Redebeitrag für den Ostermarsch Berlin am 3. April 2021

 

- Es gilt das gesprochene Wort -

 

Liebe Freundinnen und Freunde!

Ich grüße Euch im Namen der Niederländischen Ökumenischen Gemeinde, einer Berliner Basis-Gemeinde.

Zu eben dieser Stunde findet 4.000 km von uns entfernt in Palästina ein anderer Ostermarsch statt. Vor ein paar Jahren war ich im Auftrag der Kirchen als Begleiter der Einheimischen zum Schutz gegen Menschenrechtsverletzung im Westjordanland und an einem solchen Ostersamstag wie diesem in Beit Sahur, bei Bethlehem.

Seit dem Morgen war die Stadt in Hochstimmung. Menschen überall auf den Straßen; lärmende Kinder. Marschmusik der Pfadfinderorchester; Glockendröhnen, arabische Volksmusik aus Straßenlautsprechern – ohrenbetäubend – orientalisch betörend.

Gegen Mittag ein Zug zum Festplatz – dort Warten – gespanntes Ausschauhalten.

Dann ein Raunen. Ein Auto nähert sich von Jerusalem. Eine Laterne wird herausgereicht, von Dutzenden Händen über die Köpfe der Menge gehoben. Jubel braust auf. Er gilt der Flamme – dem Licht, das am Morgen in der Grabeskirche in Jerusalem erschienen war. Von Hand zu Hand, von Kerze zu Kerze, von Ort zu Ort wird es weitergereicht. Es breitet sich aus im Land. Es kommt zu den Menschen, in die Häuser.

Licht – Leben – Osterfreude.

Seit über 1.000 Jahren gibt es das Lichtritual, ein Hoffnungsritual heute für ein Volk in hoffnungsloser Finsternis unter militärischer Besatzung, ein Friedensritual inmitten von Gewalt.

Solidarität gehört zur Friedensbewegung. Protest gegen die Verletzung des Völkerrechtes. Solidarität mit den vielen Völkern, die Kriege erleiden, nicht selten geführt mit deutschen Waffen. Solidarität mit denen, denen Recht und Selbstbestimmung verweigert werden.

Viele Forderungen unseres diesjährigen Aufrufes sind leider nicht neu. Immer noch geht es um die Vernichtung der Atomwaffen, auch derer auf deutschem Boden, trotz des Verbotsvertrages. Immer noch geht es um Abrüstung – Konversion – Dialog.

Friedensbewegung ist ständiges Ratschlagen über Forderungen, Strategien und taktisch kluge Aktionen. Aber unser Ostermarsch ist einmal pro Jahr ein ganz besonderes Hoffnungsritual – ähnlich der Feier des Lichtes in Palästina, ein Zeugnis unserer Hoffnung, dass Frieden möglich ist, und das heißt, dass eine friedensfähige Gesellschaft möglich ist.

 

Liebe Freundinnen und Freunde,

wir müssen die Pandemie ernst nehmen, denn es geht um Menschenleben. Aber wir dürfen neben der akuten nicht die chronische Krankheit unserer westlichen Welt aus dem Blick verlieren, die Seuche der kapitalgetriebenen Wirtschaft, die auch – wie könnte es anders sein – die Anti-Pandemie-Maßnahmen unserer Regierenden infiziert.

Wir dürfen uns die Hoffnung nicht ausreden lassen, dass eine Gesellschaft möglich ist, in der mit Waffen keine Geschäfte zu machen sind, in der Roboter nützliche Werkzeuge und keine Tötungsmaschinen sein werden, in der die Mitmenschlichkeit mehr gilt als die Staatsräson, in der die Unantastbarkeit der Würde aller Menschen weder der Rendite noch dam nationalen Egoismus geopfert wird, in der Eigentum nicht Raub am Leben anderer ist.

Wir lassen uns die Hoffnung nicht nehmen auf eine Gesellschaft, die vom Gemeinwohl aller Völker geleitet wird, sozial orientiert, sozialistisch gestaltet.

Wir wollen diese Hoffnung kundtun, sichtbar machen, demonstrieren. Hoffnung will auch gefeiert werden. Deshalb:

Frohes Ostern! Trotz alledem!

 

Giselher Hickel ist aktive bei der Niederländischen Ökumenischen Gemeinde in Berlin.