Redebeitrag für den Ostermarsch Limburg am 3. April 2021

 

- Es gilt das gesprochene Wort -

 

Liebe Freundinnen & Freunde,

Generäle sieht man selten auf Friedensdemonstrationen. Den Bundeswehr-General a.D Harald Kujat zitiere ich in Abwesenheit, er sagt auf die Frage nach einem neuen Kalten Krieg:

„Nein, es ist kein neuer kalter Krieg, sondern wir stehen an der Schwelle zu einem heißen Krieg“ (1)

Er sagte das vor drei Jahren, nach einem Bombenangriff von USA, Frankreich und England auf Syrien. Und es kam nicht zum großen, heißen Krieg, nur deswegen, weil Rußland stillgehalten hat.

Aber: Fast jede Woche gibt es solche neuen Spannungsherde. Mal wird ein iranischer General ermordet, dann ein Atomphysiker, mal fliegt wieder eine Drohne irgendwohin, mal bombardiert Netanjahu Ziele in Syrien, mal explodiert eine saudische Ölraffinerie, oder es marschiert die Türkei in Nordsyrien oder im Irak ein. Jedes dieser Ereignisse ein  Funke, der die große Explosion auslösen können.

Hören wir weiter den General Kujat:

„Wir haben eine Bundesregierung, die verbal diesen ... Konflikt mit anheizt und sich nicht darum bemüht ... , für Mäßigung zu sorgen.“ (2)Schon das ist ein alarmierender Befund.  Der General ist weder Pazifist noch Russlandversteher. Dennoch kommt er in den Abendnachrichten nicht zu Wort. Er sagt weiter:

„Im Grunde erinnert mich das an die Lage vor dem ersten Weltkrieg.“  (ebd.)

Damals, 1914, genügte ein kleiner Funke, den Weltenbrand zu entfachen. Die imperialistischen Mächte waren auf allen Seiten bis an die Zähne bewaffnet, Spannungsherde gab es überall, und besonders der deutsche Kaiser mitsamt seinen Militärs wartete nur auf den Anlaß zum Losschlagen. Der Funke war dann ein Mord in Sarajewo.

Bis auf einen, einen (!) Abgeordneten stimmte der gesamte Reichstag dem Krieg zu.

Vor drei Jahren waren unsere Medien voll davon, Syrien oder Rußland hätten in Duma Chemiewaffen eingesetzt. Innerhalb von Tagen flog NATO ihre „Vergeltungsangriffe“ gegen Syrien.

Inzwischen wissen wir, daß die Chemiewaffen-Experten der OPCW keinerlei Beweise für den behaupteten Chlorgasangriff gefunden haben. (3)

Wen interessiert das heute? Hätte Rußland damals zurückgeschlagen, wäre der große Krieg längst da.

Krieg ist kein Selbstzweck, Krieg ist die Durchsetzung ökonomischer und politischer Interessen mit anderen Mitteln.

Deswegen, liebe Freunde, nochmal General Kujat: „Wir haben eine Bundesregierung, die diesen Konflikt mit anheizt und sich nicht um Mäßigung bemüht“ ? (2) 

Und warum tut sie das?

Egon Bahr, Berater Willy Brandts und westlicher Architekt der Entspannungspolitik sagt: „In der Internationalen Politik geht es nie um Demokratie oder Menschenrechte. Es geht um die Interessen von Staaten. Merken Sie sich das, egal, was man Ihnen ... erzählt.“   (4)

Warum also wedelt die Bundesregierung mit den Menschenrechten von Alexej Nawalny? Warum ist Nawalny ein Held und warum ist Julian Assange ein Verbrecher? Warum ist Wladimir Putin ein Mörder, aber Joseph Biden kein Folterknecht?  (acht Jahre lang Vizepräsident von Guntanamo) ?

Man kann russische Oligarchen ähnlich unappetittlich finden, wie unsere. Man kann Gasprom, Huawei oder Alibaba vergleichen mit Exxon, Google oder Facebook.

Aber man kann mir nicht erzählen, das Russen-Bashing hätte was mit Menschenrechten zu tun.

Wenn schon Menschenrechte,  dann weltweit, und dann zuallererst bei uns: in Moria und in Minneapolis, in Dessau und in Hanau!

Alles andere ist bloß Verteufelung des Gegners, Einstimmung des Publikums auf Krise und Krieg.

Auch Annalena Baerbock ist da ganz bei Egon Bahr. Sie will die Nordstream-Pipeline primär nicht etwa aus Umweltgründen, sondern „vor allem geostrategisch“ verhindern. (5)

Geostrategie, lest es bitte nach, ist nur ein anderes Wort für die Vorherrschaft auf dem großen Schachbrett, auf dem  europäischen und asiatischen Kontinent. Geostrategie heute,

das sind fast tausend Militärstützpunkte rund um den Erdball,

das ist Regime Change mit Lügen und Erfindungen, 

das sind syrische, irakische, libysche Verhältnisse *heute *

und *morgen* dasselbe in Rußland und China.

Das können wir nicht wollen! 

Wir wollen überleben und müssen dafür sorgen, daß zwischenstaatliche Spannungen auf friedliche Weise, nicht durch Rüstung & Krieg behoben werden, sondern durch Diplomatie und Verhandlungen.

Keine NATO-Truppen an die russischen Grenzen! Keine Fregatten ins südchinesische Meer!

Die Geschichte lehrt: Zügellose Propaganda dient erst der Rüstungsindustrie und führt dann in den Krieg. 80 Jahre nach dem deutschen Überfall auf die Sowjetunion gilt: 

Entspannungspolitik jetzt!  Reden statt schießen.
 

Harff-Dieter Salm ist aktive bei der Gruppe „Courage gegen rechts“

 

Quellen: