Redebeitrag für die Auftaktveranstaltung in Fürth des Ostermarschs Nürnberg am 5. April 2021

 

- Es gilt das gesprochene Wort -

 

Ein sofortiger und totaler Lockdown für die Rüstung ist ist bitter notwendig.Hier und heute werde ich über die Grundlage für diese Forderung reden.

 

Liebe Friedensfreundinnen, liebe Friedensfreunde,

kein gutes Wetter für unseren Protest. Aber so wie das Wetter, ist auch die Situation der Welt – wir sind gefordert, wie schon lange nicht mehr!

Vielleicht ist diese Aussage auch falsch, vielleicht hatte ich in den letzten Jahren nur nicht begriffen, wie ernst die Situation ist, genauso, wie ganz viele unserer Mitmenschen es ebensowenig begreifen.

Gut, die grassierende Corona-Pandemie verdrängt sehr viele Themen. Leider behindert sie nicht die Aufrüstung, den Klimawandel, den Rohstoffhunger unserer Wirtschaft und die mit diesen Themen verbundenen Kriegsplanungen, eher umgekehrt.Gerade – irrsinnig in diesen Pandemiewochen – findet das verschobene NATO-Riesenmanöver mit dem irreführenden Namen DEFENDER statt.

Wenn wir uns allein die öffentlich zugänglichen Strategieplanungen von EU und NATO anschauen, müssen wir erkennen, dass es nicht mehr um Verteidigung – gegen wen auch? - geht, sondern um die Absicherung von Einfluss, Herrschaft und Rohstoffen. Obwohl ich immer überzeugt war, dass ich als Kriegsdienstverweigerer und gewaltfrei denkender Mensch alle Kriege ablehne, hatte ich mich im Laufe der Zeit doch in seltenen
Fällen mit der „militärischen Option“ abgefunden und Waffeneinsatz unter eng begrenzten Bedingungen als „Ultima Ratio“ akzeptiert.

Vor einigen Jahren, vielleicht durch den Afghanistankrieg, setzte ein Umdenken bei mir ein Keine der humanistisch begründeten Interventionen von EU, NATO oder auch einzelnen Staaten hat etwas für die betroffene Bevölkerung verbessert. Stattdessen ist genau das Gegenteil eingetreten.

Unser Militär – die deutsche Bundeswehr ist oder war in fast allen diesen Konflikten oder Kriegen beteiligt – hat Chaos und eine zerstörte Infrastruktur hinterlassen. Soweit noch im Einsatz, ist das Militär damit beschäftigt, durch unsere Intervention neu entstandene Horrorentwicklungen, ein Beispiel ist die Entstehung des IS durch den Krieg im Irak, wieder einzufangen.

Auch die deutsche Industrie trägt ihren Teil zum weltweiten Töten bei. Mit erlaubten Waffenexporten aus Deutschland werden Konflikte geschürt und manchmal erst möglich gemacht.

Ich bin davon überzeugt, dass es keine gerechtfertigten, erst recht keine gerechten Kriege gibt! Wer noch daran glaubt, den bitte ich, sich davon zu verabschieden.Jeder Krieg, jeder Einsatz von Waffen erzeugt Unrecht und Unglück. Weder in unserer eigenen deutschen Geschichte, noch in späteren Kriegen, siehe Vietnam, erst recht nicht in Syrien, Libyen oder im Jemen führten oder führen Waffen zu den versprochenen Lösungen.

Die nächsten Katastrophen zeichnen sich bereits ab: In Europa, ganz aktuell, gibt es in der Ukraine wieder eine explosive Situation. Die alte Weisheit, dass die Wahrheit das erste Opfer jedes Krieges ist, scheint sich auch hier zu bestätigen. In Myanmar drohen jetzt, nach dem Militärputsch, einige Milizen ethnischer Minderheiten, mit Waffen ins Geschehen einzugreifen, um der Militärgewalt etwas entgegenzusetzen. Falls diese Konflikte eskalieren, werden daraus mit hoher Wahrscheinlichkeit wieder Stellvertreterkriege, um Einfluss und Macht über diese Gebiete zu bekommen. Syrien lässt grüßen.

Vermutlich wird unser wohlwollendes Eingreifen auch diesmal gut verkauft im Namen der Freiheit und des Friedens und der Selbstbestimmung der betroffenen Menschen. Das Ergebnis wird das gleiche sein, was alle anderen Konflikte der letzten Jahre erzeugt haben, lokale Not, Elend und Umweltzerstörung. Falls wir danach wenigstens etwas Menschlichkeit aufbringen würden, können wir eventuell den flüchtenden Menschen eine Zuflucht bieten.
Solange wir als Gesellschaft das militärische Denken unserer Politiker*innen dulden, die Option des Krieges mittragen, wird dieses Spiel immerzu weitergehen. Das Denken in militärischen Kategorien muss endlich als das benannt werden, was es ist: eine gemeingefährliche und selbstgefährdende Krankheit!

Dieser Vorwurf wird vollends verständlich wenn wir mit offenen Augen und wachem Bewusstsein wahrnehmen, was sich gerade an den EU-Außengrenzen abspielt. Menschen, die aus solchen oben beschriebenen Konfliktsituationen geflohen sind, um sich nicht am gegenseitigen Abschlachten beteiligen zu müssen, junge und alte, Familien mit kleinen Kindern, wird nicht etwa eine Zuflucht angeboten, was eine menschliche
Selbstverständlichkeit sein sollte, nicht einmal die Chance auf einen Asylantrag, was ihr verbrieftes Recht ist, NEIN, diese Menschen werden mit erniedrigender Gewalt zurückgetrieben, dem Hunger, der Kälte, dem Meer ausgeliefert, ihre Habseligkeiten werden zerstört oder ihre Boote unbrauchbar gemacht.

Man muss kein Jurist sein, jeder kann erkennen, dass an diesen Menschen eindeutig strafbares Unrecht verübt wird!

Wir Europäer, speziell wir Deutschen zeigen gerne auf die anderen, die Despoten, die Unterdrücker, die Hassprediger, alle diejenigen, die die Menschenrechte mit Füßen treten. Doch wenn wir die Augen aufmachen und uns umschauen, was sehen wir?

Auch unsere Hände sind blutig, unsere Regierungen lassen Menschen im Mittelmeer ertrinken, sie hindern Schiffe sogar daran, Ertrinkende zu retten. Mit deutscher Hilfe wird u.a. die kroatische Grenzpolizei so ausgerüstet, dass Geflüchtete auch unter schlechten Wetterbedingungen aufgespürt werden können, um anschließend von genau diesen Sicherheitskräften ausgeraubt, zusammengeschlagen und abgeschoben zu werden.
Die gleichen Politiker*innen, die diese unmenschliche Politik zu verantworten haben, entscheiden in der NATO oder dem entsprechenden EU-Gremium über unsere militärische Zukunft und behaupten, dass eine weitere Aufrüstung notwendig für unser aller Sicherheit ist.

Wen wollen sie schützen und von welcher Sicherheit ist dabei die Rede?

Wenn ich sehe, welche Verachtung unserer eigenen Grundrechte und Missachtung der Menschenrechte von Nicht-EU-Bürgern tatsächlich von den Regierungen, Militärs und weiteren, fast im rechtsfreien Raum operierenden Einheiten wie FRONTEX gelebt wird, verzichte ich gerne auf eine Verteidigung durch diese Menschen und Kräfte. Manche Berichte erinnern mich an die Gräuel des 30-jährigen Krieges, andere an Science Fiktion.

Ich bin überzeugt, dass wir neue Methoden und Lösungen brauchen, um die Welt lebenswert und bewohnbar zu erhalten, da es immer offensichtlicher wird, dass unsere freiheitlichen und sozialen Grundwerte unvereinbar mit militärischem Handeln sind.

Auf einen Nenner gebracht:

RÜSTUNG = MILITÄR = TOD - Rüstung und Militär tötet bereits jetzt, zu sog.Friedenszeiten

  • Das Geld für die Rüstung fehlt dem Sozialstaat, gerade jetzt in Pandemie-Zeiten.
  • Die automatisierte Rüstung der Zukunft ist unkontrollierbar und unberechenbar.
  • Militär schadet der Umwelt ohne Wiedergutmachung und ohne dafür Rechenschaft zu leisten.
  • Keiner der Kriege der letzten Jahrzehnte hat Frieden gebracht, sondern nur neue Konflikte.
  • Rüstungsexporte aus Deutschland und anderen NATO-Staaten halten diese Spirale am Leben, sie erzeugen weltweit Tod und Verderben

FRIEDEN + SOLIDARISCHE GESELLSCHAFT = LEBEN - nur ein gerechter Friede kann dauerhaft sein

  • Der sofortige Beitritt zum Atomwaffenverbotsvertrag ist als erster Schritt überfällig.
  • Dazu müssen endlich die militärischen Emissionen in die CO²-Bilanz eingerechnet und damit überhaupt erkennbar gemacht werden. Eine ehrliche CO²-Bilanz sind wir der Umwelt schuldig.
  • Die von der NATO geforderten 2% aus dem Bruttosozialprodukt ( = 68,7 Mrd. Euro 2019 ) brauchen wir dringend als Investition in soziale Gerechtigkeit, Klimaschutz und zum ökologischen Umbau der Wirtschaft
  • Ein wirksames Lieferkettengesetz als erster Schritt hin zu einer gerechteren Weltwirtschaft wird Vertrauen schaffen und damit helfen, Wirtschaftskriege zu vermeiden.
  • Ein Wechsel, weg von militärisch-hierarchischer Kommandostruktur, hin zur Beteiligung aller an Entscheidungsprozessen ist unserer Demokratie angemessen und führt zu sozialem Ausgleich.
  • Die volkswirtschaftlich sinnlose Rüstungsproduktion muss komplett aufgeben werden. Damit erledigt sich das Thema der Rüstungsexporte von selbst.

Auch wenn die jetzige und vermutlich auch die zukünftige Bundesregierung einen anderen Kurs fährt, wir müssen die Kraft aufbringen, etwas zu ändern!

Wir müssen selbst Frieden schaffen – „DER WEG IST DAS ZIEL“ – es tut niemand für uns! Fordern wir von unseren Regierungen eine ernsthafte Suche nach Alternativen zur Gewalt, die aktuelle Eskalation in der Ukraine ist ein guter Zeitpunkt, jetzt gleich damit anzufangen.

Ostern ist das Versprechen der Natur, der christlichen und vieler anderer Kulturen an uns Menschen, dass das Leben stärker ist als der Tod – nehmen wir dieses Versprechen auf,

Kämpfen wir für das Leben!

 

Fritz Wittig ist aktiv beim Friedenforum Fürth.