden, die den russischen Angeboten zur wirtschaftlichen, technischen und kulturellen Zusammenarbeit Absagen erteilt haben – zum Schaden von Frieden und Wohlstand in ganz Europa.

Aus der Gefahr sind Kriege geworden, die Millionen von Menschen aus ihrem Familienleben und ihrem Alltag gerissen und sie getötet haben.

Wir richten daher folgende Forderungen an die Bundesregierung:

Rückzug der deutschen Soldaten und Waffen aus den NATO-Verbänden an den Grenzen zu Russland und Ablehnung von NATO-Forderungen an Deutschland zur Aufrüstung !

Aufhebung der Sanktionen in der Zusammenarbeit mit Russland!

Einbindung Russlands in eine Politik für Frieden und gemeinsamen Wohlstand - mit Wahrung der Menschenrechte in Europa und weltweit !

Offener Dialog zwischen Deutschland und Russland in einer Streitkultur der gegenseitigen Wertschätzung und des Zuhörens, nach dem Motto „Verstanden heißt nicht immer einverstanden“!

Förderung vielfältiger zwischenmenschlicher Kontakte in den Bereichen Bildung, Kultur und Alltagsleben, die vor allem auch jungen Menschen die Gelegenheit zur direkten Begegnung bieten!

Viele Menschen aus Siegerland und Wittgenstein haben diese Forderungen bereits unterschrieben – Sie können sich die vielen Namen am Ende dieser Kundgebung gerne hier anschauen … und Sie können selbst unterschreiben.

Senden Sie von Ostern 2019 und von hier aus Ihre eigene Friedensbotschaft nach Russland, indem Sie unsere Forderungen unterschreiben.

Im Oktober 2017 wurde ich zu einem Gespräch darüber bei Radio Brjansk eingeladen. Ihre Botschaft wird in Russland gehört, das kann ich Ihnen versprechen.

Vielen Dank und dann bis gleich