Redebeitrag für den Ostermarsch Jagel am 3. April 2021

 

- Es gilt das gesprochene Wort -

 

Bundeswehr an Schulen

 

Liebe Freundinnen und Freunde,

Vorab ein Szenario: „Zukunftstag“ der Gemeinschaftsschule Albersdorf (Dithmarschen) am 22.2.2020:

Die Schüler*innen der Klassenstufen 7 bis 10 sind (an einem Sonnabend!) zur Anwesenheit verpflichtet worden und haben den Auftrag zu schriftlichen Berichten über den Besuch an ausgewählten Ständen von über 40 Unternehmen, die ihre Ausbildungsplätze bewerben. Einer davon ist ein einschlägig gekennzeichneter Stand der Bundeswehr. Die Eltern sind eingeladen worden, ihre Kinder beim Rundgang durch die Schule zu begleiten, die wenigsten tun es. Auch Lehrkräfte halten sich nicht in der Nähe des Bundeswehrstandes auf, wenn der „Karriereberater“ den Kindern Berufswege, Einsatzmöglichkeiten, Verdienstaussichten und überhaupt das coole Leben bei Auslandseinsätzen vorstellt und Werbegeschenke verteilt. Wohl gemerkt: bei einer Pflichtveranstaltung für Schüler*innen ab Klassenstufe 7, die Jüngsten sind 12.

Darf das sein?

Ja und Nein

Einerseits: Die Rechtslage:

„Die Zusammenarbeit zwischen Schule und Bundeswehr beginnt frühestens in den Abschlussklassen der Sekundarstufe I.“

Für Friedensaktivisten und -pädagoginnen ist dieser Satz hartes Brot.

Er stammt aus dem Erlass des seinerzeitigen Ministeriums für Bildung und Kultur in SH vom 13.3.2011. Er gilt nach wie vor und bedeutet, dass der Bundeswehr Lehr- und Werbeauftritte in den Schulen grundsätzlich erlaubt sind. Er ermöglicht es, dass Jugendoffiziere in den Unterricht eingeladen werden als „Fachleute“ für Fragen der Sicherheitspolitik und internationale Beziehungen und dort quasi unterrichtliche Aufgaben übernehmen. Etwa mit dem hoch umstrittenen Planspiel pol&is, das auf subtile Weise den Einsatz militärischer Gewalt in Konflikten legitimiert. Oder eben für „Karriereberater“ auf Jobmessen, wo sie Berufsberatung für Minderjährige leisten. Die Schulen schicken ihnen die Kinder klassenweise zu (oder veranstalten diese Jobmessen gleich in den eigenen Räumen). Oft kennen die Schüler*innen die Kameraden von den Bildern auf Großplakaten, die gegenüber ihren Schulen für sie geklebt sind; Parolen: „Mach, was wirklich zählt!“, „Kämpfen! Folge deiner Berufung!“.

Immerhin: Zulässig erst ab Abschlussklassen der Sekundarstufe I, also ab Klasse 9.

Der eingangs geschilderte Bundeswehrauftritt in Albersdorf war demnach unzulässig. (Die kleinen Fische müssen wieder ins Wasser.)

Andererseits die ethische Dimension:

Als Bildungsgewerkschaft mit humanistischer und pazifistischer Ausrichtung können wir uns im Grunde nicht damit abfinden, dass die Schleusen für die Einflussnahme des Militärs auf das öffentliche Bildungswesen derart weit geöffnet sind. Organisationen und Bündnisse wie die Hamburger Initiative BoB (Bildung ohne Bundeswehr) und „Unter 18 nie! Keine Minderjährigen in der Bundeswehr“ setzen sich denn auch für eine Beendigung dieser Zusammenarbeit ein. Auch die GEW hat in einer gemeinsam mit terre des hommes herausgegebenen Broschüre (Titel: „Kinder im Visier“) eindeutig gegen die Ausbeutung des Rekrutierungsfeldes Schule durch die Bundeswehr Stellung bezogen.

Daher: Bildung ohne Militär! Bundeswehr raus aus den Schulen

Vielen Dank.

 

Hans-Joachim Flicek ist aktiv bei der GEW Heide.