Redebeitrag für den Ostermarsch Kassel am 22. April 2019

 

- Sperrfrist: 22. April 2019, Redebeginn: 11 Uhr -

- Es gilt das gesprochene Wort -

 

Liebe Freundinnen und Freunde,

In der Süddeutschen Zeitung vom 29./30. März vor einem Jahr schrieb Willi Winkler: „Ostermarsch im Gänseschritt – die Friedensbewegung leidet, weil es keinen klaren Gegner gibt“

Stimmt das wirklich?

Sind der Friedensbewegung die Gegner abhanden gekommen?

Nein – nie gab es mehr Gründe gegen Krieg und Rüstungswahnsinn auf die Straße zu gehen.

Da ist der Krieg Saudi Arabiens und seiner Kriegskoalition gegen den Jemen und die damit verbundene weltweit größte humanitäre Katastrophe

Da sind die Waffenexporte Deutschlands an kriegführende Staaten wie die Türkei oder Saudi Arabien

Da sind die Atomwaffen auf deutschem Boden und deren geplante Modernisierung

Da ist die geplante Verdoppelung des deutschen Rüstungshaushalts

Da ist der verbrecherische Drohnenkrieg den die USA von Deutschland aus führen.

Da ist der neue kalte Krieg und die Hetze gegen Russland

Und da ist unsere Angst, dass wir wie in einer Vorkriegszeit leben.

Uns macht Angst, dass mit der Kündigung des INF-Vertrags die Gefahr besteht, dass atomarer Mittelstreckenraketen in Europa stationiert werden.

Uns empört, dass Deutschland und die EU die Kriegs- Sanktions- und Boykottpolitik der US-Regierung mitmacht.

Venezuela ist dafür nur ein Beispiel.

Nein - Der Friedensbewegung ist nicht der Gegner abhanden gekommen

Unser Gegner ist eine kannibalische Weltordnung in der Umweltzerstörung, Krieg und Armut fast 70 Millionen Menschen in die Flucht treibt, tausende im Mittelmeer ertränkt werden und die Zahl der Hungernden weltweit auf nun 815 Millionen Menschen angestiegen ist.

Wir gehen auf die Straße für eine Welt ohne Krieg und ohne Ausbeutung von Mensch und Natur

für eine solidarische Gesellschaft, in der die Würde aller Menschen, die hier leben unantastbar ist.

Die Botschaft unserer Ostermärsche ist:

Macht Schluss mit dem mörderischen Rüstungswahnsinn.

Wenn wir überleben wollen brauchen wir Frieden und Abrüstung,

Solidarität und Klimagerechtigkeit

Und es muss Schluss sein mit einem kapitalistischen Wachstumswahn, der die menschlichen Lebensgrundlagen dieses Planeten ruiniert.

Seit Wochen gehen SchülerInnen auf die Straße, um gegen das Versagen der Politiker und ihre verantwortungslose Klimapolitik zu protestieren.

Neulich präsentierten Vertreterinnen der Schüler FfF ihre Forderungen auf einer Pressekonferenz.

Kernsatz:

„Die Klimakrise stellt für die Stabilität der Ökosysteme unseres Planeten und für Millionen von Menschen eine existenzielle Bedrohung dar. Eine ungebremste Erderwärmung ist eine enorme Gefahr für Frieden und Wohlstand weltweit.“

Damit wird klar:

Die Klimakrise ist ursächlich für andere Krisenerscheinungen,

für Armut, Hunger und Flucht,

für Gewaltkonflikte, neue Aufrüstung und Kriege

Es wird immer deutlicher:

Dieses kapitalistische Produktions- und Konsumtionsmodell ist eine Kriegserklärung an Menschen und Natur,

Dieses Produktions- und Konsumtionsmodell muss geändert werden, wenn der Planet bewohnbar bleiben soll.

Das ist die Botschaft von FfF

Und um die notwendigen Veränderungen, eine sozial-ökologische Transformation zu finanzieren und zu realisieren, muss der gefährliche und kostspielige Aufrüstungskurs beendet werden.

Denn - Rüstung und Krieg sind die größten Klimakiller.

Klimaschutz braucht Abrüstung!

Schon jetzt geben wir in diesem Land drei mal mehr Geld aus fürs Militär wie für Bildung.

Da ist es kein Wunder, wenn Lungenärzte nicht rechnen können.

Das 2%-Ziel von Frau von der Leyen bedeutet eine Verdoppelung der Rüstungsausgaben auf fast 80 Mrd. Euro.

Und im Koalitionsvertrag steht, man will dem „Zielkorridor der Vereinbarungen in der NATO folgen.“

Man hat es ja mitbeschlossen.

Die Kritik der USA und der NATO, Deutschland würde das 2% Ziel nicht einhalten soll vergessen machen,

dass die Bundeswehr mächtig aufgerüstet wurde und wird und sich diesem Ziel nähert.

  • In den letzten zwei Jahren stieg der Rüstungshaushalt der BRD um 16% auf über 43 Mrd.
  • Der Rüstungshaushalt steigt damit doppelt so stark wir der Gesamtetat
  • Die Bundeswehr ist an 14. Auslandseinsätzen beteiligt (bisher über 20 Mrd.)
  • Die BRD ist weltweit viertgrößter Waffenexporteur

Allein 2018 erteilte die Bundesregierung Exportgenehmigungen für das Kopfabschneidersystem Saudi Arabien in Höhe von 400 Mrd.EU

Jetzt haben Deutschland und Frankreich verabredet, ein neues Kampfflugzeug zu bauen sowie einen neuen Kampfpanzer und ein gemeinsames Artilleriesystem. In Europa sollen Tausende von Panzern ersetzt werden.

KMW-Boss Haun hat schon mal nachgerechnet:

„5.000 neue Panzer mal 15 Millionen Euro, da bin ich bei 75 Milliarden. Und wenn ich über (Panzer-) Haubitzen rede, bin ich schnell bei weiteren 40 Milliarden … Das sind Megathemen mit einem Gesamtvolumen von über 100 Milliarden Euro bis 2050“.

Auch eine neue Generation von Kampfflugzeugen wird entwickelt: von der Airbus Defence und dem französischen Flugzeugkonzern Dassault. „Dieser Auftrag soll ein Volumen von rund 500 Milliarden haben“, schreibt das Handelsblatt.

Das sind die Gelder, die anderswo fehlen:
In der Pflege, beim Bau von Sozialwohnungen, in der Bildung und beim sozialökologischen Umbau der Wirtschaft

Was wir brauchen sind nicht 2% vom BIP für die Rüstung,

sondern 2% vom BIP für den sozial-ökologischen Umbau der Wirtschaft

Stattdessen forciert die BRD die Osterweiterung der NATO

Deutschland spielt eine unrühmliche Rolle bei der militärischen Einkreisung Russlands durch die NATO.

Mit dem größten Militäraufmarsch seit dem zweiten Weltkrieg rückt die NATO an die Westgrenze Russlands vor und deutsche NATO- Panzer stehen 75 Jahre nach dem deutschen Überfall wieder an den Grenzen Russlands.

Entgegen den Zusicherungen der NATO-Staaten im Zuge der Widervereinigung, die NATO werde sich nicht nach Osten ausdehnen, wurden 13 osteuropäische Staaten in die NATO aufgenommen

Damit sieht sich Russland zunehmend von NATO-Stützpunkten umgeben.

Die Nato-Osterweiterung, die Stationierung von Nato-Raketen auf dem Gebiet des ehemaligen Warschauer Paktes, der Versuch, die Ukraine in die Nato zu einzugliedern und einen sog. Raketenabwehrschirm aufzubauen, das alles sind Bestandteile einer abenteuerlichen Kriegsvorbereitung.

Wir sagen:

Frieden in Europa gibt es nur mit - und nicht gegen Russland

Gleichzeitig ist Deutschland an der Vorbereitung von Atomkriegen beteiligt.

Zwar - hat Deutschland 1974 den Atomwaffensperrvertrag unterschrieben,

Zwar - hat der Bundestag 2010 mit großer Mehrheit den Abzug dieser Atomwaffen gefordert.

Aber immer noch lagern in Büchel amerikanische Atomwaffen, und werden jetzt modernisiert, miniaturisiert, damit sie auch unterhalb der Schwelle eines großen Atomkrieges einsatzfähig sein sollen.

Und mit deutschen Tornados werden Atomwaffeneinsätze geübt.

Deshalb ist die Losung vieler OM-Aufrufe:

Alle Atomwaffen raus aus Deutschland – für eine atomwaffenfreie Welt!

Deutschland ist die wichtigste Drehscheibe für den blutigen globalen Drohnenkrieg der USA

Von Ramstein aus steuern amerikanische Soldaten den weltweiten Drohnenkrieg.

Beim Drohnenkrieg geht es um außergerichtliche Hinrichtungen, die gegen Völkerrecht wie deutsches Recht verstoßen

Die tödlichen Einsätze US-amerikanischer Kampfdrohnen hatten bisher zehntausende Todesopfer zur Folge – die absolute Mehrheit der Opfer waren unbeteiligte Zivilisten. 

Untersuchungen von Menschenrechtsorganisationen belegen, dass für jede ermordete "Zielperson" durchschnittlich 28 Unbeteiligte, darunter viele Kinder, getötet worden sind.

Und die Zielpersonen werden ohne Prozess nach Listen vom CIA und den US-Militärdiensten ausgewählt

Die USA entscheiden, wer Terrorist ist und ermorden diese Personen überall auf der Welt nach Gutdünken.

Man stelle sich vor, Russland oder China würden so verfahren.

Welchen Aufschrei gäbe es da.

Deshalb sagen wir

Schluss mit dem verbrecherischen Drohnenkrieg und der deutschen Komplizenschaft

 

  • Nein zur weiteren Aufrüstung
  • Nein zu allen Atomwaffen
  • Deutschland raus aus der NATO
  • Ja zu Frieden mit Russland
  • Ja zum Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen

Wir wenden uns gegen ein kapitalistisches System, das millionenfaches Flüchtlingselend produziert.

Und - Wir wenden uns gegen jeden Versuch, die Armen in unserem Land gegen die noch Ärmeren, die Flüchtlinge – die Verdammten dieser Erde – auszuspielen.

Der finstere Widergänger der Losung „America first“ ist die Losung rechter Demagogen wie der AfD:
Deutsche Arme zuerst !

Wir dürfen nicht zulassen, dass die wachsende Armut hierzulande dazu missbraucht wird, um den noch Ärmeren, den hier Schutzsuchenden ein Leben in Würde und Sicherheit zu verweigern.

Diese Menschen kommen hierher, weil durch Kriege, Umweltzerstörung und wachsende Armut ihre Lebensgrundlagen zerstört werden.

Und - Es sind auch deutsche Waffenexporte, die Kriege in aller Welt befeuern und ein Millionenheer von Flüchtlingen schaffen

Diese Flüchtlinge sind hier, weil ein profitorientiertes Wirtschaftssystem ihre Lebensgrundlagen zerstört.

Und für diese Zerstörung sind deutsche Waffenexporte, ein ungleicher Handel und die Unterstützung despotischer Regimes mitverantwortlich.

Wenn man sich weigert, den obszönen Reichtum einiger weniger angemessen zu besteuern – dann soll man uns nichts davon erzählen, dass dieses Land von den hier Schutzsuchenden überfordert wäre.

Deshalb sagen wir: Schluss mit der rassistischen Hetze gegen Flüchtlinge.

Flüchtlinge sind keine Konkurrenten um die knappen bezahlbaren Wohnungen oder um Arbeitsplätze, um Bildung und staatliche Fürsorge

Nein - sie sind unsere Verbündeten für die Kämpfe um mehr bezahlbare Wohnungen und sichere Arbeitsplätze für alle, für ein sicheres und menschenwürdiges Leben für alle.

Jetzt wird uns auf vielen Europawahlplakaten das „Friedensprojekt“ Europa angeboten.

Um welche Art Friedensprojekt es sich dabei handelt hat die CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer klar gemacht.

Sie schlägt – mit Unterstützung der Kanzlerin - einen europäischen Flugzeugträger vor.

Man hat den Eindruck der politische Irrsinn galoppiert.

Ich hätte einen Vorschlag zu echter Rüstungkonversion:

Vielleicht sollten die Verantwortlichen für den Bau des Berliner Hauptstadtflughafens die Gorch Fock zum Flugzeugträger umbauen

Das wäre ein Schritt zu echter Abrüstung

Nein - heute ist Europa kein Friedensprojekt sondern die EU ist Motor der Militarisierung Europas und für das Massensterben im Mittelmeer verantwortlich

  • Wir wollen ein Europa der Solidarität mit legalen Einreisemöglichkeiten für diejenigen, die vor Krieg, Hunger und Armut fliehen.
  • Wir wollen ein demokratisches Europa, das die sozialen Rechte der Menschen garantiert, anstatt die Profite der Banken und Konzerne zu fördern.
  • Wir wollen ein Europa, dass dazu beiträgt, die weltweite soziale Ungleichheit zu beseitigen und ernsthafte Maßnahmen gegen die Klimakatastrophe ergreift.

Wir wollen ein Europa ohne Atomwaffen und ohne neue Mittelstreckenraketen

Unsere Stimme gegen nationalistische Hetze ist eine Stimme für ein Europa ohne Wettrüsten, Handelskriege und Sanktionen.

„Der Kapitalismus trägt den Krieg in sich wie die Wolke den Regen.“

Dieses Zitat des französischen Politikers Jean Jaurès zeichnet zwar ein anschauliches Bild, trifft die Sache aber nicht genau.

Kriege werden von Menschen gemacht und können von Menschen verhindert werden. Sie entstehen eben nicht naturnotwendig, wie der Regen.

Regen ist nicht verhinderbar, Krieg schon.

Lasst uns weiter daran arbeiten.

Vielen Dank!

 

Walter Listl ist aktiv beim „ISW“ sozial-ökologische Wirtschaftsforschung in München.