Redebeitrag für den Ostermarsch Frankfurt am 5. April 2021

 

- Sperrfrist: 5. April 2021, Redebeginn: 10 Uhr -
- Es gilt das gesprochene Wort -

 

Liebe Friedensfreundinnen und -freunde,

Zur Zeit des Vietnamkriegs schrieb in den USA eine Cherokee-Frau ein Lied, eine Art Hymne auf die individuelle Kriegsdienst­verweigerung. Sie beschreibt darin sehr anschaulich, wie die individelle Weigerung, keinen Kriegsdienst zu leisten, ein ganz zentrales Element jeder Kriegs­gegner­schaft ist. Das gilt für alle Kriege, von der Antike über die Deserteure des Zweiten Weltkriegs bis heute. Die Frau heißt Buffy Saint-Marie, der Song heißt Universal Soldier.

In der Ukraine wird seit 2015 der Journalist und Kriegs­dienst­gegner Ruslan Kotsaba von der Justiz verfolgt.

Für den kommenden Donnerstag, 8. April 2021, hat das Gericht in Kolomyja in der westlichen Ukraine erneut eine Anhörung im Strafverfahren gegen ihn angesetzt.

2015, nachdem er im Kriegsgebiet recherchiert hatte, veröffentlichte er ein Video, in dem er den Krieg in der Ost-Ukraine verurteilte und erklärte, er werde sich einer etwaigen Einberufung verweigern und nicht auf seine "im Osten lebenden Mitbürger" schießen. Er rief seine Landsleute auf, ebenfalls den Kriegsdienst zu verweigern.

Er wurde daraufhin verhaftet und wegen „Landesverrats“ und „Behinderung der Tätigkeit der Streitkräfte“ zu 3 ½ Jahren Gefängnis verurteilt.

An dieser Stelle eine Zwischenbemerkung:

2019 sollte Ruslan der Aachener Friedenspreis verliehen werden, die Entscheidung wurde jedoch revidiert, nachdem frühere antisemitische Äußerungen von ihm bekannt wurden.

Von diesen in der Tat inakzeptablen Äußerungen aus dem Jahr 2011 hat er sich mittlerweile, auch nach einem dramatischen Schlüsselerlebnis im Sommer 2014, klar distanziert, sich dafür entschuldigt und sein tiefes Bedauern darüber ausgedrückt.

Der Aachener Linken-Abgeordnete Andrej Hunko, der ihn für den Friedenspreis vorgeschlagen hatte, findet „gerade seinen Werdegang vom Nationalisten zum Pazifisten bemerkenswert.“

Genau für diesen Pazifismus wird er heute vom ukrainischen Staat verfolgt. Dafür verdient Ruslan unseren Respekt und unsere Solidarität.

Amnesty International erkannte Ruslan als „Gewissens­gefangenen" an. Nach einer internationalen Solidaritätskampagne wurde er, nach 16 Monaten in Haft, vom Berufungsgericht freigesprochen und freigelassen. Schließlich ist das Recht auf Meinungsfreiheit wie auch das Recht auf Kriegsdienst­verweigerung in der ukrainischen Verfassung verankert.

Das Oberste Gericht für Zivil- und Strafsachen hob diesen Freispruch jedoch 2017 auf und ordnete eine Wiederaufnahme des Verfahrens an.

Damit wird sowohl die Verfassung der Ukraine als auch die Europäische Menschenrechts­konvention mit Füßen getreten. Allein dies erfordert unseren entschiedenen Protest!

Die Verfolgung geht seitdem weiter, mit immer neuen Prozessterminen und haarsträubenden Schikanen wie die Benennung von sage und schreibe 58 (!) Zeugen, was den Prozess noch mehr in die Länge ziehen dürfte. Ruslan Kotsaba droht nun wieder eine Freiheitsstrafe von fünf bis 15 Jahren. Für eine Meinungsäußerung!

Aber Ruslan Kotsaba wird nicht nur vom Staat bedroht und verfolgt. Bei dem Verhandlungstermin im Januar wurden Ruslan und seine Anwältin auf dem Weg zum Gericht von einem rechtsextremen Mob angegriffen. Ein Unbekann­ter besprühte Ruslan mit einem Feuerlöscher und der Mob skan­dierte: "Tod den Feinden! Ukraine über alles!“ Die Polizei schritt ein, nahm aber keinen der Angreifer fest.

Dieses Verhalten der Polizei ist vielleicht nicht überraschend, aber darum auch nicht weniger skandalös. Liebe Freundinnen und Freunde, das darf ebenfalls nicht unwidersprochen bleiben!

Die Soli-Arbeit für Ruslan wird in Deutschland getragen von

  • den Landesverbänden Hessen und Rheinland-Pfalz der DFG-VK,
  • dem Verein Connection e.V., der sich weltweit für verfolgte Kriegsdienstgegner*innen einsetzt,
  • und der Berliner Initiative "Freiheit für Ruslan Kotsaba!"

Vorgestern, am Karsamstag, übergab die DFG-VK im Anschluss an den Ostermarsch in Mainz ein gemeinsames Schreiben an den dort residierenden Honorarkonsul der Ukraine.

Das Schreiben die ukrainische Regierung auf,

  • die politische motivierte Repression gegen Ruslan Kotsaba zu beenden,
  • das Menschenrecht auf Kriegsdienstverweigerung
  • und das Menschenrecht auf Meinungsfreiheit zu garantieren.

Ruslans Freundinnen und Freunde in Berlin werden jetzt am Donnerstag gleichzeitig mit dem Verhandlungsbeginn eine Mahnwache vor der Botschaft der Ukraine in Berlin abhalten.

Ich wiederhole darum hier noch einmal unsere Forderungen, die wir in Mainz, in Berlin und auch hier in Frankfurt gemeinsam stellen:

  • Schluss mit der politisch motivierten Verfolgung des Pazifisten Ruslan Kotsaba!
  • Kritik am Militär ist kein Verbrechen! 
  • Für das Menschenrecht auf Meinungsfreiheit in der Ukraine!
  • Für das Menschenrecht auf Kriegsdienstverweigerung weltweit! Auch in der Ukraine.

Vielen Dank.

 

Rüdiger Schilp ist aktive der DFG-VK Gruppe Mainz-Wiesbaden.